Deutsche Redaktion

Ukraine erwägt Entwicklung einer nuklearen Abschreckung

13.11.2024 17:00
Die Ukraine könnte eine primitive Atomwaffe entwickeln, falls die Vereinigten Staaten ihre militärische Unterstützung reduzieren sollten. Das berichtet die britische Zeitung "The Times" unter Berufung auf ein Dokument, das für das ukrainische Verteidigungsministerium vorbereitet wurde. 
Ukraina ma pomysł na wypadek pozostawienia przez Zachód
Ukraina ma pomysł na wypadek pozostawienia przez ZachódFoto: Shutterstock/OSCAR GONZALEZ FUENTES/fewerton

Demnach könnte Kiew die Möglichkeit haben, eine atomare Waffe nach dem Vorbild der amerikanischen Bombe „Fat Man“ zu bauen, die 1945 über Nagasaki abgeworfen wurde. Ein eigenes Urananreicherungsprogramm sei jedoch aufgrund fehlender Anlagen nicht möglich. Stattdessen könnte die Ukraine Plutonium aus ihren eigenen Kernreaktoren verwenden, von denen sie derzeit noch neun unter Kontrolle hat.

Nuklearfähige Sprengköpfe in großer Zahl

Laut dem Dokument verfügt die Ukraine über ausreichend Material, um Hunderte von Sprengköpfen mit einer relativ niedrigen Sprengkraft von mehreren Kilotonnen herzustellen. Diese Kapazität wäre zwar kleiner als die von „Fat Man“ (21 Kilotonnen), würde jedoch ausreichen, um russische militärische Einrichtungen zu zerstören, so der ukrainische Experte Oleksii Yizhak vom Staatlichen Institut für Strategische Studien.

Der Bericht verweist auch auf eine rechtliche Grundlage, die es der Ukraine erlauben könnte, den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) zu verlassen. Die Ratifizierung des NPT war Teil der Abmachungen, die zur Unterzeichnung des Budapester Memorandums führten. In diesem Abkommen sicherten die USA, Großbritannien und Russland die territoriale Integrität der Ukraine zu, im Gegenzug übergab Kiew seine taktischen Nuklearwaffen an Russland. Die wiederholten Vertragsverletzungen durch Moskau könnten nun eine „formale Grundlage“ für einen Rückzug aus dem Abkommen darstellen.

Schneller als erwartet?

Während einige Experten davon ausgehen, dass die Ukraine etwa fünf Jahre benötigen würde, um eigene Atomwaffen zu entwickeln, hält der Thinktank-Experte Walentyn Badrak vom Zentrum für Armeeforschung ein schnelleres Vorgehen für möglich. Badrak zufolge könnte die Ukraine innerhalb von weniger als einem Jahr entsprechende Raketen besitzen. In etwa sechs Monaten sei das Land in der Lage, seine Fähigkeit zur Herstellung von Langstreckenraketen zu demonstrieren.

Unterstützung aus Großbritannien?

Badrak und Yizhak sehen im Fall eines US-Rückzugs auch Großbritannien als potenziellen Unterstützer einer nuklearen Abschreckungsstrategie. London könnte der Ukraine helfen, ihre Verteidigungsstrategie anzupassen, falls die konventionellen militärischen Mittel zur Abwehr einer russischen Invasion nicht ausreichen sollten. Eine solche Unterstützung würde die im Budapester Memorandum eingegangenen Verpflichtungen Großbritanniens untermauern, so die Experten.

Selenskyj fordert NATO-Mitgliedschaft oder Nuklearselbstschutz

Bereits früher hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, dass die Ukraine entweder der NATO beitreten oder eigene nukleare Selbstverteidigungsmaßnahmen ergreifen müsse. Sein Berater Andrij Jermak stellte später jedoch klar, dass die Ukraine keine Atomwaffen plane. „Wir denken nicht an Atomwaffen, wir lehnen sie ab“, sagte Jermak in Brüssel.

Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete Kiews nukleare Ambitionen in einer Reaktion als „gefährliche Provokation“ und betonte, dass Russland eine atomare Bewaffnung der Ukraine nicht zulassen werde.


PAP/The Times/jc