Rzeczpospolita: Andrzej Duda hätte Polens Juan Carlos werden können
Staatspräsident Andrzej Duda habe während seiner zehnjährigen Amtszeit die historische Chance vertan, sich wie Spaniens König Juan Carlos als Hüter der Demokratie einen Namen zu machen, urteilt Jędrzej Bielecki in seiner Analyse für die konservativ-liberale Tageszeitung Rzeczpospolita.
Juan Carlos, erinnert der Autor, sei aus der Obhut des Diktators Francisco Franco hervorgegangen, habe diesem nach dessen Tod 1975 jedoch den Rücken gekehrt und gemeinsam mit Premier Adolfo Suárez den Weg zur demokratischen Verfassung Spaniens geebnet. Spätestens beim gescheiterten Putsch vom 23. Februar 1981 habe der Monarch, in Uniform vor die Nation tretend, das ganze Land hinter sich versammelt – selbst den kommunistischen Parteichef Santiago Carrillo, so Bielecki.
Duda dagegen verdanke seine Karriere Jarosław Kaczyński und hätte dessen Angriffen auf Verfassungsgericht, Justiz, Medien und Beamtenapparat mit seinem Vetorecht Einhalt gebieten können. Statt jedoch wie Juan Carlos die Rückkehr ins westliche Europa zu fördern, habe er Kaczyńskis Konfrontationskurs mit der EU und insbesondere Deutschland nicht widersprochen. Bis zuletzt sei er Präsident nur der PiS-Anhänger geblieben und habe die Gesellschaft weiter gespalten.
Zwar, fährt Bielecki fort, genieße Juan Carlos heute wegen Korruptionsaffären ein schlechtes Image, doch die Geschichte werde ihm seine frühe Rolle als Architekt der spanischen Demokratie anrechnen. Bei Duda könne es umgekehrt kommen: Sollte Polen eines Tages zur stabilen Demokratie und europäischen Integration zurückfinden, werde man ihn „als großes Risiko für die polnische Freiheit“ betrachten, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: Das Ende einer Katastrophe. Wir nehmen Abschied von Duda
Der stellvertretende Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, Roman Imielski, lässt indes in seinem Leitkommentar zur heutigen Ausgabe kein gutes Haar am scheidenden Staatsoberhaupt. Es, so Imielski, habe seit 1990 keinen schlechteren Präsidenten gegeben als Andrzej Duda. Duda habe schon zu Beginn seiner Amtszeit gezeigt, wie wenig er die Verfassung achte: Er habe Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik begnadigt, noch bevor ein rechtskräftiges Urteil vorlag, und die Vereidigung rechtmäßig gewählter Verfassungsrichter verweigert, um stattdessen sogenannte „Doppelgänger“ in den Richterstuhl zu setzen. Damit habe er die Autorität von Verfassungsgericht und Oberstem Gericht nachhaltig untergraben und über eine eigens eingebrachte Gesetzesänderung sogar die Amtszeit von Mitgliedern des Landesjustizrats vorzeitig beendet, um ein politisiertes Gremium zu schaffen.
Auch gegen das Durchpeitschen von Gesetzen über Nacht, die Kolonisierung staatlicher Institutionen und „allgegenwärtige Kleptokratie“ unter der Vereinigten Rechten habe Duda keinen Einspruch erhoben, heißt es weiter. Öffentlich-rechtliche Medien seien zu einem „Propagandakanal“ verkommen, Demonstranten seien von der Polizei brutal behandelt worden – all das habe den Präsidenten unberührt gelassen.
Historia pokazuje, że Polska potrafi zaskakiwać pozytywnie, często dzięki aktorom politycznym, którzy nie byli ulubieńcami liberalnych elit. wyborcza.pl/7,75968,3215... #wyborcza #karolnawrocki #nawrocki #prezydent
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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) August 6, 2025 at 9:00 AM
Statt die Nation zu einen, habe Duda sie gespalten, indem er Polinnen und Polen in „bessere und schlechtere Sorten“ einteilte, an Anti-Migrationskampagnen teilnahm und die LGBT-Gemeinschaft als „Ideologie“ diffamierte, schreibt Imielski. Zudem habe er das Amt infantilisiert: von pathetischen Selbstaussagen („Ich lerne die ganze Zeit“) über die Unterzeichnung von Dokumenten in gebückter Haltung neben Donald Trump stehend, da er keinen Stuhl erhalten habe, bis zu peinlichen Wortwechseln mit Twitter-Nutzern.
Die letzten Amtstage hätten das Jahrzehnt treffend zusammengefasst: Duda habe den verurteilten Nationalisten Robert Bąkiewicz begnadigt, PiS-nahe Medienakteure wie Magdalena Ogórek sowie Jacek und Michał Karnowski ausgezeichnet und Fußballfunktionäre um Verbandschef Cezary Kulesza geehrt, so der Autor.
Für eines allein könne man Duda loben: Als fast einziger Vertreter des PiS-Lagers habe er über Jahre ordentliche Beziehungen zur Ukraine gepflegt, resümiert Roman Imielski in der Gazeta Wyborcza.
Dziennik/Gazeta Prawna: Polnisch-polnischer Krieg oder polnische Pflichten
In Bezug auf den künftigen Präsidenten Nawrocki gehen die meisten Kommentatoren von einem noch härteren politischen Krieg zwischen dem Präsidentenpalast und der Regierung aus. Sowohl die neuerliche Regierungsumbildung, bei der der Premierminister Außenminister Sikorski befördert und Hardliner, wie Justizminister Waldemar Żurek ernannt habe, als auch die Zusammensetzung des Präsidialamtes würden darauf hinweisen, dass sich beide Seiten für eine harte Konfrontation vom ersten Tag an rüsten.
Zbigniew Parafianowicz vom Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna gehört zu den wenigen, die trotz allem auch auf die außenpolitischen Chancen der neuen Konstellation hinweisen. Polen, so Parafianowicz in seinem Kommentar, habe derzeit die wohl ideale Konstellation, um außenpolitisch auf „zwei Klavieren“ zu spielen – einerseits dem der linksliberalen EU-Bürokratie, andererseits dem von Trumps „MAGA“-Washington.
Ministerpräsident Donald Tusk, so der Autor, genieße in Brüssel Ansehen und wisse mit seinem Kommissar im Haushaltsressort frühzeitig über künftige EU-Budgettrends Bescheid. Der neu gewählte Präsident Karol Nawrocki wiederum verkörpere einen „neuen Typus“ von Rechtspolitiker, dem eine besondere „Chemie“ zu Donald Trump nachgesagt werde. Gelinge es Nawrocki, diese Verbindung zu nutzen, könne Warschau gleichzeitig in der EU wie auch in den USA punkten.
Entscheidend würden die ersten hundert Tage des neuen Staatsoberhaupts sein: In Washington werde man genau beobachten, ob Projekte wie eine gemeinsame Produktion von Langstreckendrohnen wirklich von Regierung und Präsidialpalast gemeinsam getragen würden oder bloß „Fantasien“ einzelner Akteure seien. Im Falle von Fantasien werde Trump keine Energie für Verhandlungen verschwenden. Sollte Nawrocki hingegen versuchen, mittels Trump-Kontakt gegen Tusks Kabinett zu schießen, riskiere Polen, von den USA aus einer Position der Stärke „ausgespielt“ zu werden. Einen Vorgeschmack dafür hätten zuletzt die scharfen Tweets des Trump-Vertrauten und künftigen US-Botschafters in Polen, Tom Rose gezeigt, der Außenminister Radosław Sikorski dafür kritisiert habe, dass er auf die Hungersnot von Kindern im Gaza-Streifen aufmerksam gemacht hatte. Dabei habe sich Rose mehr wie Israels Botschafter als der der USA verhalten. Es sei gut, dass kein Politiker des rechten Lagers in Polen diese Vorlage für weitere Angriffe genutzt habe.
Innere Geschlossenheit, so Parafianowicz, sei eine absolute Grundvoraussetzung dafür, dass Brüssel Polen ernst nehme und Washington die berühmten Trump-Deals schmiede. Jede Ausweitung der polnisch-polnischen Fehde auf die internationale Bühne schwäche das Land und öffne Tür und Tor für Machtspiele von außen, warnt der Autor und schließt: Die Einschränkung der polnisch-polnischen Fehde auf die Innenpolitik werde dem Staat Vorteile bringen. Eine Politik der “Straße und des Auslands” („Ulica i zagranica“) – also von Kundgebungen im Inland und Denunziationen im Ausland – werde hohe Kosten nach sich ziehen. „Dummheit ist eine Wahl, die Polen vermeiden kann. Statt des polnisch-polnischen Kriegs ist es besser, im Ausland die Pflichten Polens zu realisieren.
Autor: Adam de Nisau