Die heutige Opposition wirft der Regierungskoalition vor, eine Politik des Resets mit Russlands betrieben zu haben. Eine Darstellung, der Außenminister Sikorski vehement widerspricht.
Wir haben dieses Wort damals nicht benutzt, sondern versucht, Russland zu europäisieren und zu zivilisieren. Und das war die richtige Politik, die damals gewisse Vorteile mit sich brachte. Ich erinnere Sie daran, dass es damals einen kleinen Grenzverkehr gab, von dem die Bevölkerung von Ermland und Masuren, der Dreistadt, profitierte. Wir haben uns auf bestimmte historische Fakten geeinigt. Es ist ein Buch der weißen Flecken in der Geschichte entstanden. Es gab eine Versöhnung und die Veröffentlichung sowie Unterzeichnung eines gemeinsamen Dokuments zwischen der polnischen katholischen und der orthodoxen Kirche. Es gab Dutzende von Besuchen russischer Kommunalpolitiker in polnischen Städten. Und schließlich hat Präsident Putin am Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs auf der Westerplatte teilgenommen und damit bestätigt, dass der Zweite Weltkrieg in Polen begonnen hat. Er war, auch wenn es heute exotisch klingen mag, der erste russische Staatschef, den wir dazu bewegen konnten, unseren ermordeten Kriegsgefangenen in Katyn die Ehre zu erweisen.
Wie Sikorski zugibt, dementiert Russland inzwischen die Mitverantwortung am Katyn-Massaker wieder und betreibt Geschichtsumdeutung in großem Umfang.
Russland hat seine Politik geändert, denn anstatt sich wirtschaftlich in die Europäische Union zu integrieren, was damals seine Politik war, befindet es sich heute im Krieg mit der zivilisierten Welt. Also haben auch wir unsere Position geändert. So funktioniert Außenpolitik. Mit dem imperialen Russland werden wir also konkurrieren und uns ihm entgegenstellen. Und wenn Russland seinen Kurs ändert und die Führung wechselt, werden wir unsere Position überdenken. In der Außenpolitik ist nie etwas ein für alle Mal entschieden.
Daher pflege das Auswärtige Amt auch rege Kontakte mit der russischen Opposition.
Letzte Woche hatten wir russische Journalisten in unserem Land, hier im Ministerium, vor zwei Wochen hat mich Julia Nawalny besucht. Vor drei Wochen Gary Kasparow und so weiter. Natürlich führen wir einen Dialog mit der Opposition, denn man weiß ja nie, wann die Opposition nicht zur Regierung wird. Das waren wir früher auch. Ich selbst war einmal im Exil. Natürlich wissen wir, dass das Kräfteverhältnis oder das Bewusstsein für eine solche postimperiale Haltung in Russland gering ist. Aber es wäre besser für Polen, wenn Kasparow und nicht Putin der russische Präsident wäre.
Gefragt danach, wieso Rheinmetall etwa Investitionen in der Ukraine ankündigt, während von Investitionen polnischer Großunternehmen in die Verteidigungs der Ukraine vergleichsweise wenig zu hören ist, macht der Außenminister darauf aufmerksam, dass polnische Unternehmen die Ukraine nie wirklich verlassen haben, kann sich aber auch eine Stichelei in Richtung Vorgängerregierung nicht verkneifen.
Ich habe den Eindruck, dass polnische Unternehmen vor allem die Ukraine nicht verlassen haben, sondern dass diejenigen, die dort investiert haben, zumindest in der Westukraine, immer noch dort tätig sind. Und soweit ich weiß, unterstützt unsere Körperschaft für Exportkreditversicherung unsere Investitionen mutig und entschlossen. Wissen Sie, damit ein polnisches Rheinmetall in der Ukraine investieren kann, muss es erst einmal existieren. Die vorherige Regierung hat die private polnische Rüstungsindustrie im Grunde boykottiert. Wir haben also leider kein großes polnisches Rüstungsunternehmen aufgebaut, obwohl die Beschaffung von Rüstungsgütern und das Budget gigantisch gestiegen sind.
Das bedeute jedoch nicht, dass Polen in der Ukraine nicht mehr tun sollte - auch für sein Image, das unter anderem durch die Getreidekrise stark gelitten hat.
Wir haben die Regierung PiS davor gewarnt, die Beschränkungen für den Transport von Getreide über die EU-Grenze ganz aufzuheben. Man hätte es ja auch anders machen können. Man hätte etwa die Quoten erhöhen können. Wie bei den Rumänen war es immer noch möglich, damit Geld zu verdienen. Die Rumänen haben etwa 150 Millionen Euro von der Europäischen Union für den Bau eines Getreideterminals erhalten. Dafür hätte man jedoch, statt sich in ewige Konflikte mit EU-Institutionen und Deutschland zu engagieren, denken müssen. Das hat gefehlt.
PRDZ/adn/jc/pp