Do Rzeczy: Wird der Außenminister uns in den Krieg verwickeln?
Wojciech Golonka übt im Aufmacher der konservativen Wochenzeitung “Do Rzeczy” scharfe Kritik an der Haltung von Polens Außenminister Radosław Sikorski gegenüber dem Krieg in der Ukraine. Die Russen, so der Autor, hätten gewarnt, dass sie die Unterstützung der ukrainischen Angriffe auf ihr Territorium als Teilnahme am Krieg betrachten würden. Die USA hätten die Warnung verstanden und würden zögern, der Ukraine solche Angriffe mit amerikanischen Systemen zu gestatten. Generell gebe es unter den westlichen Unterstützern der Ukraine keine Einigkeit darüber, ob sie Kiew erlauben sollten, mit von ihnen gelieferten Präzisionswaffen Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Derweil würde sich Außenminister Sikorski lautstark für militärische Aktionen der Ukraine tief im Inneren Russlands einsetzen und damit das Risiko eingehen, dass Polen in den Krieg hineingezogen werden könnte.
Experten, fährt der Autor fort, würden nun natürlich über mögliche Szenarien spekulieren, darunter auch darüber, dass Russland bluffen könnte. Trotzdem hätten die USA die Warnungen aus Moskau ernst genommen. Grünes Licht gebe es derzeit nur für den Einsatz britisch-französischer Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow, frei nach einer alten Regel aus dem Kalten Krieg, laut der Nuklearmächte keine direkten Konflikte führen, sondern Drittländer als Stellvertreter nutzen.
Vor den möglichen Konsequenzen einer Überschreitung dieser roten Linie würden den Westen führende Politiker warnen, die man nicht als Sprecher des Kremls bezeichnen könne, wie etwa der serbische Präsident Aleksandar Vuić, der vor einigen Monaten von dem Risiko eines dritten Weltkriegs warnte oder der Präsident von Kasachstan, Kasym-Zhomart Tokajew, der vor möglichen "irreversiblen Folgen für die gesamte Menschheit" gesprochen habe.
Der polnische Außenminister, so Golonka, zeige indes weitaus weniger Vorsicht. "Ich wäre sehr überrascht, wenn [Putin] so verrückt wäre, einen Krieg mit der NATO zu beginnen. Ebenso bleiben seine Drohungen mit Atomwaffen leer", zitiert Golonka Sikorski. Während der britische Verteidigungsminister Dan Jarvis im Juli betont habe, dass man äußerst vorsichtig sein müsse, um nicht von einer möglichen russischen Reaktion überrascht zu werden, wäre Sikorski überrascht, wenn das Risiko real wäre, da es seiner Meinung nach nicht real sei.
Woher der Eifer des polnischen Außenministers, obwohl Polen nicht der entscheidende Akteur in dieser Angelegenheit ist, dafür aber zweifellos die negativen Konsequenzen tragen könnte. Geht es nach Golonka, agiere Radosław Sikorski nun nicht einmal mehr als Sprecher der ukrainischen Sache, sondern einfach als großer Befürworter der Eskalation. Es sei der Ausdruck einer Doktrin derjenigen jenseits des Atlantiks, denen jeder Krieg heilig sei, wenn er der Aufrechterhaltung der amerikanischen Hegemonie diene. Vor allem aber würden die nervösen Versuche, einen Durchbruch der Front im Donbass zu verhindern, von der Verzweiflung der “Kriegspartei” zeugen, die Kiew ursprünglich dazu gebracht habe, den Waffenstillstand abzulehnen, zu dem es angesichts seiner Lage bereit gewesen sei. Verzweiflung hat jedoch nicht unbedingt etwas mit Vernunft oder verantwortungsvoller Freundschaft mit der Ukraine zu tun, so Wojciech Golonka in “Do Rzeczy”.
Rzeczpospolita: Der Präsident schwingt den Vorschlaghammer
Łukasz Warzecha kritisiert in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita indes die jüngsten Äußerungen von Präsident Andrzej Duda bezüglich der polnisch-ukrainischen Beziehungen. Warzecha bemängelt insbesondere, dass Duda in einem Interview mit Polsat News den Vorsitzenden der Polnischen Volkspartei (PSL), Władysław Kosiniak-Kamysz, beschuldigte, sich in die Politik Putins einzureihen. Anlass zu der Aussage sei, wie Warzecha erinnert, die Forderung des Verteidigungsministers, den EU-Beitritt der Ukraine an die Lösung der Wołyń-Frage zu binden.
Die Tatsache, dass der Staatspräsident auf das sogenannte "Argumentum ad Putinum" zurückgreift, um legitime Diskussionen über die polnische Außenpolitik zu unterbinden sei deprimierend. Das sei so, als ob man bei einem Fechtduell den Vorschlaghammer schwingen würde.
Aus dem Kommentar des Staatspräsidenten würde hervorgehen, dass der EU-Beitritt der Ukraine als Dogma der polnischen Außenpolitik behandelt werden sollte. Das sei ein völliges Missverständnis. Abgesehen davon, dass der Beitritt Kiews zur EU eher in weiter Ferne liege, seien die Folgen für Polen keineswegs offensichtlich. Es sei das präsidiale Lager, das versucht habe und weiterhin versuche, diesen Kurs durchzusetzen, ohne ernsthaft über die daraus resultierende Bilanz von Verlusten und Gewinnen zu diskutieren. Jeder, der es wage, anderer Meinung zu sein, werde prompt als "Putin-Unterstützer" abgestempelt.
Man könne natürlich darüber diskutieren, ob historische Fragen unsere Position zur Präsenz der Ukraine in der EU bestimmen sollten - und es sei eine Tatsache, dass die Gegner eines solchen Ansatzes auch starke Argumente haben. Aber es gebe eben auch viele andere Aspekte, in denen ein Interessenkonflikt zwischen unseren Ländern bestehe, den ein EU-Beitritt der Ukraine nicht abmildern, sondern eher verstärken würde. Glücklicherweise könne man in Polen, wie eine neuerliche Debatte während des Wirtschaftsforums in Krynica zeige, über diese Themen offen diskutieren, ohne als Putins Verbündeter angeprangert zu werden. Vielleicht wäre es jedoch anders, wenn Präsident Duda unter den Zuschauern gewesen wäre, so Łukasz Warzecha in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Fällt Moldawien erneut in Putins Hände?
Rusłan Szoszyn berichtet, ebenfalls in der Rzeczpospolita, über die bevorstehenden politischen Entwicklungen in Moldawien und die wachsende Gefahr einer erneuten Annäherung an Russland. Wie der Autor erinnert, würde in wenigen Wochen, am 20. Oktober, in Moldawien ein Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union stattfinden. Am selben Tag würden auch Präsidentschaftswahlen anstehen, bei denen die amtierende pro-westliche Präsidentin Maia Sandu als Favoritin gelte.
Trotz Sandus Bemühungen, das Land näher an den Westen zu führen, so Szoszyn, sei die moldauische Gesellschaft in dieser Frage tief gespalten. Aktuellen Umfragen des Instituts iData zufolge würden 45,9 Prozent der Bevölkerung die Annäherung an die EU unterstützen, während 39 Prozent dagegen seien. Viele Bürger würden wirtschaftliche Konsequenzen wie steigende Lebensmittel- und Gaspreise, den Aufkauf von Land durch westliche Unternehmen oder den Verlust des Zugangs zum russischen Markt fürchten. Einige würden zudem befürchten, dass pro-westliche Ambitionen zu einem Konflikt mit Russland führen könnten, ähnlich wie im Fall der Ukraine.
Der umstrittene moldauische Geschäftsmann Ilan Șor, der in seiner Heimat wegen Veruntreuung von einer Milliarde Dollar zu 15 Jahren Haft verurteilt worden sei und nun in Moskau lebe, so Szoszyn, versuche indes aktiv, die europäische Integration Moldawiens zu blockieren. Er habe den Moldauern etwa kostenlosen Gasbezug ab dem 1. Dezember versprochen, sollten sie im Referendum gegen den EU-Beitritt stimmen. Seine Bewegung "Pobeda-Victorie" habe kürzlich eine Demonstration in Chișinău organisiert, bei der Hunderte von Teilnehmern mit Parolen wie "Wir wollen keine Europäische Union, keine NATO, keinen Krieg" protestierten.
Alexei Tulbure, moldauischer Politologe und ehemaliger UN-Botschafter, erklärt gegenüber der Rzeczpospolita, dass viele Teilnehmer solcher Proteste für ihre Anwesenheit bezahlt werden. "Die Bewegung von Șor hat kein politisches Programm. Ihre Strategie ist sehr einfach – sie kaufen alle auf", so Tulbure. Er verweist auch auf die autonome Region Gagausien, wo seit den letztjährigen Regionalwahlen die mit Șor verbundene Jewgenija Guțul regiert, die kürzlich in russischen Medien erklärt habe, dass in Moldawien niemand ein EU-Beitrittsreferendum brauche.
Ob die pro-russischen Kräfte in Moldawien ein Comeback erleben, so der Autor, hänge nicht nur vom Ausgang des Referendums ab. Im nächsten Jahr würden Parlamentswahlen anstehen, und obwohl die regierende pro-westliche Partei PAS in Umfragen mit 37,6 Prozent führe, werde dies nicht für eine Alleinregierung ausreichen. Andere Parteien, die Chancen haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden – darunter die noch nicht registrierte Bewegung "Victorie" von Șor – vertreten klar pro-russische Positionen und könnten eine Koalition bilden, so Rusłan Szoszyn in der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau