Deutsche Redaktion

Radosław Sikorski in Berlin: „Polen hat gigantische Vorteile, wenn es um den Wiederaufbau der Ukraine geht"

13.06.2024 09:00
Polen habe langjährige Erfahrung mit Geschäften in der Ukraine. Trotz des Krieges gebe es dort immer noch Unternehmen, die sich weiterentwickeln. Die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine werden auch zu „gemeinsamen Vorhaben führen, auch in der Wirtschaft", so Sikorski auf einer Konferenz in Berlin.
Radosław Sikorski in Berlin. Polen verfge ber gigantische Vorteile und sei in einer privilegierten Position, wenn es um den knftigen Prozess des Wiederaufbaus der Ukraine gehe, sagte Auenminister Radosław Sikorski in Berlin auf einer Konferenz zu diesem Thema.
Radosław Sikorski in Berlin. Polen verfüge über gigantische Vorteile und sei in einer privilegierten Position, wenn es um den künftigen Prozess des Wiederaufbaus der Ukraine gehe, sagte Außenminister Radosław Sikorski in Berlin auf einer Konferenz zu diesem Thema.Fot.: PRdZ/Piotr Pogorzelski

Polen verfüge über gigantische Vorteile und sei in einer privilegierten Position, wenn es um den künftigen Prozess des Wiederaufbaus der Ukraine gehe, sagte Außenminister Radosław Sikorski in Berlin auf einer Konferenz zu diesem Thema.

Wie der Chef der polnischen Diplomatie erinnerte, sei die Südöstliche Stadt Rzeszów „eine logistische Schaltstelle für das Militär, für Waffenhilfe". „Soweit ich weiß, hat das Transportvolumen über die polnische Grenze in die Ukraine während des Krieges zugenommen, was mir offensichtlich erscheint, da es keinen ukrainischen Handel mit Russland oder Belarus gibt", fügte er hinzu. Es gebe allerdings auch Herausforderungen, „denn der Transport nutzt unsere Straßen, unsere Eisenbahnen, aber es gibt auch einige Leute, die damit Geld verdienen - und das ist sehr gut", so Polens Spitzendiplomat.

 

Polen verfüge auch über eine langjährige Erfahrung mit Geschäften in der Ukraine und „hat dort Unternehmen, die sich nie auf und davon gemacht haben, die funktionieren und weiter wachsen werden", bemerkte er.  Außerdem habe es bereits „vor dem Krieg mehr oder weniger eine Million Ukrainer in Polen gegeben, zumeist Arbeiter; jetzt sind die meisten Frauen mit Kindern, aber auch sie sind bereits auf dem polnischen Arbeitsmarkt", betonte er.

Sikorski nach werden die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine „in gemeinsamen Vorhaben, auch in der Wirtschaft, Früchte tragen". „Die sprachliche Nähe, die kulturelle Nähe, die Tatsache, dass die Verhandlungen (über den Beitritt der Ukraine zur EU - Anm. d. Red.) während der polnischen Präsidentschaft im nächsten Jahr geführt werden, die Tatsache, dass wir über jüngste Erfahrungen bei der Aushandlung des Beitrittsvertrags verfügen - all das wird uns meiner Meinung nach eine privilegierte Position verschaffen", sagte der Außenminister. Kein anderes Land verfüge über ein ähnlich dichtes und langjähriges Netz der Zusammenarbeit, zum Beispiel zwischen lokalen Behörden, fügte er hinzu.

Probleme der Landwirtschaft

Auf die Frage, wie die polnische Regierung angesichts der erwarteten Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine mit den polnischen Bauern sprechen wolle, antwortete Sikorski: „Ich habe den Eindruck, dass sich unsere Bauern und Spediteure in der gleichen Situation befinden wie die deutschen oder französischen Bauern und Spediteure vor unserem Beitritt zur Europäischen Union."
„Dies wird eine große Herausforderung für die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union und für die Union insgesamt sein. Ich erwarte, dass diese beiden Bereiche - Verkehr und Landwirtschaft - die schwierigsten Verhandlungskapitel sein werden und dass es hier die längsten Übergangsfristen geben wird", sagte er. Sikorski nach „müssen sich sowohl die Ukraine als auch die Europäische Union in gewisser Weise ändern". „Ich glaube nicht, dass das derzeitige Modell auf Dauer leicht zu halten ist. Ich hoffe, dass wir Lösungen finden werden, um es für beide Seiten vorteilhaft zu gestalten, aber es werden schwierige Verhandlungen sein", gab der Diplomat zu.

Finanzabkommen der polnischen BGK mit der KredoBank

Auf die Frage, inwieweit den während der Konferenz abgegebenen Erklärungen zur Hilfe für die Ukraine konkrete finanzielle Unterstützung folgen werde, erinnerte der Leiter der polnischen Diplomatie daran, dass „heute die BGK (Bank Gospodarstwa Krajowego) eine Vereinbarung mit der ukrainischen KredoBank unterzeichnet hat, die aus europäischen Mitteln für Projekte finanziert wird, die bereits umgesetzt werden - denn dies ist die nächste Tranche - auch im Kriegsgebiet".

„Wie die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte, werden 90 Prozent der Zinsen auf das eingefrorene russische Kapital in die Rüstung (für die Ukraine - Anm. d. Red.) fließen, aber 10 Prozent sind für die Wirtschaftshilfe vorgesehen. So wie ich es verstehe, ist es am dringendsten, alternative Möglichkeiten der Stromerzeugung zu schaffen: Photovoltaik, Generatoren. Das ist sehr dringend, denn Putin hat die meisten ukrainischen Wasserkraftwerke und Kohlekraftwerke zerstört. (...) Das sind hohe Summen", betonte der Minister.

 

 

Bis heute hätten die EU und die USA je über 120 Milliarden Euro für die Ukraine ausgegeben. Weitere Beträge seien bereits zugesagt. „Etwa 1,5 Milliarden pro Monat werden direkt in den ukrainischen Haushalt überwiesen, um Gehälter, Renten usw. zu zahlen", betonte Sikorski und fügte hinzu, dass der ukrainische Staat dank dem „Nachschub" durch die EU funktioniere.

In einem Gespräch mit einem der ukrainischen Minister sei indes das Thema eines "polnischen Militärkredits" aufgetaucht. „Es besteht die Aussicht, dass es für Waffenkäufe in Polen verwendet wird, zunächst in Höhe von 400 Millionen PLN (ca. 93 Mio. Euro), in der ersten Tranche. Natürlich könnte mehr getan werden, aber die Ukraine ist nicht allein. Heute war wirklich die halbe Welt hier", sagte Sikorski. „Alle, die hier sind, können sehen, dass Putin ein sehr wichtiges Prinzip gebrochen hat, und das kann nicht so bleiben", fügte er hinzu.

EU-Mitgliedschaft der Ukraine

Was die Aussichten auf eine EU-Erweiterung um die Ukraine betrifft, „so scheint mir, dass die Frage bereits geklärt ist", sagte der Leiter des Außenministeriums. „Da die Präsidentin der Kommission sagt, dass die Verhandlungen beginnen werden, bedeutet dies, dass der Europäische Rat solche Anhörungen durchführen und einstimmig beschließen muss, dass wir es tun, dass wir die Verhandlungen beginnen", betonte er.
Gleichzeitig wies Sikorski darauf hin, dass es bei einem NATO-Beitritt der Ukraine „nicht nur um die institutionelle Zugehörigkeit geht, sondern vor allem um die Frage, ob wir bereit sind, einem Land echte Sicherheitsgarantien zu geben, d.h. ob wir bereit sind, für dieses Land in den Krieg zu ziehen, wenn es angegriffen wird". „Ich weiß nicht, ob wir im Moment einen solchen Konsens unter den derzeitigen Mitgliedern des Bündnisses haben", gab er zu.

IAR/PAP/ps


 

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