RZECZPOSPOLITA: Trump irrt sich seit langem in Bezug auf die Ukraine
Trump hat in seinem neuesten Brief an die NATO-Partner „wieder einmal die Verantwortung für die Beendigung des Krieges in der Ukraine auf die Verbündeten abgewälzt" und dabei seine alten Fehler wiederholt, schreibt in seinem Kommentar für die konservativ-liberale Rzeczpospolita Jerzy Haszczyński.
Wie der Autor betont, habe Trump einmal mehr betont, es sei nicht sein Krieg, sondern der von Biden und Selenskyj. Der amerikanische Präsident, erinnert Haszczyński, suggeriere, dass nur noch die NATO-Verbündeten entscheiden könnten, ob dieser Krieg beendet werden könne. Trump sei bereit, große Sanktionen gegen Russland und hohe Zölle von 50 oder 100 Prozent auf China zu verhängen – aber nur unter der Bedingung, dass sich andere NATO-Länder anschließen und sich vollständig von russischen Energieträgern trennen.
„Donald Trump irrt sich seit langem darüber, wer zum Krieg in der Ukraine geführt hat, und über seine eigenen Möglichkeiten, ihn zu beenden", schreibt der Autor. Er erinnert daran, dass Trump vor den Wahlen mindestens 55 Mal versprochen habe, den Krieg „innerhalb von 24 Stunden" zu beenden. Diese Versprechen hätten sich als hohl erwiesen. Trotzdem bleibe Trump für Putins falsche Narrative weiterhin empfänglich und übe nur äußerst selten Kritik an Russland.
In einem Punkt habe Trump allerdings recht: Einige NATO-Staaten würden tatsächlich noch russisches Öl und Gas. „Das ist schockierend und schwächt die Verhandlungsposition des Westens gegenüber dem Kreml erheblich", zitiert der Publizist Trumps Vorwurf. Dies betreffe vor allem die Türkei, Ungarn und die Slowakei, deren Regierungschefs entweder von Trump gelobt würden (besonders Erdoğan) oder ihm ideologisch nahestünden. Nach Angaben des Helsinkier Think-Tanks CREA würden auch Frankreich, die Niederlande und Belgien weiterhin russisches Flüssiggas (LNG) importieren. Frankreich habe allein im August dieses Jahres 157 Millionen Euro an Russland gezahlt.
„Aus Trumps neuem Plan wird nichts werden", prognostiziert Haszczyński. Die Bereitschaft zu einem großen wirtschaftlichen Schlag gegen Russland und China sei bei allen NATO-Staaten nicht zu erwarten. Im Falle von China vielleicht nicht einmal von den meisten. „Und was dann? Wir müssen auf Trumps nächsten Brief warten. Und unsere Verteidigungsfähigkeiten zusammen mit anderen willigen und von Russland bedrohten Staaten stärken", so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Trumps Schachzug mit China
Zbigniew Parafianowicz vom Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna sieht in Trumps Brief indes ein gefährliches Ultimatum, das Handel und Sicherheit vermische. Wie der Autor beobachtet, falle der Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Warschau zeitlich mit Trumps Forderung zusammen, dass Europa 50- bis 100-prozentige Zölle auf China verhängen solle, wenn die USA weitere Sanktionen gegen Russland ergreifen sollen.
„Trump stellt Europa ein Ultimatum: Wenn es nicht auf russisches Öl verzichtet und China mit Zöllen von 50 bis 100 Prozent belegt, werden die USA keine Entscheidung über Sanktionen gegen Russland treffen", so Parafianowicz. Gleichzeitig habe Trump Verhandlungen mit den Chinesen aufgenommen, um eine Lösung im Zollkrieg zu finden. Doch, so der Autor, Xi Jinping fühle sich zu stark, um weitreichende Kompromisse einzugehen.
Allerdings räumt Parafianowicz ein, dass Trumps Ansatz eine gewisse Logik habe: „Wenn wir ehrlich hinschauen – es ist ein ziemlich logischer Versuch, die Finanzierungsquellen für den Krieg in der Ukraine zu begrenzen." Besonders scharf kritisiert der Autor Europas eigene Versäumnisse: „Wir können in Polen und Europa noch lange über Trump meckern. Aber vielleicht sollten wir zugeben, dass wir selbst nicht alles tun, um zu einem Ergebnis zu kommen, bei dem sich Russland als erstes aus dem Krieg zurückzieht." Wir würden nicht einmal genug tun, um den Himmel über Polen und Rumänien abzusichern. Solle etwa Trump die polnischen Einheiten trainieren, die in Pick-ups herumfahren und auf russifizierte Shahed-Drohnen schießen. Wieso würden wir über solche Schulungen erst sprechen, wenn Russland 300 Drohnen pro Woche produziere und keine Angst mehr habe, unbewaffnete Maschinen in den NATO-Luftraum zu schicken? Sei das etwa Trumps Schuld?
Habe Trump etwa entschieden, fährt Parafianowicz fort, dass Deutschland nach der Krim-Annexion 2014 weiter Gas von Russland gekauft habe und deutsche Energiekonzerne sogar Anlagen für Kraftwerke auf die besetzte Halbinsel geliefert haben? Habe der Anführer der MAGA-Bewegung Europa aufgefordert, bei der Verteidigung zu sparen? Müssen die Häfen in Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen russisches Flüssiggas annehmen, von dessen Verkauf die privaten Militärunternehmen von Putin finanziert werden? Müssen schließlich Belgien und Luxemburg an den Zinsen von der Bedienung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte verdienen? Seien wir ernst, appelliert der Autor. Es gebe zu viele Fakten, die gegen den alten Kontinent sprechen, um ein schwarz-weißes Bild der Lage malen zu können.
Europa diskutiere über eine Koalition der Willigen zur Entsendung von Truppen in die Ukraine – allerdings erst nach Kriegsende, den Trump beenden solle. „Solange die Diskussion in diese Richtung geht, sollten wir besser von einer Koalition der guten Absichten sprechen, mit denen der Weg zur Hölle gepflastert ist, als von einer Koalition der Willigen", schreibt Parafianowicz. Der Bukarest-Gipfel 2008 sei durch seine nebligen Formulierungen zur NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens ein Anreiz für Russland gewesen, Georgien anzugreifen. Ebenso seien die beiden Minsk-Abkommen illusorisch gewesen und seien, statt einer Friedensgarantie für die Ukraine ein Vorzimmer zum Krieg gewesen. Mit den heute diskutierten “Sicherheitsgarantien” verhalte es sich ähnlich. Sie seien ein Propaganda-Begriff, den Selenskyj brauche, um sein Volk zu überzeugen, dass die Ukraine nicht verliere.
Wie sollte sich Polen vor diesem Hintergrund gegenüber Chinas Außenminister Wang Yi bei dessen heutigem Besuch in Warschau verhalten? Sollte Polen dem chinesischen Gast mitteilen, dass es Trump loyal folgen werde? „Nicht unbedingt", meint Parafianowicz. Der amerikanische Präsident habe nach dem Drohnenangriff auf Polen nicht angemessen reagiert – und das, obwohl Polen fast 5 Prozent seines BIP für Verteidigung ausgebe und Washington seit dem Krieg gegen den Terror keinen Grund zur Klage gegeben habe.
„Solange die USA ihre Position gegenüber unserem Staat nicht eindeutig klarstellen, stellt China ein wichtiges Argument in der Führung der Politik gegenüber Washington dar", argumentiert der Autor. Das zufällige Zusammentreffen von Trumps Brief mit Wang Yis Besuch sei für Polen daher letztlich vorteilhaft. Ursprünglich sollten die Gespräche sich um Hühnerfleischexporte und Belarus drehen. „Es gibt jedoch keine Hindernisse, ihren Umfang etwas zu erweitern", schließt Parafianowicz
GAZETA WYBORCZA: Die Sirenen der Vorkriegszeit
Vor anderthalb Jahren habe er den Begriff “Vorkriegszeit” noch für übertrieben gehalten, nun stelle er sich vielmehr die Frage, wie lange diese noch anhalten werde, schreibt Bartosz T. Wieliński im Aufmacher der linksliberalen Gazeta Wyborcza. Wie er erinnert, haben am Samstag in Chełm, Świdnik und anderen Orten in der Region Lublin die Sirenen geheult, der Luftalarm sei ausgelöst worden. „Das letzte Mal heulten in Polen Sirenen, die vor einem Luftangriff warnten, im September 1939, als der Zweite Weltkrieg begann", erinnert der Autor.
Wieliński kontrastiert die beispiellose Solidarität der europäischen Verbündeten, die im Rahmen der Operation „Östliche Wache" Soldaten, Flugzeuge und Luftabwehrsysteme nach Polen schicken, mit der ausbleibenden amerikanischen Reaktion. Vor zwei Jahren sei in Polen die Meinung weit verbreitet gewesen, dass Deutschland und Frankreich Polen und die baltischen Staaten im Falle eines russischen Angriffs nicht unterstützen würden und dass unsere Sicherheit auf Amerika basieren müsse. Das Gegenteil sei der Fall. „Amerika bereitet uns Sorgen, denn eine militärische Reaktion gibt es nicht", konstatiert er. Die diplomatische Reaktion sei erst am Freitagabend gekommen, als die USA-Botschafterin Dorothy Shea im UN-Sicherheitsrat den Drohnenangriff auf Polen verurteilte.
Patrzyliśmy na siebie przez dłuższą chwilę - opowiada "Wyborczej" o posiedzeniu Rady Bezpieczeństwa ONZ wiceminister Marcin Bosacki #Wyborcza
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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) September 15, 2025 at 9:26 AM
Bemerkenswert sei, dass in Trumps Kommuniqué überhaupt nicht von Putin die Rede gewesen sei, “der den Befehl zur Invasion der Ukraine gab und für die dort begangenen Verbrechen verantwortlich ist." Trump, fährt Wieliński fort, mache seine Unterstützung für weitere Sanktionen von unmöglichen Bedingungen abhängig – dem Eintritt Europas in einen Zollkrieg mit China. „Das ist ein unmöglich zu erfüllender Zustand, Trumps Ultimatum ist daher als Ankündigung zu lesen, dass es keine neuen US-Sanktionen geben wird." Die Europäer hätten bisher versucht, Trump hinter verschlossenen Türen zu einer härteren Politik gegenüber Russland zu überzeugen, sein Ego zu streicheln und ihn nicht zu verärgern – und seien dabei an die Grenze des guten Geschmacks gestoßen. Nach Trumps amerikanischem Ultimatum müsse dieser Ansatz vielleicht geändert werden, so Wieliński.
Der Autor gesteht, dass er vor anderthalb Jahren das Wort „Vorkriegszeit" aus dem Mund von Premierminister Donald Tusk für übertrieben gehalten habe. „In diesem Wort verbirgt sich die Unausweichlichkeit einer militärischen Krise, und damals – zumindest soweit öffentlich bekannt – deutete nichts auf diese Unausweichlichkeit hin." Nach den jüngsten Vorfällen habe sich seine Einschätzung jedoch geändert: „Nach diesem Vorfall muss man fragen, wie lange die Vorkriegszeit noch dauern wird. Und wie wir die uns noch verbleibende Zeit am besten nutzen können."
Autor: Adam de Nisau