Deutsche Redaktion

Expertenkommentar: "Der Wahnsinn und die Methode von Donald Trump"

14.05.2025 10:19
Schockartig verhängte Strafzölle, Druck auf NATO-Partner, riskante Annäherungsversuche an Moskau. Wie viel Kalkül steckt im turbulenten Auftakt der zweiten Regierung Trump? Wo fordert Trumps „America-First-Reboot“ Europa besonders und wo könnten sich neue Spielräume öffnen? Der Experte des Zentrums für Oststudien, Tadeusz Iwański seziert in einem Exklusivkommentar für den Auslandsdienst des Polnischen Rundfunks die erste Monate der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump.
US-Prsident Donald Trump hlt die Grundsatzrede auf dem Saudi-US Investment Forum in Riad, Saudi-Arabien, am 13. Mai 2025. Das Forum findet im Rahmen des Staatsbesuchs von US-Prsident Trump in Saudi-Arabien am 13. Mai statt. EPAALI HAIDER Dostawca: PAPEPA.
US-Präsident Donald Trump hält die Grundsatzrede auf dem Saudi-US Investment Forum in Riad, Saudi-Arabien, am 13. Mai 2025. Das Forum findet im Rahmen des Staatsbesuchs von US-Präsident Trump in Saudi-Arabien am 13. Mai statt. EPA/ALI HAIDER Dostawca: PAP/EPA.EPA/ALI HAIDER

Fast vier Monate sind seit der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten vergangen, und doch fühlt es sich an wie eine ganze Epoche. Die Welt ist in eine neue Phase der Turbulenzen eingetreten, nachdem sie in den letzten fünf Jahren bereits tiefgreifend von der Covid-19-Pandemie 2020 und zwei Jahre später von der russischen Vollinvasion in der Ukraine verändert wurde.

Der 47. Präsident der Vereinigten Staaten hat das in der Wahlkampagne angekündigte – von den Partnern jedoch nicht vollständig verinnerlichte – Werk einer grundsätzlichen Neuordnung der Außenbeziehungen begonnen. Auch wenn diese Maßnahmen auf den ersten Blick chaotisch, teilweise widersprüchlich und inkonsequent erscheinen und mit enormen Imageschäden einhergehen, verbindet sie doch ein leitender Gedanke: Amerika lässt sich nicht länger ausnutzen, weil es wirtschaftlich darunter leidet.

Nach 80 Jahren beispiellosen globalen Engagements, das Amerika dank des Welthandels, der weichen Macht der US-Kultur und vor allem durch den Export von Vertrauen und Sicherheit großgemacht hat, verlangt die MAGA-Gefolgschaft nach einer Korrektur. Ihre Stimmung speist sich aus dem Gefühl, dass vieles in den USA – wachsende soziale Ungleichheit, verlorengehende Arbeitsplätze – nicht funktioniert, weil die Regierung sich nach außen statt nach innen engagiert. Zugleich hat russische Propaganda in sozialen Netzwerken beispiellos großen Spielraum, denn dem Kreml liegt viel an einer Vertiefung des amerikanischen Isolationismus.

Vom Handelskrieg zur Bilanzkorrektur – Trumps Zolloffensive

Die erste, sich geradezu aufdrängende Leitidee der Trump-Administration ist die Verbesserung der US-Handelsbilanz. Da das Problem der hohe Defizit – allein im März d.J. über 140 Mrd. Dollar – sei, lautet das Rezept, Exportzölle zu erheben. Die Diagnose ist richtig, doch die gewählten Mittel sind höchst umstritten. Eine Zollpolitik, die unilateral und abrupt die Sätze erhöht, senkt nicht im gleichen Tempo die Nachfrage nach Rohstoffen, deren Import billiger ist oder die in den USA gar nicht verfügbar sind, und sie schwächt auch nicht den Dollar, dessen hoher Kurs Importe rentabel und Exporte angesichts harter Preis­konkurrenz weltweit erschwert. Am 12. Mai kündigten Washington und Peking eine vorübergehende Senkung der seit 2. April erhobenen Zölle auf 10 % (von 125 %) an, weil der faktische Stillstand des Handels für beide Seiten unvorteilhaft ist. Damit erleidet die USA in der Auseinandersetzung mit China zwar einen Imageverlust, doch das Endergebnis ihrer globalen Zollpolitik ist keineswegs entschieden. Kommt es in den nun anstehenden Verhandlungen – 90 Tage sind auch mit Europa angesetzt – zu einer in Hinterzimmern und nicht auf Trumps sozialem Netzwerk Social Truth vereinbarten Korrektur, kann Amerika finanziell profitieren.

Europa unter Druck: Das Sicherheitsvakuum der NATO-Partner

Ein weiteres, Polen und die Ukraine näher betreffendes Thema – wegen ihres relativ geringen Exports in die USA und ihres hohen Sicherheitsbedarfs seit der russischen Invasion – ist die Rolle der Vereinigten Staaten als Verteidiger von Recht und internationaler Ordnung. Schon in seiner ersten Amtszeit mahnte Trump die europäischen NATO-Partner, das Ungleichgewicht der Verteidigungsausgaben sei zu groß. In der zweiten Amtszeit verstärkte er die Mahnungen durch Andeutungen selektiver Bündnisverpflichtungen.

Diese Botschaften treffen nun auf eine Zeit realer militärischer Bedrohung durch Russland, was ihre Wirkung und die Konsequenzen eines möglichen US-Engagementrückgangs in der NATO verstärkt. Die Form der Kommunikation lässt zu wünschen übrig, doch die Diagnose ist grundsätzlich korrekt und das Ziel – höhere Verteidigungsausgaben in Europa – löblich. Der Kontinent profitierte bisher gratis vom US-Sicherheits­schirm; würden alle europäischen NATO-Mitglieder auch nur die Hälfte dessen ausgeben, was Polen investiert (fast 5 % des BIP), wäre Europa sicherer, Russland wirksamer abgeschreckt, und heimische Volkswirtschaften erhielten neue Arbeitsplätze.

Friedensmission oder Falle? Trump, Putin und die Ukraine

Schließlich ein drittes Beispiel, das in dieser Woche besonders aktuell ist. Trumps deutliche Aufforderung, dass die ukrainische Delegation am 15. Mai zu Gesprächen mit Russland nach Istanbul fahren solle, zeigt ein weiteres konstantes Element der US-Politik: das Blutvergießen zu stoppen, also einen Waffenstillstand als Voraussetzung für Verhandlungen über eine langfristige Konfliktlösung (auch auf Kosten der Ukraine) zu erreichen. Trump strebt einen Reset mit Russland an und tappte dabei in Putins Falle, der Gespräche mit der Ukraine in der Türkei vorschlug.

Vor seinem inneren Auge schwebt ein Erfolg: die ersten Gespräche zwischen Kiew und Moskau seit über drei Jahren. Das türkische Rendezvous dürfte kaum einen Durchbruch bringen, da die Interessen zu divergent sind und die Lage an der Front keine Zugeständnisse erzwingt. Gleichwohl birgt das Treffen das Potenzial, Putin weiter zu schaden: Seine wahrscheinliche Abwesenheit in Istanbul wird in Trumps Augen das Bild Russlands als einer Seite festigen, die nicht bereit ist, die Kriegshandlungen einzustellen.


Tadeusz Iwański Tadeusz Iwański


Tadeusz Iwański ist Leiter des Teams Belarus-Ukraine-Moldau am Warschauer Zentrum für Oststudien (OSW). Der studierte Ukrainist und Osteuropa-Spezialist analysiert seit 2011 für das OSW die Innen- und Außenpolitik der Länder der Region. Zuvor arbeitete er in der Ukrainischen Redaktion des Auslandsdienstes des Polnischen Rundfunks (PRdZ) und war Gastwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Ukraine, Belarus und die sicherheitspolitische Rolle Russlands in Osteuropa.

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Die Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen über die Pipeline würde Russland große finanzielle Vorteile bringen, vorausgesetzt, die EU-Länder würden die Rohstoff wieder kaufen. Nach Ansicht von Experten sei dies jedoch unwahrscheinlich.

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