Nestor der polnischen Literaturkritik - Maurycy Mochnacki zum 220. Geburtstag
Maurycy Mochnackis Texte gelten als Meilensteine für die Gattungsentwicklung der polnischen Literaturkritik. Vor allem aber stellen sie einen lebensgeschichtlich verbürgten Rückblick auf die Geschichte Polens im 19. Jahrhundert dar. Sie erweisen sich nicht nur als nostalgischer Reflex einer patriotischen Geschichtsdeutung. Sie sind Ausdruck einer prinzipiellen Zäsur, wie sie Polen bis dahin nicht erlebt hatte.
Maurycy MochnackiPolskie Radio na podstawie zbiorów Polona.pl (dp) i Muzeum Narodowego (dp)
Mochnacki war Wegbereiter und Vollzieher einer bewusst nationalen Romantik. Demnach war er seinem Rivalen Adam Mickiewicz nicht unähnlich. In mancherlei Hinsicht unterschieden sich die beiden Dichterpropheten jedoch beträchtlich. Mickiewicz war (trotz allem) ein "liberaler Kosmopolit", der auf ästhetische Aspekte setzte. Mochnacki betonte hingegen noch mehr die geistige Tiefe polnischer Traditionen. Seine Schriften dokumentieren auf eindrückliche Weise die Problematik narrativer Selbstpositionierung gegenüber einer Geschichtserfahrung. Während Mickiewicz niemals in seinem Leben Warschau besucht und den Novemberaufstand aus der Ferne betrachtet hatte, gab Mochnacki dort den Ton an und war mittendrin. Ein Beitrag von Wojciech Osiński.