Deutsche Redaktion

"Keine Umsiedlung nach Polen"

20.06.2023 15:35
Täuscht die Regierungspartei PiS die Bevölkerung bewußt in Bezug auf die Bestimmungen des EU-Asylpakts? Und: Hat Ex-Premierminister Donald Tusk brisante Details zu seinen Gesprächen mit Wladimir Putin 2008 absichtlich veschwiegen? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Mateusz Morawiecki: referendum ws. migrantów razem z wyborami parlamentarnymi to dobry pomysł.
Mateusz Morawiecki: referendum ws. migrantów razem z wyborami parlamentarnymi to dobry pomysł.Shutterstock/ Ajdin Kamber

Rzeczpospolita: Keine Umsiedlung nach Polen

Im Gegensatz dazu, was die Regierungspartei sagt, werde Polen laut den Bestimmungen des EU-Asylpakts demnächst sicherlich keine Flüchtlinge aus dem Süden bei sich aufnehmen müssen, schreibt Rzeczpospolita. Der Grund: Gemäß den neuen EU-Verordnungen, erinnert die Zeitung, müssen EU-Staaten mindestens 30.000 Personen pro Jahr aufnehmen. Diese Zahl werde in Abhängigkeit vom BIP auf die EU-Staaten aufgeteilt. Polen müsste demnach in diesem Jahr 1.860 Personen aufnehmen. Doch das Ausländeramt habe bereits fast 11.000 Entscheidungen über internationalen Schutz getroffen, fast sechsmal mehr also als der EU-Schlüssel vorsehe. Staaten, die wie Polen unter erhöhtem Migrationsdruck stünden, könnten zudem eine Aussetzung der Zwangssolidarität beantragen. Dieser Punkt sei, wie Professor Florian Trauner von der VUB-Universität in Brüssel erklärt, aufgenommen worden, um die osteuropäischen Länder zu beruhigen.

Die Migrationssituation, schreibt die Rzeczpospolita weiter, habe sich seit 2015 deutlich verändert. Damals hätten bis zu 160.000 Flüchtlinge sofort verteilt werden müssen, während es heute jährlich 30.000 seien. Die EU schließe heute ihre Grenzen und schicke diejenigen zurück, die keinen Anspruch auf Asyl hätten. Auch in Polen hat sich die Situation stark verändert. Mit mehr als einer Million Ukrainer, die vor dem Krieg geflohen seien, sei das Land heute eines der wichtigsten Aufnahmeländer für Migranten in der EU, so Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: Täuschungsmanöver mit Flüchtlingen

In seiner Stellungnahme zu dem Aufmacher, stellt Publizist Tomasz Krzyżak die Frage, wieso die Regierungspartei ein Referendum zur Aufnahme von Flüchtlingen abhalten will, obwohl Polen offenbar in naher Zunkunft keine Flüchtlinge aus dem Süden werde aufnehmen müssen? Mehr noch: Polen, das selbst eine große Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen habe und weiterhin Tausende von Anträgen von Flüchtlingen aus der ganzen Welt bearbeite, könne offenbar andere EU-Länder um Hilfe bitten und damit von der Zwangssolidarität profitieren Wozu also die ganze Kampagne, fragt Krzyżak? Es, so der Autor, handle sich offensichtlich um einen Versuch, den eigenen Wählerstamm zu mobilisieren und politische Allianzen mit der nationalkonservativen Konfederacja zu schmieden.

Der Chef der Regierungspartei, Jarosław Kaczyński, so der Autor, sei bekannt für seine Fähigkeit, “Wahlkampfbrände” zu entfachen. Die Verwendung von Halbwahrheiten und die Unterstellung, dass der "dunkle Mob" alles glaubt, zeuge jedoch von einer Geringschätzung dieses Wählerstamms. Die Wähler haben ihre Würde und ihren Verstand, und es könnte sich herausstellen, dass sie dass sie diesmal nicht den Wünschen von Kaczyński folgen, so Tomasz Krzyżak in der Rzeczpospolita.

Gazeta Polska Codziennie: Putin hat Tusk die Teilung der Ukraine vorgeschlagen

Im Februar 2008 soll Wladimir Putin dem damaligen Premierminister Donald Tusk während seines Besuchs in Moskau vorgeschlagen haben, sich an der Teilung der Ukraine zu beteiligen, berichtet in ihrem Aufmacher die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie unter Berufung auf den zweiten Teil der Dokumentar-Serie “Reset” zur Russland Politik des ehemaligen Premierministers und heutigen Oppositionschefs Donald Tusk. Im Rahmen desselben Treffens, lesen wir, soll der russische Präsident auch gedroht haben, dass russische Atomraketen auf Polen gerichtet werden, wenn Elemente des US-Raketenabwehrsystems in Polen errichtet werden. Diese Angelegenheiten, so das Blatt, seien damals vor der polnischen Öffentlichkeit geheim gehalten worden und die Delegation unter der Leitung von Tusk habe die polnisch-russischen Gespräche als Erfolg bewertet. Erst im Oktober 2014 habe sich Radosław Sikorski in einem Interview für das Portal "Politico" zu diesem Thema geäußert. “Das war das Erste, was Putin meinem Premierminister Donald Tusk in Moskau vorschlug. Er sagte, die Ukraine sei ein künstliches Land und Lemberg sei eine polnische Stadt, warum sollten wir dieses Problem nicht gemeinsam lösen? Tusk hat zum Glück nicht geantwortet. Er wusste, dass er abgehört wurde”, erklärte Sikorski. Die Worte des damaligen Außenministers, so die Zeitung, hätten einen wahren Sturm ausgelöst. Journalisten hätten gefragt, ob der polnische Präsident, die NATO-Verbündeten und die EU-Partner über dieses Ereignis informiert wurden. Es sei auch interessant zu bemerken, so Gazeta Polska Codziennie, dass sich in der polnischen Delegation ein gewisser Zbigniew R. befand, ein ehemaliger Agent der kommunistischen Geheimdienste, der jahrelang in Moskau gearbeitet hatte und über dessen Aktivitäten die Russen vollständig informiert waren.

“Der Vorschlag einer Teilung der Ukraine ist schockierend. Das wäre absolut im Widerspruch zu den Interessen Polens und würde ein enormes Sicherheitschaos an unseren Grenzen verursachen. Solche Dinge sollten sowohl dem Präsidenten der Republik Polen als auch unseren NATO-Verbündeten gemeldet werden. Wenn eine solche Maßnahme ergriffen worden wäre, könnte die Ukraine möglicherweise früher auf einen russischen Angriff vorbereitet sein”, sagt im Gespräch mit der Gazeta Polska Codziennie Witold Waszczykowski. “Ich möchte auch auf etwas anderes hinweisen. Wir kennen bisher keine Einzelheiten über den Auswahlprozess von Donald Tusk zum Vorsitzenden des Europäischen Rates. Schließlich hat er geschworen, dass er das Amt des Premierministers von Polen nicht verlassen würde, und plötzlich taucht seine Kandidatur für die EU-Position auf, deren genauer Ursprung nicht bekannt ist. Er war ein Mann ohne Sprachenkenntnisse und ohne Erfahrung in internationalen Institutionen. Es gibt keine Dokumentation, wie das alles abgelaufen ist. Das ist äußerst interessant”, fügt der ehemalige Außenminister im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie hinzu.

Autor: Adam de Nisau