Deutsche Redaktion

Morawiecki: "Wir verteidigen Europa gegen eine weitere Migrantenkrise"

29.11.2021 10:01
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat mit der deutschen Nachrichtenagentur dpa über die Flüchtlingskrise, die Gasleitung Nord Stream 2 und Kriegsreparationen gesprochen. 
Im Rahmen seiner diplomatischen Offensive besuchte Ministerprsident Mateusz Morawiecki am Donnerstag die geschftsfhrende Kanzlerin Angela Merkel in Berlin
Im Rahmen seiner diplomatischen Offensive besuchte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Donnerstag die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel in Berlingov.pl

Am Sonntag hat die dpa ein Interview mit dem polnischen Regierungschef veröffentlicht. Hauptthema war die Flüchtlingskrise an der Grenze zu Weißrussland. Der Regierungschef sprach auch über die Gasleitung Nord Stream 2 und Reparationen für die Schäden, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen verursacht hat.

Auf die Frage, warum Polen keine Hilfe von der EU, darunter der Grenzschutzagentur Frontex, annimmt, sagte Morawiecki: „Wir können alle Arten von Unterstützung annehmen, aber im Moment brauchen wir sie nicht (...) Die polnische Grenze ist dicht".

Er begründete dies damit, dass „wir 15 000 Grenzschutzbeamte haben und Frontex bis zu 1 200 Beamte an allen Außengrenzen der Europäischen Union. Darüber hinaus haben wir 15.000 Soldaten. Unsere Grenze ist also ziemlich dicht. Und wir verteidigen Europa gegen eine weitere Migrantenkrise. Ich glaube, dass die Europäische Union in der Lage sein muss, ihre Grenzen zu schützen", so Morawiecki.

Dpa erinnerte daran, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem belarussischen Staatschef Aljaksandr Lukaschenko über die Lösung der Krise an der Grenze zu Belarus gesprochen hat. Nach Ansicht von Premierminister Morawiecki sollte sich die Europäische Union „für eine diplomatische Lösung einsetzen. Aber als Bundeskanzlerin Merkel Lukaschenko anrief, trug sie zur Legitimierung seines Regimes bei, während der Kampf für ein freies Weißrussland bereits 15 Monate andauert."

Polens Regierungschef wies darauf hin, dass „Lukaschenko auch das Gespräch mit Angela Merkel missbraucht hat. Er gab vor, Merkel habe zugestimmt, 2.000 Migranten durch einen Korridor nach Deutschland und in andere europäische Länder zu bringen. Und das ist nicht wahr."

„Mögliche Energiekrise in der Ukraine"

Die dpa wies darauf hin, dass die Lage an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine immer angespannter wird. „Wir haben es mit einer zusätzlichen Bewegung russischer Truppen um die Ukraine herum zu tun". Morawiecki räumte ein: „Aber es gibt noch einen anderen Aspekt, über den nicht so viel gesprochen wird: Es besteht die Möglichkeit einer Energiekrise in der Ukraine. Es ist von russischen Lieferungen von Öl, Gas und sogar Kohle abhängig. Einigen Analysen zufolge könnte die russische Energieerpressung zu einem Stromausfall in der Ukraine führen".

Morawiecki bestätigte, dass er glaubt, dass Russland Energie als Waffe gegen die Ukraine einsetzt, und äußerte die Hoffnung, dass Deutschland deshalb seine Haltung gegenüber der Gasleitung Nord Stream 2 ändern wird, die „zu einem Instrument der Erpressung der Ukraine und Moldawiens wird. Sie ist auch ein Instrument zur Manipulation der Energiepreise. Ich erwarte von der neuen deutschen Regierung, dass sie alles tut, um zu verhindern, dass Nord Stream 2 zu einem Werkzeug im Arsenal von Präsident Putin wird."

Jan-Karski-Institut soll Polens Kriegsverluste einschätzen

Ein wichtiges Thema in den polnisch-deutschen Beziehungen der letzten Jahre waren die Reparationszahlungen für die Schäden, die Deutschland Polen während des Zweiten Weltkriegs zugefügt hat. Auf die Frage der dpa, ob das Thema nicht mehr aktuell ist, sagte Morawiecki, das Thema müsse weiterhin diskutiert werden, „denn Polen wurde sehr schlecht behandelt, weil es keine Reparationen erhalten hat".

Der Ministerpräsident informierte, dass Polen für diesen Zweck das Jan-Karski-Institut für Kriegsverluste gründen wird. „Ich habe diesen Beschluss am Montag unterzeichnet. Dieses Institut wird unsere Bemühungen zur Analyse aller Verluste, aber auch zur Analyse des Ansatzes, den wir bei der Wiedergutmachung verfolgen wollen, institutionalisieren", so Morawiecki.

Der parlamentarische Ausschuss für Kriegsreparationen „wurde gebeten, den Bericht durch zusätzliche Informationen zu ergänzen. "Der Ausschuss wird sie bis Februar abschließen und zu einem späteren Zeitpunkt der Öffentlichkeit vorstellen", teilte der Premierminister in dem dpa-Interview mit.

„Die Entscheidung darüber, was, wann und wie mit diesem Bericht geschehen soll, wurde noch nicht getroffen. Aber wir bereiten alles vor, was nötig ist, um diesen Bericht der Welt zu präsentieren", sagte der polnische Regierungschef.


PAP/ps