Dziennik/Gazeta Prawna: EU-Wahlen. Recycelte Politiker als Spitzenkandidaten
Der dritte Wahlkampf innerhalb von sechs Monaten sei nicht besonders aufschlussreich gewesen, schreibt zu den bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament der Publizist des Wirtschaftsblatts Dziennik/Gazeta Prawna, Piotr Wójcik. Die Debatte vor den Europawahlen sei ein Wettbewerb zwischen den Parteien gewesen, wer es am besten schaffe, seine treue Wählerschaft zu mobilisieren. Niemand habe wirklich versucht, die Unentschlossenen zu überzeugen, überhaupt an den Wahlen teilzunehmen. Aktivitäten zur Förderung der Wahlbeteiligung seien nur von Nichtregierungsorganisationen durchgeführt worden. Laut Wójcik sei dies wohl hauptsächlich aus Pflichtgefühl geschehen, da ihre Kampagnen entweder langweilig oder völlig bizarr gewesen seien.
Die größte oppositionelle Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) habe auf angeschlagene Veteranen wie den ehemaligen Innenminister Mariusz Kamiński und seinen stellvertretenden Minister Maciej Wąsik, den ehemaligen Chef des staatlichen Energiekonzerns ORLEN, Daniel Obajtek, und den ehemaligen Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP, Jacek Kurski, gesetzt. Laut dem Autor würden diese Kandidaten nur deshalb in die EU gehen, weil sie derzeit nichts zu tun, aber viele Verdienste aufzuweisen hätten, die belohnt werden müssten. Natürlich nur in der Logik ihrer Partei.
Die Regierungskoalition hingegen habe beschlossen, sogenannte Stoßstangen-Minister, wie Wójcik sie nennt, wie den ehemaligen Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz, den ehemaligen Minister für Staatsvermögen Borys Budka und den ehemaligen Innenminister Marcin Kierwiński nach Brüssel zu entsenden. Bis vor kurzem hätten sie noch ganz bestimmte Aufgaben in der Regierung gehabt, die sie mehr oder weniger gut bewältigt hätten, so der Autor.
Das Problem sei nicht einmal, dass nur ein paar wichtige Minister und dazu eine Menge gewöhnliche Parlamentarier in das EP gewählt werden. Die politischen Parteien in Polen hätten nur sehr wenige Alternativen, weshalb bei jeden weiteren Wahlen ständig dieselben Kandidaten recycelt und neu aufgestellt würden. Laut Wójcik sei das Schlimmste jedoch, dass die wichtigsten Sitze meist von Leuten besetzt würden, die sich für die EU nur dann interessieren, wenn sie für die Innenpolitik genutzt werden könne. Zum Thema der weiteren europäischen Integration hätten sie generell nichts zu sagen.
Es reiche aus, einen Blick auf die Profile in sozialen Medien von PiS- und PO-Politikern zu werfen, die unbedingt in die EU wollen. Sie würden ihre ganze Aufmerksamkeit auf die nationale Politik richten. Marcin Kierwiński habe z.B. in seinen letzten Beiträgen den Präsidenten wegen angeblicher Verletzung der Verfassung angegriffen, seine Vorgänger wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten verspottet und den ehemaligen Bildungsminister der Vorgängerregierung am Kindertag verhöhnt.
Das Profil von Maciej Wąsik sei nicht besser. Er erinnere rituell an den Baustopp des Zentralflughafens CPK, werfe der Bürgerplattform vor, prorussisch zu sein, und weise auf die Heuchelei der Regierung in Bezug auf die polnisch-belarussische Grenze hin.
Fazit: Wenn man die Einträge der Spitzenkandidaten der größten Parteien lese, sei es schwer zu sagen, was für eine Art von Wahl vor uns stehe. Auch ihre Plakate und Transparente auf den Straßen würden den potentiellen Wählern nichts verraten, urteilt Piotr Wójcik in DGP.
Rzeczpospolita: Der Tod eines Soldaten an der Grenze sollte der Polarisierung im Land ein Ende setzen
Wie Estera Flieger in der Rzeczpospolita schreibt, habe die Nachricht von der Festnahme von Soldaten an der polnisch-belarussischen Grenze in den letzten Tagen des Wahlkampfes für das Europäische Parlament ein politisches Erdbeben ausgelöst. Wie Medien aufgedeckt haben, sollen Ende März Soldaten an der Grenze Waffen eingesetzt haben. Drei von ihnen wurden daraufhin von der Militärpolizei verhaftet. Die Staatsanwaltschaft prüfe derzeit, ob sie ihre Befugnisse überschritten haben.
Wie wir weiter lesen, verlange jetzt jeder von jedem eine Erklärung: Premierminister Donald Tusk habe vom Verteidigungsminister einen Bericht empfangen, Justizminister und Generalstaatsanwalt Adam Bodnar wolle sich mit seinem Stellvertreter für militärische Angelegenheiten treffen. Präsident Andrzej Duda, der angeblich nicht über den Vorfall informiert worden sei, berufe den Nationalen Sicherheitsrat ein. Politiker aus dem Regierungslager seien besorgt über die Reaktion der Militärpolizei. Die Öffentlichkeit wolle wissen, ob das Militär sich an die Verfahren halte. Gleichzeitig sei ein an der Grenze verwundeter Soldat am Donnerstag gestorben. Die Krise hätten in den letzten Wochen auch Nachrichten über einen Cyberangriff auf die Polnische Presseagentur und vereitelte Sabotageversuche im Land vertieft, heißt es weiter.
Glücklicherweise sei Polen nicht Russland, so dass die Medien über den Vorfall an der Grenze berichten können, fährt Flieger fort. Die Frage bleibe, was die Politiker mit diesem Wissen anfangen werden. Derzeit würden sich die Vertreter der beiden größten Parteien gegenseitig beschuldigen. Die Mitglieder der Regierungskoalition versuchen, das Problem für interne Rivalitäten und die Beseitigung der Konkurrenz auszunutzen. Laut der Autorin könne man sich da nur wie der Hund aus einem der populären Meme im Internet fühlen. Mit einer Tasse Kaffee in den Pfoten und in einem brennenden Zimmer sitzend, wiederhole dieser nur entsetzt: „Es ist alles in Ordnung, es ist alles in Ordnung“.
Seit Jahren würden die Politiker ein wachsendes Monster der Polarisierung füttern. Die Grenzkrise gehe nun in ihr drittes Jahr. Es wäre viel einfacher, damit umzugehen, wenn die Politiker eine gemeinsame, kohärente Politik entwickeln würden, anstatt immer mehr absurde Anschuldigungen gegeneinander zu erheben, wer wessen Agent sei. Wenn der jüngste Vorfall kein Weckruf ist, was könnte dann die politische Klasse Polens noch überhaupt aufwecken, fragt die Autorin in der Rzeczpospolita.
Wprost: Wie Russland den Erfolg seiner Kriegswirtschaft fabriziert
Wie Jakub Mielnik im Wochenblatt Wprost schreibt, zerreiße sich der Kreml förmlich, um zu beweisen, dass es kein größeres Glück für Russlands Wohlstand gebe als den Krieg. Moskau verdrehe Daten für Propagandazwecke, um den Westen davon zu überzeugen, dass die Sanktionen allen außer Moskau schaden, während in Wirklichkeit das genaue Gegenteil der Fall sei. Die Flut von Nachrichten, die belegen, dass es Russland nicht trotz, sondern dank des Krieges gut gehe, so der Autor, sei kein Zufall. Berichte über den Anstieg des BIP und der Industrieproduktion, den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die allgemein teflonartige Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft gegenüber den Sanktionen seien reine Propaganda. Sie zielen darauf ab, in den Kreisen der westlichen Befürworter einer Annäherung an Moskau auf Resonanz zu stoßen.
Laut dem Autor nutze Putin hierbei den alten sowjetischen Trick, die Wirtschaft mit Rüstungsgütern aufzupumpen. Die zivilen Wirtschaftssektoren könnten jedoch nicht mithalten, da sie aufgrund der Sanktionen keinen Zugang zu Kapital, Technologie und Arbeitskräften hätten, die von der Kriegsmaschinerie abgezogen wurden. Moskau stelle diese Krise jedoch als eine große Erfolgsgeschichte dar. Der Kreml rühme sich unter anderem damit, dass er die Arbeitslosigkeit beseitigt habe. Arbeitsplätze gebe es in Russland jedoch vor allem deswegen in Hülle und Fülle, weil 800.000 junge, gebildete Russen vor der Einberufung aus dem Land geflohen seien. Eine halbe Million sei im Krieg gefallen und Hunderttausende würden weiterhin in den Schützengräben der Ukraine festsitzen. Was die Russen die Beseitigung der Arbeitslosigkeit nennen, sei in Wirklichkeit eine dramatische Folge des Krieges, so Jakub Mielnik in Wprost.
Autor: Piotr Siemiński