Gazeta Wyborcza: „Putins Täuschungsmanöver“
Russische Kommentatoren, die mit der Politik des Kremls vertraut seien, gehen davon aus, dass Wladimir Putin nach einem geheimen Gespräch mit Donald Trump zu vorübergehenden Zugeständnissen in seinem Krieg gegen die Ukraine bereit sein könnte. Der polnische Oberstleutnant der Reserve Maciej Korowaj betont jedoch, dass Putins engste Vertraute diese Zugeständnisse lediglich als eine taktische Zwangsmaßnahme betrachteten, berichtet die Gazeta Wyborcza. Damit solle auch von den verheerenden Folgen der russischen Kriegsführung abgelenkt werden.
Laut Korowaj sei der Krieg von einer Gruppe gieriger Geschäftsleute entfacht worden, die schon zuvor erheblichen Einfluss auf Putins Politik ausgeübt hätten. Zwar könne Trumps diplomatischer Vorstoß zu einem vorübergehenden Waffenstillstand führen, doch werde er die langfristigen russischen Expansionspläne nicht aufhalten, so das Blatt. Der Kreml sei überzeugt, dass nach Trump wieder eine „schwache und berechenbare“ Persönlichkeit ins Weiße Haus einziehen werde.
#Trump musi porzucić mrzonki, że pokój w Ukrainie zaprowadzi ponad głowami Europy [ @bart-wielinski.bsky.social] #wyborcza wyborcza.pl/7,75399,3169...
[image or embed]
— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) February 17, 2025 at 12:04 PM
Nach Einschätzung des Militärexperten seien die mit Trump getroffenen Vereinbarungen aus Sicht von Putins Gefolgschaft ein Täuschungsmanöver – ein Scheinfrieden, hinter dem sich in Wirklichkeit eine verdeckte Mobilisierung russischer Kräfte verberge. Moskau gehe davon aus, dass diese „Atempause“ im anhaltenden Krieg bis zum Ende von Trumps Amtszeit andauern werde. In dieser Zeit wolle Russland seine Streitkräfte aufrüsten und sich auf eine neue Phase des Konflikts vorbereiten, die über die Ukraine hinausreichen könnte, heißt es. Informationen aus russischen Quellen zufolge betrachte der Kreml eine direkte Konfrontation mit der NATO über kurz oder lang als unausweichlich. Analysten warnten, dass eine russische Aggression als Nächstes die baltischen Staaten treffen könnte. Zudem plane Russland eine neue Phase rascher Konflikte im Baltikum, im Kaukasus, in Zentralasien und in der Polarregion, so die Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: “Europa zählt nicht mehr – und ist selbst schuld”
Europas Eliten haben längst die Fähigkeit verloren, Kritik an ihrem eigenen Verhalten anzunehmen, schreibt der Politologe und Philosoph Marek A. Cichocki in der Rzeczpospolita. Als Beispiel nennt er die Welle der Empörung, die nach den Reden von US-Vizepräsident J.D. Vance zunächst auf dem AI-Gipfel in Paris und später auf der Münchner Sicherheitskonferenz ausgebrochen sei. Vances Kritik an Europa sei in beiden Fällen schonungslos und umfassend gewesen.
Man könne seine Ansichten teilen oder nicht. Doch die aufgeregte Reaktion in Berlin, Paris und Brüssel, die seine Worte ausgelöst haben sollen, sei ein deutliches Zeichen für den politischen Niedergang der europäischen Verbündeten der USA, heißt es im Blatt. Dies geschehe just in einem Moment, in dem Donald Trump mit der Aufnahme von Verhandlungen mit Putin über den Ukraine-Krieg die völlige strategische Schwäche Europas offenbart habe.
Europa spiele international keine Rolle mehr. Nach Ansicht des Autors hätten sich die europäischen Staaten und EU-Institutionen diesen Bedeutungsverlust selbst zuzuschreiben. Ihre Empörung und Klagen seien daher unbegründet. Cichocki erinnert daran, dass die Annexion der Krim inzwischen über zehn Jahre zurückliege, während die russische Aggression gegen Georgien bereits vor 16 Jahren stattgefunden habe. In dieser langen Zeit habe die EU vor allem große Worte von sich gegeben, sich als globale Macht inszeniert und andere belehrt, ohne jedoch konkrete Schritte zu unternehmen, um ihre eigenen sicherheitspolitischen Interessen zu schützen. Diese Zeit sei verloren. Das Ausmaß dieser Verantwortungslosigkeit sei – insbesondere aus heutiger Sicht – erschreckend, so der Autor.
Hinzu komme, dass es in Europa nach wie vor viele Politiker gebe, die glaubten, mit leeren Erklärungen, bedeutungslosen Gipfeltreffen oder pathetischen Social-Media-Posts die Realität beeinflussen zu können. Das alles wirke fahrlässig. Wenn Europa seinen internationalen Einfluss zurückgewinnen wolle, müsse es zu einem alten Grundsatz zurückkehren: „Nur wer sich selbst schützen kann, kann von anderen etwas verlangen“, rät Cichocki. Vielleicht sei es dafür noch nicht zu spät, so der Philosoph in der Rzeczpospolita.
Fakt: Falscher Glaube an die eigene Stärke könnte Putin zum 3. Weltkrieg veranlassen
Der Experte für Geopolitik Krzysztof Wojczal ist der Ansicht, dass Polen nach den Erklärungen von Donald Trump und seinen Gesandten zur Ukraine, zu Russland und der NATO nicht in Panik geraten sollte. Solange die Ukraine trotz territorialer Verluste unabhängig bleibe, sehe er keine Bedrohung. Wie er im Gespräch mit dem Boulevard-Blatt Fakt erklärt, sei unsere Position gegenüber Russland so stark wie noch nie zuvor im 21. Jahrhundert.
Krzysztof Wojczal lehnt zudem die Verwendung des Begriffs „Konzert der Mächte“ für die Gespräche der wichtigsten geopolitischen Kräfte ab. Laut dem Experten sei die Welt wieder einmal bei Gesprächen angelangt, bei denen die Stärksten entscheiden. Aber wann in der Geschichte war das nicht der Fall, fragt Wojczal. Verhandlungen über die Sicherheitsarchitektur zwischen den USA und Russland hätten schon früher stattgefunden. Zum Beispiel nach 2008. Damals hatten die Russen Georgien angegriffen und nach Verhandlungen mit den USA unter der demokratischen Regierung Obamas dann einen Reset erhalten.
Habe damals jemand von einem Konzert der Mächte gesprochen, fragt Wojczal. Ihm zufolge müsse Polen als Land, das in der NATO den höchsten Prozentsatz des BIP in seine Verteidigung investiert, nicht befürchten, von den USA im Stich gelassen zu werden. Geht es nach dem Experten, habe Warschau eine vorteilhafte Verhandlungsposition gegenüber Washington. Die polnisch-amerikanischen Beziehungen sollten nicht mit der Position der Europäischen Union gleichgesetzt werden. Polen setze intensiv auf Rüstungen. Nach Einschätzung der USA gebe das Land so viel aus, wie es die Amerikaner von allen verlangen. Die amerikanische Regierung wisse das zu schätzen, ebenso wie den Kauf von Militärgütern bei ihnen. Auch die Beziehungen zwischen den Politikern seien sehr wichtig. Wenn es der derzeitigen Regierung gelingen sollte, gute Beziehungen zu Trump aufzubauen, können die Polen ruhig schlafen, heißt es.
Wenn der Kreml jedoch die Situation an seinen Grenzen unter Kontrolle bringe und sein Militär wieder aufrüste, könnte er für eine Konfrontation mit Europa bereit sein. Nach solchen Erfolgen könnte Putin zu dem falschen Schluss kommen, er könne die EU ausspielen oder die gesamte NATO bewältigen. Ein Dritter Weltkrieg könnte die Folge sein. Man dürfe Putin deshalb diese nächsten Schritte zu diesem Ziel nicht erlauben. Man muss ihn bereits in der Ukraine stoppen, sagt Krzysztof Wojczal gegenüber Fakt.
Autor: Piotr Siemiński