Deutsche Redaktion

Ausgesickerte E-Mail heizt Kontroversen um Rechtsstaatlichkeit in Polen an

07.07.2022 11:44
Vor einigen Tagen war eine E-Mail öffentlich geworden, aus der hervorgeht, dass der Chef der Kanzlei des Premierministers Michał Dworczyk die Arbeit des Verfassungsgerichts mit der von als regierungsnah geltenden Chefin des Tribunals Julia Przyłębska konsultiert hat. Die Meinung von Regierungsvertretern und ehemaligen Verfassungsrichtern zur Zulässigkeit solcher Kontakte gehen weit auseinander.
Prokuratura oskarżyła Marka M. m.in. o nawoływanie do zabójstwa
Prokuratura oskarżyła Marka M. m.in. o nawoływanie do zabójstwashutterstock.com/Zolnierek

Veröffentlichte E-Mail heizt Kontroversen um Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit in Polen an. Visiten von Politikern im Büro des Chefs des Verfassungsgerichts, des Vorsitzenden eines Gerichts oder Richters sind unzulässig, betont im Gespräch mit dem Informationssender TVN24 der ehemalige Chef der Wahlkommission und emeritierte Verfassungsrichter Wojciech Hermeliński. Vor einigen Tagen war eine E-Mail öffentlich geworden, aus der hervorgeht, dass der Chef der Kanzlei des Premierministers Michał Dworczyk die Arbeit des Verfassungsgerichts mit der von als regierungsnah geltenden Chefin des Tribunals Julia Przyłębska konsultiert hat. “Gespräche zwischen Richtern und Politikern, die in der öffentlichen Sphäre stattfinden, sind natürlich zulässig. (...) Wenn dies jedoch hinter verschlossenen Türen im Büro stattfindet - Kontakte, um nicht zu sagen Machenschaften zwischen dem Chef des Tribunals und einem Politiker - das ist nicht zulässig”, betont Hermeliński.

Dworczyk selbst wollte die Authentizität der veröffentlichten Nachricht nicht kommentieren. Er und andere Regierungspolitiker bezeichnen die Nachricht bisher als Teil der russischen Desinformationskampagne. Vizepremier Henryk Kowalczyk verteidigte Kontakte zwischen Regierung und Verfassungsrichtern zudem als grundsätzlich vertretbar. “Der Premierminister kann so die eventuellen finanziellen Kosten von Urteilen einschätzen. Das Recht lässt solche Kontakte nicht nur zu, sondern regt zu ihnen an, denn die Urteile des Verfassungsgerichts können einen großen Einfluss auf die öffentlichen Finanzen haben. Es ist also zulässig”, so Kowalczyk.

tvn24/adn