Deutsche Redaktion

Deutscher Botschafter: "Polen haben den Kern der russischen Politik besser erkannt"

01.03.2022 15:33
"Heute ist es völlig klar, dass Moskau einen Dialog und Zusammenarbeit ablehnt (...). Vielleicht haben wir zu lange gebraucht, um das zu erkennen, und die Polen haben den Kern der russischen Politik besser erkannt", sagte der deutsche Botschafter in Polen, Arndt Freytag von Loringhoven. 
Arndt Freytag von Loringhoven
Arndt Freytag von LoringhovenMateusz Włodarczyk / Forum

In einem Gespräch mit der "Rzeczpospolita" vom Dienstag wurde der deutsche Botschafter gefragt, ob sich Deutschland in seiner Russlandpolitik nicht als naiv erwiesen habe. "Im Laufe der Jahre haben wir Putin wiederholt Angebote zur Zusammenarbeit gemacht. Ich war lange Zeit davon überzeugt, dass die stärkere Integration Russlands eine außerordentliche Chance für die Modernisierung des Landes und damit für die Zusammenarbeit darstellt. Heute ist es völlig klar, dass Moskau einen Dialog und Zusammenarbeit ablehnt, aber als Putin vor 20 Jahren an die Macht kam, war das nicht so offensichtlich. Vielleicht haben wir zu lange gebraucht, um das zu erkennen, und die Polen haben den Kern der russischen Politik besser erkannt", sagte der deutsche Botschafter in Polen, Arndt Freytag von Loringhoven.

Er fügte hinzu, dass "Polen, wie auch die baltischen Staaten, jahrhundertelang unter dem russischen Imperialismus gelitten hat und daher den Kreml in fast deterministischer Weise als das Zentrum wahrgenommen hat, von dem immer die Aggression ausgeht". Andererseits habe Berlin es nicht für unmöglich gehalten, dass Russland sich ändern könnte, "so wie Deutschland selbst, das - bis 1945 das brutalste Land der Welt - eine stabile Demokratie aufbauen konnte. Unsere Hoffnungen in Bezug auf Russland wurden auch durch die Erfahrungen aus der Zeit der Wiedervereinigung genährt, als sich Moskau sehr konstruktiv verhielt. Aber gleichzeitig haben wir uns immer vor dem Kreml in Acht genommen. Wir haben Russland nie die Mitgliedschaft in der NATO oder in der EU angeboten. Ich würde also nicht von Naivität sprechen", sagte der deutsche Botschafter.

Loringhoven erinnerte daran, dass nach der Gründung der Bundesrepublik die Hauptaufgabe der Bundeswehr "jahrzehntelang die Territorialverteidigung war". Als der Kalte Krieg zu Ende ging, soll Deutschland sich mehr auf Auslandseinsätze konzentriert haben, wie in Afghanistan oder Mali. "Jetzt müssen wir zur territorialen Verteidigung zurückkehren. Wir haben bereits nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 damit begonnen, aber nach der unglaublichen Aggression, die Putin begangen hat, wird es für uns zu einer absoluten Priorität", erklärte er.

Wie von Loringhoven versicherte, "geht es nicht nur um die Verteidigung Deutschlands". Auf die Frage, ob deutsche Truppen in Polen stationiert werden könnten, antwortete der deutsche Botschafter, er könne sich so etwas "sehr gut vorstellen". "Es sind jedoch noch keine Entscheidungen getroffen worden, so dass ich mich nicht zu Einzelheiten äußern möchte", erklärte er.


rp.pl/jc/ps