Deutsche Redaktion

Kommentar: Georgien nach den Kommunalwahlen

17.10.2025 13:18
Die Kommunalwahlen am 4. Oktober haben in Georgien das Kräfteverhältnis eindeutig bestätigt: Die seit 13 Jahren regierende Partei Georgischer Traum (GT) erzielte einen überwältigenden Sieg. Landesweit erreichte sie fast 82 Prozent der Stimmen, in der Hauptstadt Tiflis immerhin 70 Prozent. Selbst wenn die Opposition über Unregelmäßigkeiten klagt, lässt sich schwer bestreiten, dass GT inzwischen zum unangefochtenen Hegemon geworden ist, schreibt Wojciech Górecki, Analyst am Zentrum für Osteuropastudien (OSW).
Wybory w Gruzji. Na ulicach wybuchły zamieszki
Wybory w Gruzji. Na ulicach wybuchły zamieszkiZurab Tsertsvadze/Associated Press/East News

Seit der Machtübernahme gewinnt der Georgische Traum jede Wahl: viermal die Parlamentswahlen, viermal die Kommunalwahlen und dreimal stellte die Partei den Präsidenten. Zwar wandten sich zwei von ihnen – Giorgi Margwelaschwili und Salome Surabischwili – später der Opposition zu, doch änderte dies nichts am politischen Übergewicht der Regierungspartei.

Noch 2018 war die Situation offener: In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl lag der Kandidat der größten Oppositionspartei, der Vereinten Nationalen Bewegung (VNB) von Micheil Saakaschwili, nur knapp hinter der GT-Kandidatin. Es schien, als könnte sich ein stabiles Zwei-Parteien-System entwickeln – ähnlich wie in den USA. Doch von Wahl zu Wahl schwächte sich die Opposition, allen voran die VNB, zunehmend selbst, während GT seine Dominanz ausbaute.

Fehler der Opposition

Einen wesentlichen Anteil daran hat die Schwäche der Gegenseite. Die Opposition überließ der Regierungspartei ganze Themenfelder: Sie präsentierte kein konsistentes Programm für Landwirtschaft oder ländliche Regionen, sondern konzentrierte sich fast ausschließlich auf urbane Wählerschichten. Konservative, religiöse oder ältere Teile der Gesellschaft blieben weitgehend unberücksichtigt.

Dabei machen gerade diese Gruppen einen erheblichen Teil der Bevölkerung aus. Rund 80 Prozent der Georgier befürworten einen EU-Beitritt, doch etwa die Hälfte bezeichnet sich gleichzeitig als stark religiös. Hinzu kommen viele Senioren, die mit Nostalgie an die Sowjetunion zurückdenken, sich zwar der Bedrohung durch Moskau bewusst sind, aber Sympathie für die russische Kultur empfinden. GT verstand es, all diese Milieus anzusprechen – begünstigt durch die Biografie seines Gründers Iwanischwili, der aus einem einfachen Dorf stammt, und nicht zuletzt durch dessen finanzielle Mittel. 

Wahlen 2024: verpasste Chance 

Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2024 trat die prowestliche Opposition zersplittert an. Manche Umfragen sahen sie – zusammengerechnet – sogar vor der Regierungspartei, doch die Hoffnung erwies sich als trügerisch. GT punktete erneut mit dem Versprechen von Stabilität und Frieden, während die Gegner nicht über ihre eigene „Blase“ hinausfanden.

Zwar kam es nach der Wahl zu Protesten, doch diese blieben unkoordiniert und apolitisch. Die Opposition war nicht in der Lage, die Unzufriedenheit für sich zu nutzen. Stattdessen zog sie sich weitgehend aus dem Parlament zurück und verzichtete bei den Kommunalwahlen größtenteils auf eine Teilnahme.

Blick nach vorn

Die nächsten Parlamentswahlen finden 2028 statt. Bis dahin hat der Georgische Traum drei Jahre Zeit, das politische System endgültig zu festigen. Schon heute sind nahezu alle öffentlichen Ämter mit seinen Vertretern besetzt. Aus Äußerungen führender Politiker geht hervor, dass nun sogar die Delegalisierung zentraler Oppositionsparteien erwogen wird.

Ein solcher Schritt würde die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Tiflis und dem Westen weiter belasten – und möglicherweise auf lange Zeit einfrieren. Für beide Seiten wäre das ein unerwünschtes Szenario.

Autor: Wojciech Górecki, Analyst am Zentrum für Osteuropastudien (OSW).

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