Deutsche Redaktion

Die legendäre deutsche Ordnung ist heute nur noch eine Erinnerung

29.08.2024 13:47
Die Polen haben immer noch die kodierte Vorstellung, Deutschland sei ein Land mit außergewöhnlicher Organisierung und Ordnung. Ein Besuch in einigen deutschen Großstädten genüge jedoch, um diesen Mythos zu stürzen, schreibt Paweł Lepkowski für die Rzeczpospolita.
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Rzeczpospolita: Die legendäre deutsche Ordnung ist heute nur noch eine Erinnerung

Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts sei Deutschland für die Polen ein Synonym für Wirtschaftskraft, politische Stabilität, öffentliche Ordnung und Rechtsstaatlichkeit gewesen. Vieles davon sei natürlich übertrieben gewesen. Polen hätten nämlich einen typischen Rückständigkeitskomplex. Sie vergleichen sich ständig mit anderen. Der Vorteil hierbei sei, dass Polen sich immer mit den Besten und Reichsten messen wollen. So verbessern sie ständig ihre Lebensqualität. Der Nachteil sei, lesen wir im Blatt, Polen würden ständig glauben, sie seien aus irgendeinem nationalen Grund weniger fähig und weniger organisiert. Geht es nach dem Autor, sei dieser hässliche polnische Entleinkomplex jedoch ein Virus, mit dem Polen von seinen einstigen deutschen und russischen Besatzern infiziert worden sei.

Die letzten drei Jahrzehnte hätten nämlich bewiesen, dass Polen in Zeiten vollständiger Souveränität ihr Land mit einer Kraft und Überzeugung verbessern und modernisieren, wie es seine westeuropäischen Nachbarn nicht mehr könnten.

Der europäische Kontinent sei zu einem ethnischen Schmelztiegel geworden, heißt es weiter. Er verliere seine kulturelle Identität. Stereotypen über Briten, Franzosen, die Deutschen aber auch Rumänen oder Kroaten seien heute veraltet.

Besonders deutlich sei dies in Deutschland. Nach Ansicht des Autors sei es nicht mehr das Musterbeispiel für Organisation und Ordnung. Der Frankfurter Hauptbahnhof beispielsweise, eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Deutschlands, sei in einem schlimmeren Chaos als die miesesten Bahnhöfe der kommunistischen Ära in Polen. Unordnung, Straßenschlägereien, aggressive Pöbeleien, vermüllte, schmutzige Straßen und keine besseren öffentlichen Räume. So fasst Łepkowski seine Nacht im Zentrum von Frankfurt zusammen.

Aber ist daran allein die Einwanderungspolitik schuld? Nein. Auch die einst legendäre Pünktlichkeit der deutschen Bahn zum Beispiel sei ein weiteres Beispiel für zivilisatorischen Rückschritt. Auch von der touristischen Infrastruktur und den Dienstleistungen in Deutschland habe der Autor nicht die beste Meinung. Aber dies gelte für ganz Westeuropa. Schlechte Hotels und Motels, niedrige Mitarbeiterkultur, schlechtes Essen. Vergleiche man das touristische Angebot östlich und westlich der Oder, so ziehe der Autor das östliche Angebot vor. Sowohl die Preise als auch die Qualität in den ehemaligen Ostblockländern und insbesondere in Polen seien geradezu ausgezeichnet.

Obwohl der Osten sich anfangs an seinen westlichen Nachbarn orientiert habe, übertreffe er ihn heute in vielerlei Hinsicht, heißt es am Schluss. Ungeachtet der politischen Optionen in Polen seit den 1990 Jahren, habe das Land einen unglaublichen Zivilisationssprung gemacht. In vielen Bereichen müsse man noch viel tun. Es sei jedoch eine Lüge zu behaupten, Polen seien zivilisatorisch zurückgeblieben. Wie Paweł Łepkowski als Fazit im Tagesblatt schreibt, sei eher das Gegenteil der Fall.


Rzeczpospolita: Keine Sorge, alles nur ein Fehler

Artur Bartkiewicz schreibt in der Rzeczpospolita über das Verhältnis zwischen dem Premierminister und dem Präsidenten, die unterschiedlichen politischen Lagern angehören. Die Zustimmung von Donald Tusk zur Entscheidung von Andrzej Duda, den Vorsitzenden der Zivilkammer des Obersten Gerichtshofs unter Beteiligung sogenannter Neo-Richter zu ernennen, sorge im Justizministerium, bei den Koalitionsparteien und sogar in der Kanzlei des Premierministers selbst für große Verwirrung. Wie wir lesen, sah es eine Zeit lang so aus, als ob Polen nach Jahren des polnisch-polnischen Krieges mit Messern und Mistgabeln wieder zur alten, langweiligen Politik zurückkehren würde. Als gäbe es wieder Verhandlungen und Kompromisse zwischen den Akteuren der verschiedenen Seiten der politischen Szene. Der Autor gesteht jedoch, dass diese Hoffnung ein Irrtum war.

Bei der Ernennung neuer Richter nach dem sogenannten Rechtsstaatlichkeitsstreit in Polen schien es, als würden Präsident Duda und Premierminister Tusk eine Art politischen Deal über andere Themen wie Verteidigungs- und Sicherheitspolitik abschließen. Oder dass die andere Seite im Austausch für einen Richter beispielsweise einen Botschafter bestimmen dürfte. Man hatte gehofft, dass sich die Polen wieder untereinander verständigen könnten. Selbst wenn sie, nachdem sie sich vertragen hätten, sich trotzdem nicht wirklich gemocht hätten.

Das war ein Irrtum, so Bartkiewicz. Nach so vielen Jahren sei es offensichtlich, dass, wenn sich die beiden Seiten im polnisch-polnischen Krieg auf einen Kompromiss geeinigt hätten, die einzig mögliche Lösung für das Rätsel dieses Kompromisses eine Art grobes Missverständnis gewesen sein müsse. In Polen gebe es nämlich weniger Raum für Kompromisse, als die Fläche neu errichteter Wohnungen in Warschau ausmache. Zum Glück sei aber alles wieder in Ordnung. Es habe sich nur um einen Irrtum gehandelt. Polen können wieder in aller Ruhe mit Mistgabeln aufeinander eindreschen, so Bartkiewiczs Schlussfolgerung in der Rzeczpospolita.



Autor: Piotr Siemiński