DO RZECZY: Ist Russlands Außenminister in Putins Ungnade gefallen?
Der seit über zwei Jahrzehnten amtierende Leiter des russischen Außenministeriums, Sergej Lawrow, sei nach Angaben russischer Medien von zentralen diplomatischen Aufgaben entbunden worden, schreibt das nationalkonservative Wochenblatt Do Rzeczy auf seinem Internetportal. Der Schritt soll mit den neuerlichen, gescheiterten Verhandlungen mit den USA zusammenhängen, die letztendlich zur Absage des geplanten Gipfels zwischen Wladimir Putin und Donald Trump geführt haben.
Wie Do Rzeczy berichtet, sei Lawrow am 5. November nicht zur Sitzung des Sicherheitsrates der Russischen Föderation erschienen, wo über mögliche neue Atomtests beraten wurde. Medienberichten zufolge sei er das einzige abwesende, ständige Mitglied des Gremiums gewesen. Laut der Zeitung „Kommersant" sei dies ein Zeichen dafür, dass Lawrow seinen Einfluss auf die russische Politik verloren habe. Der Kreml habe zudem offiziell mitgeteilt, Lawrow werde die russische Delegation beim diesjährigen G20-Gipfel nicht leiten.
Ausschlaggebend für die Wende im Kreml soll das Telefonat zwischen Lawrow und US-Außenminister Marco Rubio am 21. Oktober gewesen sein, dessen Ziel die Vorbereitung des Gipfels zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in Budapest gewesen sei. Einer der Schwerpunkte: Bedingungen eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine. Nach Einschätzung russischer Medien habe Lawrow Washington zu harte und einseitige Forderungen Moskaus übermittelt. Infolgedessen habe Rubio nicht nur weitere Verhandlungen abgelehnt, sondern auch Donald Trump geraten, den gesamten Gipfel abzusagen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters habe Lawrow erklärt, Russland lehne einen Waffenstillstand ab, weil dieser dazu führen würde, dass „der größte Teil der Ukraine unter der Herrschaft eines Nazi-Regimes" bleibe. Der Westen würde zudem die ukrainischen Streitkräfte erneut mit Waffen „für terroristische Aktionen gegen die zivile Infrastruktur Russlands" aufrüsten. Er habe zudem erneut gefordert, die „ursprünglichen Ursachen des Konflikts" zu beseitigen.
Wie Do Rzeczy erinnert, haben die USA kurz nach dem Gespräch Sanktionen gegen die Konzerne Rosneft und Lukoil verhängt – die ersten ernsthaften Strafmaßnahmen gegen Russland seit der Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus.
Nur wenige Tage vor seiner Entmachtung habe Lawrow Ende Oktober auf der Eurasischen Sicherheitskonferenz in Minsk öffentlich erklärt, Russland sei bereit, „schriftlich zu garantieren, kein NATO- oder EU-Land anzugreifen". Gleichzeitig habe er dem Westen vorgeworfen, sich „auf einen großen Krieg in Europa vorzubereiten". Er habe somit die bekannte russische Erzählung von der NATO-Expansion „auf Kosten der Sicherheit Russlands" wiederholt, lesen wir in Do Rzeczy.
RZECZPOSPOLITA: Der heutige Ziobro widerspricht dem Ziobro von gestern
Die konservativ-liberale Rzeczpospolita analysiert die widersprüchliche Haltung des ehemaligen Justizministers Zbigniew Ziobro zur parlamentarischen Immunität. Wie das Blatt erinnert, berät der Sejm am Freitag über die Aufhebung der Immunität des PiS-Vizechefs sowie über seine mögliche Festnahme und Untersuchungshaft.
Während Ziobro noch vor wenigen Tagen ankündigte, aus Budapest nach Polen zurückzukehren und sich den Vorwürfen zu stellen, lesen wir, bleibe er nun doch in Ungarn. Bei einer Pressekonferenz in Budapest habe er zwar erklärt, sich „mit voller Verantwortung" verteidigen zu wollen – gleichzeitig nehme er jedoch weder an der laufenden Sejm-Sitzung noch an der entscheidenden Kommissionssitzung teil. „Den Worten des PiS-Vizevorsitzenden sollte man offenbar keinen großen Wert beimessen", kommentiert das Blatt trocken. Denn der Ziobro von heute widerspreche dem Ziobro von gestern.
Die Zeitung kontrastiert Ziobros aktuelle Position mit seinen früheren Aussagen. Als Justizminister habe er 2016 betont: „Ehrliche Menschen haben nichts zu befürchten." Als Chef der Partei „Solidarna Polska" habe er gegen die sogenannten „weißen Kragen" gewettert und 2012 sogar eine Verfassungsänderung zur Abschaffung der Immunität für „heilige Kühe" – Abgeordnete, Staatsanwälte und Richter – vorgeschlagen. „Vor dem Gesetz sollten alle gleich sein", habe der heutige PiS-Vizevorsitzende damals gepredigt.
Heute, so das Blatt, zeige Ziobro den Polen, dass er selbst eine solche „heilige Kuh" sei. Welcher normale Pole könnte beim ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu Abendessen geladen werden oder Pressekonferenzen im Ausland abhalten, um auf Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zu reagieren – ohne sich der rechtlichen Verantwortung zu stellen?
Fazit: Ziobro habe Sheriff sein wollen, sei aber zur rechtlosen „heiligen Kuh" geworden. Statt in Untersuchungshaft den Mythos eines politischen Märtyrers aufzubauen, habe er „Bequemlichkeit und das Leben eines weißen Kragens gewählt, der mehr dürfe als der durchschnittliche Kowalski". Ob er aus Budapest zurückkehre oder dort Asyl beantrage, bleibe offen – Parteiführer Jarosław Kaczyński habe jedenfalls keinen Einfluss mehr auf ihn, so die Rzeczpospolita.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Militär nimmt chinesische Autos ins Visier
Westliche Armeen verbannen zunehmend chinesische Fahrzeuge von ihren Stützpunkten – aus Angst vor Spionage. Polen fehlen noch die rechtlichen Mittel für ähnliche Maßnahmen, berichtet Dziennik/Gazeta Prawna.
Den Anfang, lesen wir, habe Israels Armee gemacht: Seit Anfang 2025 dürfen chinesische Autos nicht mehr auf Militärstützpunkte fahren. Eine interne Sicherheitsanalyse habe ergeben, dass computergestützte Fahrzeuge zu viele sensible Daten sammeln und weiterleiten könnten, schreibt die „Times of Israel". Auch Großbritannien habe reagiert: Rund um die RAF-Basis Wyton in Cambridgeshire, die weltweit militärische Operationen mit Geheimdienstdaten versorgt, müssen Fahrzeuge mit chinesischen Komponenten mindestens drei Kilometer entfernt parken.
General Mieczysław Bieniek, Berater des polnischen Verteidigungsministers, zeigt Verständnis für diese Vorsichtsmaßnahmen. „Vielleicht enthalten Personenkraftwagen Sensoren, die Daten sammeln, Gespräche oder Bilder aufzeichnen, ähnlich wie beim Pegasus-System", erklärt er dem Blatt. Israel wisse genau, was solche Systeme leisten könnten. Als warnendes Beispiel nennt Bieniek Oslo: Die Stadt habe 150 Busse des chinesischen Herstellers Yutong gekauft – Tests hätten dann ein eingebautes Modul mit SIM-Karte entdeckt, das unbefugten Personen die Kontrolle über die Fahrzeuge ermögliche. „Stellen wir uns eine Stadtevakuierung vor, bei der plötzlich solche Busse außer Betrieb gesetzt werden", warnt der General.
Der Präsident des Polnischen Verbandes der Automobilindustrie bestätigt die technischen Möglichkeiten: Moderne Autos ermöglichten bereits eine Kontrolle von außen – „ganz zu schweigen von der Datensammlung". Mit der kommenden autonomen Fahrtechnik werde die Vernetzung noch zunehmen, sowohl zwischen Fahrzeugen untereinander als auch mit der Infrastruktur.
Unterdessen drängen chinesische Hersteller massiv auf den polnischen Markt: Von nur 163 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2023 stieg die Zahl auf über 10.000 im Folgejahr. In diesem Jahr seien bereits fast 34.000 chinesische Autos in Polen zugelassen worden – Tendenz steigend.
Diese Entwicklung beunruhigt die polnischen Sicherheitsdienste. Der ehemalige Chef des Nachrichtendienstes betont, es sei kein Zufall, dass gerade Israel und Großbritannien – beide mit hochentwickelten Geheimdiensten – zuerst reagiert hätten. Doch Polen fehlen die rechtlichen Instrumente: Das Ministerium für Digitalisierung räumt ein, dass das polnische Recht derzeit keine Möglichkeit vorsehe, potentiell gefährliche Bauteile aus dem Verkehr zu ziehen. Die Automobilbranche müsse sich vorerst selbst helfen, resümiert Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Piotr Siemiński