Deutsche Redaktion

Entscheidung zum Haushaltsgesetz: Verfassungsexperten kritisieren den Staatspräsidenten

01.02.2024 10:42
"Der Schritt des Präsidenten zeigt, dass dort etwas nicht in Ordnung ist", meint der ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts Prof. Andrzej Zoll. Vertreter der Regierungskoalition erinnern an das Jahr 2016, als über 200 Oppositionsabgeordnete an der Abstimmung über den Haushalt gehindert wurden und der Staatspräsident keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes hatte. 
Politycy komentujądecyzjęprezydenta ws. ustawy budżetowej.
Politycy komentują decyzję prezydenta ws. ustawy budżetowej.X/Shutterstock

Lob vom eigenen politischen Lager, harsche Kritik von Regierungskoalition und Verfassungsexperten - das ist die Meinungslage nach der gestrigen Entscheidung von Staatspräsident Andrzej Duda zum Haushaltsgesetz. Der Staatspräsident hatte angekündigt, den Haushalt abzusegnen, ihn allerdings zur nachträglichen Überprüfung an das Verfassungsgericht zu schicken. Als Grund gab das Staatsoberhaupt die Abwesenheit der beiden von ihm begnadigten PiS-Politiker Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik bei den Arbeiten am Gesetz an, die Duda konsequent als “Abgeordnete” bezeichnet, obwohl diese laut einem großen Teil von Juristen ihr Mandat nach der rechtskräftigen Verurteilung am 20. Dezember für Kompetenzüberschreitung in der “Grundstückaffäre” 2007 automatisch verloren hatten.

PiS: "Richtige Entscheidung"

"Es scheint mir, dass dies eine richtige Entscheidung ist. Der Präsident lässt sich nicht als 'Blockierer des Staatsbetriebs' einsortieren und kündigt gleichzeitig eine Kontrolle in Bezug auf die Bedenken an, die in der öffentlichen Meinung aufgetaucht sind", kommentierte die Entscheidung der PiS-Abgeordnete und ehemalige Regierungssprecher im Kabinett Morawiecki, Piotr Müller.

Ex-Verfassungsrichter Zoll: "Keine Grundlage für Kontrolle durch Verfassungsgericht vorhanden"

"Da fehlen einem schon die Worte", erklärte indes in einem Gespräch zur Entscheidung mit dem Internetportal WP der ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Prof. Andrzej Zoll. "Es gibt hier keine sachliche Kritik. Es gibt auch keine Grundlage für eine solche Kritik. Wenn der Präsident diese Personen begnadigt hat, bedeutet das, dass das Urteil rechtskräftig war. Wenn jedoch das Urteil rechtskräftig war, dann sind die Mandate damit ausgelöscht worden. Der Präsident hatte absolut keine Grundlage für eine solche Entscheidung", betonte Zoll und äußerte seine Besorgnis über die Ankündigung der Präsidialkanzlei, dass "analoge Maßnahmen vom Präsidenten der Republik Polen jedes Mal ergriffen werden, wenn Abgeordneten die Ausübung ihres Mandats aus allgemeinen Wahlen verweigert wird". "Die Hervorhebung in der Mitteilung, dass in Zukunft ähnliche Maßnahmen ergriffen werden, ist noch gefährlicher. Das ist Wahnsinn, eine Lähmung des Staates. Der Schritt des Präsidenten zeigt, dass dort etwas nicht in Ordnung ist", sagte Prof. Zoll.

Chef der Kanzlei des Premierministers: 2016 sind über 200 Oppositionsabgeordnete an Haushalts-Abstimmung gehindert worden

Der Chef der Kanzlei des Premierministers, Jan Grabiec, erinnerte in einem Beitrag auf dem Portal X (Twitter) an die Haushaltsdebatte 2016, als bei der Abstimmung über den Haushalt über 200 Abgeordnete der damaligen Opposition nicht abgestimmt haben: "Im Dezember 2016 verhinderten die PiS-Abgeordneten im Säulensaal unrechtmäßig die Teilnahme von über 200 Oppositionsabgeordneten an der Abstimmung über den Haushalt. Präsident Duda hat der Haushalt damals sehr gefallen", so Grabiec.

"Herr Präsident, wo waren Sie 2016, als die PiS-Abgeordneten sich im Säulensaal verbarrikadierten und den Haushalt mit 236 Stimmen verabschiedeten? Damals sind über 200 Oppositionsabgeordnete am Abstimmen gehindert worden, Sie haben den Haushalt nicht an das Verfassungsgericht weitergeleitet, und jetzt beschweren Sie sich über die Unmöglichkeit der Teilnahme von 2 Abgeordneten. Eine Farce!", schrieb auch der parteilose Senator Krzysztof Kwiatkowski.

Hintergrund: Am 16. Dezember 2016 hatten die PiS-Abgeordneten - die über eine absolute Mehrheit verfügten - das Haushaltsgesetz in der dritten Lesung abgesegnet, stimmten dabei jedoch nicht im Sitzungssaal ab, sondern im sogenannten Säulensaal im Gebäudekomplex des Sejms ab. Der damalige Sejmmarschall Marek Kuchciński verlegte die Sitzungen in den Säulensaal, nachdem die Abgeordneten der damaligen Opposition aus Protest gegen den Ausschluss eines Abgeordneten das Rednerpult im Sitzungssaal besetzt hatten.

An den Sitzungen im Säulensaal haben nur Abgeordnete der PiS-Fraktion teilgenommen; die Abgeordneten der Opposition berichteten damals, dass sie nicht in diesen Saal gelassen wurden. Dennoch wurde das Haushaltsgesetz mit einer Mehrheit von 234 Stimmen bei 236 abgegebenen Stimmen verabschiedet. An der Abstimmung haben 224 Abgeordnete nicht teil. Das so verabschiedete Haushaltsgesetz wurde anschließend von Staatspräsident Duda unterzeichnet.

PAP/adn