Deutsche Redaktion

Champignons statt Bockwurst - polnische Fast Foods der 80er Jahre

08.01.2025 13:47
Heutzutage ist die Auswahl an Fast Food Gerichten vielfältiger als je zuvor. In den frühen 1980er Jahren, als die ersten Fast-Food-Restaurants in Polen aufkamen, war das Maß aller Dinge eine Pilzfüllung in einem Brötchen. Wurst war ein Luxusartikel.
Warschau, 12.08.1985. Kleine Gastronomie, ein Imbissstand mit belegten Brtchen in einem Wohnwagen, an der Świętokrzyska-Strae.
Warschau, 12.08.1985. Kleine Gastronomie, ein Imbissstand mit belegten Brötchen in einem Wohnwagen, an der Świętokrzyska-Straße.Foto: PAP/Stanisław Gawliński

Die Eröffnung des ersten McDonald's-Restaurants in Polen am 17. Juni 1992 in Warschau in der Świętokrzyska-Straße kann als der Beginn des Fast Food in Polen angesehen werden. Die Bedeutung dieses Ereignisses zeigt sich darin, dass das Eröffnungsband von Jacek Kuroń, dem damaligen Minister für Arbeit und Sozialpolitik, durchschnitten wurde. Am Eröffnungstag wurden, wie man es sich kaum vorstellen kann, 13.300 Bestellungen gezählt.

In der Wochenschau (Kronika filmowa) vom 1. Juli 1992 hieß es dazu: „Die Massenmedien haben die Überführung eines Hamburgers nach Polen mit der Überführung der Asche Paderewskis gleichgesetzt, während der Big Mac nach dem gleichen Protokoll wie Präsident Bush begrüßt wurde“.

Im selben Jahr eröffnete eine andere bekannte amerikanische Kette, Burger King, ihre erste Filiale in der Hauptstadt. Die Polen konnten probieren, was sie zuvor nur in amerikanischen Filmen gesehen hatten. Beide Unternehmen begannen eine Marketingschlacht um die Kunden, obwohl dies eigentlich nicht nötig war - die Polen standen ohnehin stundenlang vor diesen Restaurants Schlange.

Andere ähnliche Einrichtungen, die Anfang der 1990er Jahre in Polen wie Pilze aus dem Boden schossen, waren Pizzerien mit 30-Minuten-Lieferung sowie chinesische und vietnamesische Imbissbuden.

Die Anfänge waren alles andere als Burger 

Die Geschichte des polnischen Fast Food begann jedoch noch vor McDonads und BurgerKing, nämlich Mitte der 1980er Jahre. Damals wurden in den Städten Polens massenhaft Imbissbuden und Hot-Dog-Stände in N-126-Wohnwagen eröffnet. In denselben Wohnwagen verkauften andere Betreiber Luxusgüter - westliche Süßigkeiten, Getränke, Zigaretten und Zitrusfrüchte.

Das typischste Gericht in diesen Wohnwagen waren Zapiekanki, lange, mit Pilzen gefüllte und mit gelbem Käse überbackene Brötchen. Das zweithäufigste verkaufte Gericht waren Hot Dogs nach polnischer Art. Der amerikanische Standard-Hotdog, welcher den Polinnen und Polen bis dahin nur aus amerikanischen Filmen bekannt gewesen ist, besteht aus einem Brötchen mit einem Würstchen und Ketchup. In der polnischen Version aus den 1980er Jahren wurde das Brötchen wegen des knappen Angebots in den Geschäften mit Pilzen statt mit Würstchen gefüllt. Das Hauptgetränk, das an diesen Ständen verkauft wurde, war Orangenlimonade - billig, preiswert und vor allem allseits beliebt. Westliche Getränke waren damals teuer und nur in Pewex (Läden, die Waren gegen Devisen verkaufen) oder an den bereits erwähnten Luxuswarenständen erhältlich.


Seit mehr als 40 Jahren auf dem Markt - eine typische polnische Zapiekanka. fot. shutterstock.com/sashk0 Seit mehr als 40 Jahren auf dem Markt - eine typische polnische Zapiekanka. fot. shutterstock.com/sashk0

1988 tauchten in Warschau die ersten Fast-Food-Läden nach westlichem Vorbild auf, die Hot Dogs mit Würstchen und Beilagen, wie frisches Gemüse, Röstzwiebeln, verschiedene Soßen, anboten. Allerdings gab es nur wenige davon, und sie waren nicht besonders beliebt, da die Polinnen und Polen in den Jahren zuvor Zapiekanki bevorzugten. Auch die Preise waren nicht  unbedeutend - Ende der 1980er Jahre waren Zapiekanki aus einem Wohnwagen viel billiger als Hot Dogs von modernen Standplätzen.

In den Wohnwagen, die auf einer Fläche von weniger als 5 Quadratmetern das Personal, einen Lagerraum und einen Platz für die Zubereitung der Speisen beherbergen mussten, bestand der Sanitärbereich in der Regel aus einem Behälter für sauberes Wasser und einem Eimer für die Abfälle. Ein kleiner selbstgebauter elektrischer Toaster diente zum Aufwärmen der Aufläufe, und die Pilzfüllung wurde in einem Topf auf einem Reisegaskocher erhitzt.

Die Zapiekanki-Buden in den N-126-Wohnwagen überlebten bis Ende der 1990er Jahre, wobei ihr Ende mit dem Wachstum der Fastfood-Ketten, dem Aufkommen von professionell für den Verkauf von Lebensmitteln ausgestatteten Wohnwagen und der Einführung von Vorschriften mit immer höheren Hygienestandards bei der Zubereitung und dem Verkauf von Lebensmitteln zusammenhing.


Unter dem Kosenamen Maluch, zu deutsch: Knirps, prägte er seit den frühen 1970er Jahren das Bild auf den Landstraßen und Autobahnen in Polen. Bild: flickr.com/tonysphotos Unter dem Kosenamen Maluch, zu deutsch: Knirps, prägte er seit den frühen 1970er Jahren das Bild auf den Landstraßen und Autobahnen in Polen. Bild: flickr.com/tonysphotos

Die Produktion des Wohnwagens Niewiadów N-126 begann 1973 und war für den beliebten „Maluch“, den polnischen Fiat 126p, konzipiert. In den 1970er- und 1980er-Jahren war er bei den Kunden sehr gefragt, und die Produktionsmengen waren viel geringer als die Nachfrage. Im Jahr 1975 kostete ein N-126-Anhänger 28.000 Zloty, das Siebenfache eines durchschnittlichen Gehalts. Allerdings musste man schon sehr viel Glück haben, um ihn zum Einzelhandelspreis zu kaufen. Der Anhänger N-126 wird auch heute noch hergestellt und ist eines der wenigen Produkte aus polnischen Fabriken, die seit mehr als 50 Jahren ununterbrochen verkauft werden.


PAP/sb