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The Economist: Selenskyjs Siegesplan in der Kritik

03.10.2024 11:15
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in den USA seinen "Siegesplan" für den Krieg gegen Russland vorgestellt. Der britische Wochenmagazin The Economist betont jedoch, dass die Ukraine eher einen Kurswechsel und eine Neudefinition dessen brauche, was ein Sieg bedeutet.
Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr SelenskyjFoto: @ZelenskyyUa/X

„Wenn die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten gewinnen wollen, müssen sie zuerst den Mut haben zuzugeben, dass sie verlieren“, schreibt The Economist. Die derzeit von Kiew geführte Krieg sei nicht durchzuhalten. Obwohl Russland große Verluste erleidet, habe es aufgrund seiner größeren Bevölkerungszahl langfristig die Oberhand, was das Risiko birgt, dass die ukrainischen Frontlinien letztlich zusammenbrechen.

Die Herausforderungen der Ukraine beschränken sich nicht nur auf die Schlachtfelder. Russland habe so viele Energieinfrastrukturen zerstört, dass die Bevölkerung mit einer harten Winterzeit und stundenlangen Stromausfällen rechnen müsse, betont das Magazin.

Auch die Kriegsverdrossenheit, sowohl in der Ukraine als auch weltweit, sowie die Probleme der Armee seien entscheidend. Die ukrainischen Streitkräfte könnten nicht genug Soldaten mobilisieren und ausbilden, um die Frontlinien zu halten, geschweige denn verlorenes Territorium zurückzugewinnen. 

The Economist warnt, dass Selenskyjs Beharren darauf, alle seit 2014 von Russland eroberten Gebiete zurückzuerobern, seine Unterstützer abschrecken und das ukrainische Volk weiter spalten könnte. Um das westliche und nationale Bündnis aufrechtzuerhalten, bedarf es eines neuen Ansatzes, der klar definiert, was ein realistischer Sieg bedeutet.

Das Magazin schlägt vor, dass das eigentliche Ziel der Ukraine eine prosperierende prowestliche Demokratie sein sollte. Wladimir Putin habe die Ukraine nicht wegen ihres Territoriums angegriffen, sondern um zu verhindern, dass sie sich zu einer westlich orientierten Demokratie entwickelt. Selenskyj solle dem ukrainischen Volk verdeutlichen, dass dies der wichtigste „Sieg“ im Krieg gegen Russland sei. Ein vollständiger militärischer Sieg, einschließlich der Rückeroberung der Krim, sei mit den aktuellen Ressourcen nicht erreichbar.

Anstatt die von Russland besetzten Gebiete sofort zurückzufordern, empfiehlt The Economist, diese als langfristiges Ziel zu bewahren und sich vorerst auf die militärische Stärkung und Sicherheitsgarantien zu konzentrieren. Unabhängig davon, ob ein Friedensabkommen unterzeichnet wird, sei dies der einzige Weg, den Krieg zu beenden und die Sicherheit zu gewährleisten, auf der der Wohlstand und die Demokratie der Ukraine aufbauen würden.


Darüber hinaus fordert das Magazin größere Waffenlieferungen, einschließlich Langstreckenraketen und Luftverteidigungssystemen, sowie den Aufbau einer ukrainischen Waffenproduktion. Es schlägt auch vor, dass US-Präsident Joe Biden die Ukraine bereits jetzt offiziell in die NATO einladen sollte, trotz des Risikos, dass besetzte Gebiete nicht sofort unter den Schutz des Bündnisses fallen könnten. 

The Economist warnt jedoch vor den Risiken einer NATO-Mitgliedschaft. Sollte Russland die Ukraine erneut angreifen, könnten die USA in ein Dilemma geraten: entweder die Ukraine zu verteidigen und eine direkte Konfrontation mit einer Atommacht zu riskieren oder sie im Stich zu lassen, was die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Allianzen weltweit schwächen würde.

Abschließend betont das Magazin, dass ein neuer Plan für den Sieg viel von Selenskyj und den westlichen Anführern abverlange. Wenn sie jedoch davor zurückschreckten, drohe eine Niederlage der Ukraine, was weit schwerwiegendere Folgen hätte.


PAP/The Economist/jc