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Meilenstein des polnischen Journalismus: Cat-Mackiewicz und die Zeitung „Słowo“

17.06.2025 09:32
Im Sommer 1922 erschien die erste Ausgabe der Tageszeitung „Słowo“. Die Redaktion befand sich im ostpolnischen Vilnius und widmete sich zunächst regionalen Themen. Bald jedoch genoss die Zeitung ein großes Renommee unter kritischen Intellektuellen in ganz Polen. Dies war vornehmlich dem scharfzüngigen Stil, grimmigen Humor und pluralistischen Ansatz ihres Chefredakteurs Stanisław Cat-Mackiewicz zu verdanken.
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Stanisław Cat-Mackiewicz
Stanisław Cat-MackiewiczNarodowe Archiwum Cyfrowe

Die schriftstellerische Arbeit im Zwischenkriegspolen wurde von einer zunehmenden Pressekonzentration beeinflusst. Um leben zu können, mussten Autoren ihre literarischen Texte als Vorabdrucke an Zeitungsredaktionen schicken. Zugleich wurden einige mächtige Medienunternehmen in Warschau, Krakau und Poznań gegründet, die ihre Spalten nur solchen Publizisten öffneten, die sich der ideologischen Generalrichtung des jeweiligen Konzerns anzupassen bereit waren. Dies schränkte insbesondere kritische Intellektuelle in ihren Publikationsmöglichkeiten erheblich ein. Gegenüber millionenschweren und parteipolitisch beeinflussten Redaktionen, die über eigene Zeitschriften, Nachrichtenagenturen, Druckereien und später auch Radiosender verfügten, war der Einfluss kleinerer Verlage verschwindend gering.

Die Tageszeitung „Słowo“ wurde Anfang der 1920er in Vilnius gegründet und galt zunächst als ein wenig beachtetes Presseorgan der dort ansässigen Monarchisten, Konservativen und des verarmten polnisch-litauischen Landadels. Sie wurde in ihren Anfangsjahren hauptsächlich aus privaten Mitteln finanziert. Indem sie jedoch von Beginn an betonte, die pluralistische Meinungsvielfalt abzubilden und keinen politischen Anpassungsdruck auf Journalisten und Autoren auszuüben, erlangte sie schnell landesweite Bedeutung.


Die Tageszeitung „Słowo“ wurde Anfang der 1920er in Vilnius gegründet Die Tageszeitung „Słowo“ wurde Anfang der 1920er in Vilnius gegründet

Eine gesamtpolnische Wirksamkeit erzielte die Zeitung „Słowo“ insbesondere dank der unermüdlichen Arbeit der Gebrüder Mackiewicz - Stanisław und Józef. Während Józef vor allem literarisch begabt war und bald zu einem der bedeutendsten Prosaisten des 20. Jahrhunderts werden sollte, machte sich Stanisław „Cat“ Mackiewicz als ein Chronist seiner Epoche einen Namen, als scharfsinniger Polemiker, der sich gern mit dem Aktuellen auseinandersetzte, doch auch Wirren der Geschichte des eigenen Vaterlandes beschrieb. Unvergessen sind seine damals regelmäßig erscheinenden Feuilletons, die ganz Polen fürchtete, über die ganz Polen lachte. Seinen Lesern demonstrierte er etwas, was schon damals überall Seltenheitswert hatte, für den Journalismus aber von unschätzbarem Wert war: Mut und Unabhängigkeit, Witz und Geist. Völlig unpolitisch war der langjährige „Słowo“-Chefredakteur jedoch keineswegs. Nach dem Zweiten Weltkrieg war „Cat“ sogar Ministerpräsident der polnischen Exilregierung. Wojciech Osiński berichtet.