Deutsche Redaktion

Deutsche Presse zu vorübergehenden Grenzkontrollen

02.07.2025 11:18
Deutsche Kommentatoren bewerten die Entscheidung der polnischen Regierung, vorübergehende Kontrollen an der polnisch-deutschen Grenze einzuführen, unterschiedlich. Für die einen ist es eine notwendige Maßnahme zum Schutz der Freiheit in Europa, für die anderen eine „törichte Trotzreaktion“ der Regierung von Donald Tusk. Einig sind sich jedoch alle Beobachter darin, dass die Sorge vor dem politischen Druck von rechts den Ausschlag für diese Maßnahmen gegeben hat, schreibt der Korrespondent der Polnischen Presseagentur Jacek Lepiarz am Mittwoch.
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Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) begrüßt die polnische Entscheidung. „Nach Deutschland führt nun auch Polen Grenzkontrollen ein. Das ist gut für ein freies Europa“, schreibt Reinhard Müller. Er argumentiert, dass Freizügigkeit und offene Grenzen in der EU nur dann sinnvoll seien, wenn die Außengrenzen der Union effektiv geschützt würden. Ziel der Kontrollen, inklusive der Zurückweisungen an der Grenze, sei es, die gemeinsamen Grundlagen des Schengen-Raums zu sichern. Müller betont, es gehe nicht um die Einschränkung der Reisefreiheit, sondern um den Kampf gegen illegale Migration.

Auch wenn es für Pendler und Touristen zu Verzögerungen kommen könne, sei dies kein neues Phänomen – vergleichbare Einschränkungen gebe es auch bei großen internationalen Sportereignissen. Müller schließt: „Wenn sich alle besinnen, kann der Geist von Schengen wieder uneingeschränkt in Europa herrschen.“

Ganz anders sieht es die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Kommentatorin Viktoria Grossmann spricht von einer „törichten Trotzreaktion“ Polens, die eine ebenso „törichte deutsche Inszenierung“ erwidert habe. Beide Regierungen – so die SZ – beugten sich dem Druck von Nationalisten, statt nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Sowohl Kanzler Friedrich Merz als auch Polens Premier Tusk seien Mitglieder der Europäischen Volkspartei und verfolgten das gleiche Ziel: den Zustrom von Flüchtlingen drastisch zu begrenzen. Grossmann vermutet sogar, dass der Streit zwischen beiden Regierungen eher inszeniert sei.

Die SZ kritisiert, dass Polen an der Grenze zu Belarus das Asylrecht de facto außer Kraft setze, während Deutschland – trotz gerichtlicher Entscheidungen – weiterhin Abschiebungen an der polnischen Grenze durchführe. Beide Regierungen wollten mit dem Streit den Druck auf die EU erhöhen, um migrationspolitische Veränderungen zu erreichen.

Der „Tagesspiegel“ plädiert für eine enge polnisch-deutsche Zusammenarbeit. „Die Regierungen von Merz und Tusk brauchen einander, um die illegale Migration zu begrenzen“, schreibt Christoph von Marschall. Statt einseitiger Maßnahmen sollten beide Länder gemeinsam Grenzkontrollen durchführen, die polnische Ostgrenze stärken und das Asylverfahren beschleunigen. Von Marschall betont, dass die Migration überwiegend von Polen nach Deutschland verlaufe – die polnischen Grenzkontrollen seien deshalb wenig effektiv. Für Tusk gehe es vor allem darum, nach innen Stärke zu zeigen und sich als ebenbürtiger Verhandlungspartner Deutschlands zu positionieren.

Die „Welt“ beschreibt die polnische Migrationspolitik als widersprüchlich. Kommentator Philipp Fritz erinnert daran, dass Polen Deutschland lange für seinen „Unrealismus“ bei der Flüchtlingsaufnahme kritisiert habe. Tusk sehe in der Migrationsfrage ein zentrales Thema für die Zukunft Europas und betrachte Massenmigration als Bedrohung für die europäische Zivilisation. Wegen des innenpolitischen Drucks könne Tusk eine Rücknahme von Migranten an der Westgrenze nicht einfach akzeptieren – die nationalkonservative Partei PiS werfe ihm regelmäßig „Unterwürfigkeit gegenüber Deutschland“ vor.

Fritz weist zudem auf das Auftreten selbsternannter Bürgerpatrouillen an der Grenze hin. Diese Gruppen, die in der polnischen Bevölkerung teilweise Unterstützung fänden, seien von den Sicherheitsbehörden bisher kaum gestoppt worden. Mit der Einführung offizieller Grenzkontrollen wolle Tusk diesen „Patrioten“ den Boden entziehen. Ziel sei es, dass diese Gruppen in naher Zukunft keine Rolle mehr spielten. So zumindest hoffe es die Regierung in Warschau, schreibt die „Welt“.



PAP/jc