Rzeczpospolita: Le Pen stürmt Frankreich
Selbst, wenn es vorerst gelingen sollte, Le Pen den Weg zur absoluten Mehrheit zu versperren, seien die Aussichten für Frankreich nicht rosig, schreibt im Aufmacher der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Publizist Jędrzej Bielecki. In den drei Jahren, die Macron bis zum Ende seiner Amtszeit verbleiben, so der Autor, werde sich keine stabile Mehrheit aufbauen lassen. Der Präsident werde gezwungen sein, mit einem Premierminister zusammenzuarbeiten, der eine völlig andere Vision des Landes habe und den das Parlament zudem jederzeit stürzen könne. Diese tiefe politische Krise komme, wie Bielecki betont, aus geopolitischer Perspektive zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Nach der Fernsehdebatte am Freitag seien die Chancen von Joe Biden, das Weiße Haus zu halten, gering. Und Donald Trump kündige an, im Falle eines Wahlsieges schnell eine Einigung mit Putin zu erzielen und dessen Eroberungen in der Ukraine anzuerkennen. Niemand in Europa werde dann die Kraft haben, sich dem Willen des US-Präsidenten zu widersetzen. Die Paralyse Frankreichs bedeute auch eine Paralyse der EU, zumal auch die Regierungskoalition in Deutschland am Rande des Zerfalls stehe. In Polen gebe der Erfolg von Le Pen wiederum der PiS die Hoffnung auf eine Rückkehr an die Macht.
Seit seiner Machtübernahme im Jahr 2017, lesen wir weiter, habe Macron viel erreicht. Er habe 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, indem er die Beschäftigungsregeln liberalisiert habe. Er habe das bankrotte Rentensystem reformiert. Das Land habe begonnen, in großem Maßstab ausländische Investitionen anzuziehen und sich schneller als die Nachbarn zu entwickeln. Doch die Franzosen würden den allein regierenden Macron auch für alle Probleme verantwortlich machen. Insbesondere für die massive Einwanderung und die Unsicherheit auf den Straßen sowie die Teuerung. Durch den Präsidenten, einst den Anführer der freien Welt, könne Frankreich das gleiche Schicksal erwarten, wie das, das das Amerika von Trump oder das Ungarn von Viktor Orbán erlitten hätten, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Wer rettet uns vor dem Sturm?
Kurzfristig würden die Krisen in Frankreich und Deutschland die Rolle Polens in der EU stärken, beobachtet in seiner Stellungnahme der Redaktionskollege von Bielecki, Michał Szudrzyński. Nicht nur bei den Verhandlungen über die Besetzung der höchsten Posten in der EU, sondern auch in anderen Angelegenheiten beginne Premierminister Donald Tusk, andere Führungspersönlichkeiten vom Podium zu drängen. Auch in außen- und sicherheitspolitischen Fragen im Kontext des Krieges werde die Stimme Polens dank der außergewöhnlichen geopolitischen Lage und dem Charisma von Außenminister Radosław Sikorski immer wichtiger.
Langfristig würden wir jedoch sowohl die militärische Unterstützung der USA für die NATO und eine starke NATO, als auch ein starkes und vereintes Europa benötigen, das bereit sei, der zunehmend aggressiven Politik des Kremls die Stirn zu bieten. Die Führung Polens sei notwendig, aber nicht ausreichend, um uns angesichts des sich anbahnenden Sturms Sicherheit zu gewährleisten, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: Geheimer Brief von Kaczyński an Ziobro
Die linksliberale Gazeta Wyborcza enthüllt in ihrem aktuellen Aufmacher neue brisante Informationen zur Affäre rund um den Justizfonds, bei der es um den Missbrauch von öffentlichen Geldern für parteipolitische Zwecke durch Ex-Justizminister Zbigniew Ziobro und seine Partei geht. Wie Gazeta Wyborcza berichtet, habe PiS-Chef Kaczyński Ziobro bereits vor den Wahlen 2019 in einem geheimen Brief aufgefordert, den Kandidaten seiner Partei sofort zu verbieten, den Fonds für die Finanzierung ihrer Wahlkampagne zu nutzen. Der Brief sei von der Agentur für Innere Sicherheit ABW während einer Hausdurchsuchung beim ehemaligen Vize-Justizminister Marcin Romanowski gefunden worden, der 2019-23 für die Verwendung der Mittel aus dem Fonds verantwortlich war. “Ich mache den Herrn Minister darauf aufmerksam”, so Kaczyński in dem Brief, “dass die Fälle, über die in den Kreisen unserer Koalition bereits gesprochen wird, sofern sie wahr sind, fatale Folgen sowohl für den Verlauf des Wahlkampfes als auch hinsichtlich seiner Abrechnung vor der Staatlichen Wahlkommission haben können. Ich bin auch gezwungen festzustellen, dass im Falle der Nichtbefolgung der in diesem Schreiben formulierten Empfehlung die volle politische Verantwortung, aber höchstwahrscheinlich auch in anderen Dimensionen, bei Ihnen liegen wird.”
Wie das Blatt betont, habe das Dokument eine fundamentale Bedeutung für den Skandal um den Justizfonds, der die Partei von Ziobro in Bedrängnis bringe. Bereits zwei ihrer Abgeordneten – Romanowski und Michał Woś – sollen im von der von der Staatsanwaltschaft eingerichteten Sondergruppe Nr. 2 geleiteten Verfahren angeklagt werden. Der Skandal treffe aber auch die PiS. Seit 2015 seien die Parteien von Kaczyński und Ziobro bei den Wahlen in einem Block angetreten und hätten die Wahlkampfausgaben bei der Staatlichen Wahlkommission gemeinsam abgerechnet. Sollte sich herausstellen, dass ihre Kampagne nicht gesetzeskonform finanziert worden sei, könne die Wahlkommission der PiS die Subvention entziehen – jährlich über 25 Millionen Złoty. Sie könne auch die Rückzahlung der Gelder für die Amtszeit 2019-23 verlangen.
Der Brief, lesen wir weiter, sei ein Beweis dafür, dass Zbigniew Ziobro sich voll bewusst gewesen sei, dass die Finanzierung der Kampagne aus dem Justizfonds illegal sei. Aber nicht nur das. Es sei auch ein Beweis dafür, dass Kaczyński seit 2019 von den Missbräuchen gehört, sich aber darauf beschränkt habe, einen Brief zu senden. Danach habe er das Verfahren toleriert, da Ziobro den Appell des PiS-Vorsitzenden komplett ignoriert habe. Im Wahlkampf 2023 seien etwa 200 Millionen Złoty aus dem Fonds für die Förderung der Kandidaten seiner Partei ausgegeben worden, deutlich mehr als vier Jahre zuvor. Allein für die Kampagne von Marcin Romanowski habe der Fonds 19 Millionen Złoty ausgegeben.
Diese Woche werde der Sejm die Aufhebung der Immunität sowie die Zustimmung zur Festnahme und Inhaftierung von Romanowski prüfen. Der bei dem ehemaligen Vizeminister gefundene Brief des PiS-Vorsitzenden sei im Antrag der Staatsanwaltschaft vom 19. Juni 2024 an den Sejmmarschall aufgeführt, so Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau