Als nach 123 Jahren der Fremdherrschaft, am 11. November 1918, Polen seine Souveränität zurückerlangte, ging durch alle Gassen und Straßen der polnischen Städte eine Stimmung der Euphorie. An diesem Tag unterschrieb das Kaiserdeutschland einen Waffenstillstand, der den Ersten Weltkrieg beenden sollte, und der Regentschaftsrat übertrug Marschall Józef Piłsudski den Oberbefehl über die polnischen Truppen und kurz danach die Führung des polnischen Staates.
Die Wiedererlangung der Souveränität im Jahr 1918 war der Widerstandskraft und der selbstlosen Aufopferung der aktiven Schichten der polnischen Gesellschaft zu verdanken, die in all den Jahren unter fremdem Joch, die Bindung an die Muttersprache und die nationale Kultur an die nachfolgenden, jüngeren Generationen zu tradieren vermochten.
Der Erste Weltkrieg, brachte auch für Polen einen historisch günstigen Augenblick der Weltgeschichte, in dem die einstigen Besatzungsmächte Polens im bewaffneten Kampf einander gegenüberstanden. Kaum zu überschätzen war die Unterstützung der internationalen Größen der polnischen Kultur, wie etwa des weltberühmten Pianisten Ignacy Paderewski, die nicht müde wurden, zu versuchen die westlichen Politiker für die Idee des Unabhängigen Polens zu gewinnen. Diese Bemühungen trugen reichlich Früchte, denn bald hatte auch der amerikanische Präsident Woodrow Wilson Polens Unabhängigkeit gefordert, dessen Wiederaufbau er für einen Grundpfeiler eines dauerhaften Friedens in Europe hielt.
November 1917 markiert den Beginn des Wiederaufbaus des unabhängigen Polens, den weiteren Kampf um seine Grenzen und die internationale Anerkennung. Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete für Polen nicht gleich den Frieden. Die anhaltenden Grenzkonflikte mit den Nachbarländern und der Krieg von 1919-1920 gegen Sowjetrussland, verlangten nach weiteren Opfern für die soeben wiedergewonnene Heimat.
1918 beginnt die polnische Gesellschaft den Bau eines von Grund auf neuen, modernen Staates, und dieses Projekt schien erfolgreich zu werden, ungeachtet aller äußeren Widrigkeiten und trotz tiefer Gräben, die 120 Jahre der Teilung und Fremdherrschaft hinterlassen haben. Dieser kühne Traum von der Unabhängigkeit Polens wird durch den Zweiten Weltkrieg, der 1939 beginnt, für die nächsten fünfzig Jahre buchstäblich zerstört.
pr/jc