Deutsche Redaktion

Selenskyj besucht Polen: Zwischen schmerzhafter Geschichte und gemeinsamer Zukunft

15.01.2025 11:05
Der Besuch, der aus Sicherheitsgründen bis heute morgen geheimgehalten wurde, steht nicht nur im Zeichen der aktuellen sicherheits- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen, sondern widmet sich auch sensiblen historischen Themen wie der Exhumierung der Opfer des Massakers von Wolhynien während des Zweiten Weltkriegs.
Der ukrainische Prsident Wolodymyr Zelenski (L) bei einem Treffen mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius in Kiew. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine geht weiter. (sko) PAPViktor Kovalchuk
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenski (L) bei einem Treffen mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius in Kiew. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine geht weiter. (sko) PAP/Viktor KovalchukPAP/Viktor Kovalchuk

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besucht heute Polen. Der Besuch, der aus Sicherheitsgründen bis heute morgen geheimgehalten wurde, steht nicht nur im Zeichen der aktuellen sicherheits- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen, sondern widmet sich auch sensiblen historischen Themen wie der Exhumierung der Opfer des Massakers von Wolhynien während des Zweiten Weltkriegs.

Wolodymyr Zelenski wird um 10.30 Uhr mit Premierminister Donald Tusk zusammentreffen, um 13.00 Uhr wird er im Belvedere Gespräche mit Präsident Andrzej Duda führen.



Wolhynien-Massaker: Fortschritte bei den Exhumierungen

Am 10. Januar verkündete Polens Premierminister Donald Tusk, dass die ersten Exhumierungen polnischer Opfer beginnen werden. Dieser Schritt gilt als Meilenstein in der polnisch-ukrainischen Zusammenarbeit, die lange Zeit von Diskussionen über den Umgang mit der gemeinsamen Vergangenheit geprägt war.

Das Massaker von Wolhynien, das von der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) und der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) verübt wurde, kostete zwischen 1943 und 1945 rund 120.000 Polen das Leben. Viele der Opfer, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, wurden auf grausame Weise ermordet, oft in ihren Dörfern oder Kirchen.

Nach Schätzungen starben auf ukrainischer Seite etwa 2.000 bis 3.000 Menschen, entweder durch polnische Vergeltungsaktionen oder weil sie polnischen Nachbarn geholfen hatten. Wie das Institut für Nationales Gedenken (IPN) betont, werden diese Massenmorde aus der Perspektive des internationalen Rechts als Völkermord eingestuft. Bislang sind nur etwa 5 Prozent der Grabstätten bekannt, und viele Opfer ruhen noch immer in anonymen Massengrabstätten.

Historische Differenzen

Die Bewertung der Ereignisse von Wolhynien bleibt zwischen polnischen und ukrainischen Historikern umstritten. Während einige ukrainische Historiker die patriotischen Motive der UPA hervorheben, betonen polnische Historiker, dass die polnischen Vergeltungsaktionen nicht mit der systematischen antipolnischen Gewalt der OUN-UPA gleichgesetzt werden können.

Im Juli 2023, anlässlich des 80. Jahrestages der Ereignisse, ist nach einem gemeinsamen polnisch-ukrainischen Gottesdienst in der Warschauer St. Johannes-Kathedrale ein gemeinsames Versöhnungsmanifest unterzeichnet worden. Erzbischof Stanisław Gądecki, der damalige Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, erinnerte daran, dass Vergebung und Versöhnung nur nach Anerkennung der Wahrheit möglich sind. Der Hierarch rief zu einer würdigen Bestattung aller Opfer auf. Am 9. Juli 2023 gedachten die Präsidenten Polens und der Ukraine, Andrzej Duda und Wolodymyr Zelenski, der Opfer des Massakers von Wolhynien, indem sie an einem ökumenischen Gottesdienst in der Kathedrale von Lutsk teilnahmen und Kerzen anzündeten.

Präsident Zelenski hat Polen bisher sechsmal offiziell besucht, darunter zweimal nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine: im April 2023 und im vergangenen Juli. Auch an inoffiziellen Arbeitstreffen hat er seit dem Ausbruch des Krieges mehrfach teilgenommen. Die inoffiziellen Besuche fanden im Rahmen seiner Reisen durch Polen in westliche Länder statt.

IAR/adn

Ukraine hebt Moratorium auf Exhumierungen polnischer Opfer auf

27.11.2024 12:11
Die Ukraine hat das seit 2017 geltende Verbot von Exhumierungsarbeiten polnischer Kriegsopfer auf ihrem Territorium aufgehoben. Die Entscheidung wurde am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Außenminister Polens und der Ukraine, Radosław Sikorski und Andrij Sybiha, bekannt gegeben. Damit können erstmals seit Jahren Opfer des Wolhynien-Massakers aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs identifiziert und würdig bestattet werden.

Kiew empört über Äußerungen des Präsidentschaftskandidaten Nawrocki

10.01.2025 09:46
Das Außenministerium der Ukraine hat am Donnerstagabend die „manipulativen Äußerungen“ des polnischen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki scharf zurückgewiesen. In einer Erklärung warf die ukrainische Diplomatie dem Politiker vor, kurzfristige politische Kalküle über die strategischen Sicherheitsinteressen seines eigenen Landes, die nachbarschaftlichen Beziehungen sowie die Werte von Freiheit und Demokratie zu stellen.