Rzeczpospolita: Deutsche Unglaubwürdigkeit
Die Irritation der Polen, die der Besuch von Scholz ausgelöst habe, sei ein weiteres Beispiel für die grundlegende These, dass in Polen der gesellschaftliche Verstand und Instinkt dem politischen Verstand im Wesentlichen um einiges voraus seien, schreibt dazu der Kolumnist der Rzeczpospolita, Marek Cichocki. Eines, so der Autor, sei sicher: Der Besuch des deutschen Kanzlers Olaf Scholz in Warschau habe großes Aufsehen erregt. Er wisse nicht, ob die Organisatoren dieses Besuchs genau ein solches Echo beabsichtigt hätten, aber der Kanzler habe tatsächlich dafür gesorgt, dass die Frage der polnisch-deutschen Beziehungen wieder ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt sei. Laut Analysen von Sozialen Medien, lesen wir, hätten die Emotionen in den Kommentaren zur Visite von Scholz zwischen Wut und Empörung geschwankt. Man könne hier noch eine weitere Emotion hinzufügen: Ungläubigkeit.
Jemand, der die Natur der polnisch-deutschen Beziehungen seit mehr als drei Jahrzehnten aufmerksam beobachte, so Cichocki, könne auf diesen Zustand der Erregung allerdings nur mit einem Achselzucken reagieren. Denn das auffälligste Merkmal der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sei ihre absolute Unveränderlichkeit. Daher könne man sich nur fragen, ob Scholz' so offene Demonstration seines Desinteresses an der Erfüllung irgendwelcher Erwartungen der polnischen Seite eher das Ergebnis seiner persönlichen Haltung gegenüber Warschau oder die Umsetzung einer konsequenten deutschen politischen Strategie gegenüber Polen gewesen sei, die auf dem Prinzip beruhe: keine Zugeständnisse und keine Partnerschaft!
Eine gewisse Neuheit, fährt der Autor fort, sei jedoch die in Polen zunehmend spürbare Irritation über eine solch abwertende deutsche Haltung. Die Polen würden beginnen, die Bedeutung ihres eigenen Potenzials und ihrer Interessen zu verstehen. Sie würden zudem langsam das Ausmaß des Risikos verstehen, das sie in der heutigen Welt tragen müssten und auch den Mangel an Glaubwürdigkeit und Professionalität der Berliner Politik in für Europa und Polen wichtigen Fragen wie Sicherheit, Migration oder Energiepolitik erkennen. Dies habe zur Folge, dass sich auch ihre allgemeine Wahrnehmung und Bewertung der polnisch-deutschen Beziehungen zu einer kritischeren und anspruchsvolleren entwickele.
Meistens, so Cichocki, könnten die politischen Eliten in Polen mit diesen sozialen Veränderungen jedoch nicht Schritt halten. Für die einen sei die Zeit bei der These stehengeblieben, dass „Polens Weg nach Europa über Berlin führt”. Sie würden uns gerne weiter mit dem Mythos der „polnisch-deutschen Versöhnung“ füttern. Für die anderen wiederum sei es die polnische Staatsräson, sich Berlin entgegenzustellen, meist laut, aber ineffektiv, und buchstäblich in jeder beliebigen Angelegenheit. Insofern sei die Irritation der Polen, die der Besuch von Scholz ausgelöst habe, ein weiteres Beispiel für die grundlegende These, dass die Gesellschaft die Lage generell besser begreife, als die Politiker. Vielleicht sollten sich daher auch die polnischen Politiker in der deutsch-polnischen Frage hauptsächlich von ihrer eigenen Gesellschaft belehren lassen, so Marek Cichocki in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Wie die NATO die Ostflanke gestärkt hat
Das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna blickt auf den morgen beginnenden NATO-Gipfel in Washington. Auf diesem Gipfel, so die Zeitung, erwarte niemand Kontroversen. Den amerikanischen Gastgebern sei es daran gelegen, dass er reibungslos verlaufe. Der Grund dafür sei natürlich die laufende Präsidentschaftskampagne in den USA. Sicherlich könne man eine weitere Bestätigung erwarten, dass Artikel 5 „eisern“ sei und dass immer mehr Staaten über 2 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben. Was die Ukraine betreffe, werde weitere Unterstützung zugesagt, aber man sollte keine festen Zusagen hinsichtlich eines Beitrittstermins zum Bündnis erwarten.
Die gute Nachricht: Obwohl auf diesem Gipfel kein Durchbruch zu erwarten sei, so die Zeitung, sei in den letzten 10 Jahren auch deutlich zu sehen gewesen, dass das Bündnis seine östliche Flanke systematisch verstärke. Wie das Blatt erinnert, habe die NATO 2014, kurz nach dem Beginn der ersten russischen Agression auf die Ukraine, die Very High Readiness Joint Task Force gegründet und Bataillonskommandozentralen geplant. 2016 habe das Bündnis die Stationierung von vier Bataillonskampfgruppen in Polen, Litauen, Lettland und Estland beschlossen. 2022, nach der russischen Invasion in der Ukraine, seien vier weitere Bataillonsgruppen in der Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien eingerichtet worden. Auf einem virtuellen Gipfel im Februar 2022 und einem Treffen im März in Brüssel sei Russland als direkte Bedrohung definiert worden. In Madrid 2022 hätten sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, 2 Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. Und schließlich habe die NATO regionale Verteidigungspläne konkretisiert und die Zahl der kampfbereiten Soldaten von 300.000 auf 500.000 angehoben, fasst die Zeitung die wichtigsten Meilensteine bei der Stärkung der NATO-Ostflanke zusammen.
Rzeczpospolita: Smartphones rauben Jugendlichen den Schlaf
Smartphones rauben Jugendlichen den Schlaf, alarmiert in der heutigen Ausgabe die Rzeczpospolita unter Berufung auf eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Piotrkowska Akademie unter dem Titel „Digitale Kinder schlafen immer kürzer“. Über 62 Prozent der Minderjährigen im Alter von 15 bis 17 Jahren und fast die Hälfte der 10- bis 14-Jährigen, lesen wir, würden demnach Smartphones und andere digitale Geräte mehr als neun Stunden täglich verwenden und dadurch nachts länger aufbleiben. Im Jahr 2018 habe dies noch 40 Prozent von ihnen betroffen. Der abendliche und nächtliche „Zeitdieb“ seien hauptsächlich soziale Medien und Computerspiele. Der Schlaf der ältesten Teenager habe sich um 30 Prozent verkürzt.
Das Problem: Kinder würden digitale Gadgets immer früher erhalten – 43 % der Befragten hätten ihr erstes Mobiltelefon als Kommunionsgeschenk erhalten, darunter jedes fünfte ein neues Smartphone, meistens von den teuersten Marken. Andere hätten zum Beispiel Spielesets erhalten. „Wir konnten nicht länger warten, weil Madzia die einzige in der Klasse ohne Telefon war. Es gab bereits Druck, Weinen, Angst vor dem Verlust von Freundinnen“, erklärte in der Umfrage die Mutter einer 11-Jährigen aus Mińsk Mazowiecki. Jedes dritte Kind habe das erste Handy ohne Nutzungsregeln bekommen, während jedem fünften ein Programm zur elterlichen Kontrolle eingerichtet worden sei.
58 Prozent der Schüler würden Smartphone sogar bis zu zwölf Stunden täglich nutzen. Die Hälfte der Grundschulkinder verwende Smartphones nach 22 Uhr. Jedes zehnte Kind benutze sie mehrmals in der Woche nach Mitternacht, obwohl es am nächsten Tag zur Schule gehe. Darüber hinaus würden 80 Prozent der älteren Schüler nach 23 Uhr an ihren Smartphones sitzen, davon mehr als jeder dritte nach Mitternacht.
Ein Polnischlehrer aus Warschau bemerkt: „Sie wissen alles darüber, was auf TikTok passiert, aber sie sind nicht in der Lage, 10–12 Seiten für die nächste Unterrichtsstunde zu lesen. Ich habe in meiner Klasse Schüler, die angeben, um 1 Uhr nachts im Netz aktiv zu sein, aber in drei Schuljahren nicht einmal eine Pflichtlektüre gelesen hätten. […] Sie sind ständig übermüdet“, so der Pädagoge im Gespräch mit Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau