Deutsche Redaktion

Praga - ein Sinnbild für das heutige Polen

07.11.2023 10:00
Der berüchtigte Warschauer Stadtteil zieht Kreative, Studenten und Nachtaktive an. Künstler nutzen die Hausfassaden für ihre bunte Street Art.
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Alte Brgerhuser, ein wenig verkommen, aber noch in Funktion.
Alte Bürgerhäuser, ein wenig verkommen, aber noch in Funktion. Bogdan Skaskiv/Shutterstock.com

Westlich der Weichsel imponiert Warschau den Besuchern mit immer neuen Wolkenkratzern, edlen Shoppingcentern und restaurierten Schlössern. Und im Osten? Da liegt Praga - ein Stadtteil, in dem die Zeit scheinbar stehen geblieben ist. Praga, das sind bröckelnde Gründerzeithäuser, die vom Vorkriegswarschau zeugen. Das sind vom Aufschwung abgehängte Bewohner, die in slumartigen Verhältnissen leben. Einen Lichtblick bieten oftmals nur die selbstgebauten Marienaltäre im Hinterhof.

Doch vielleicht ist Praga gerade deshalb schwer im Kommen: Der wilde Osten zieht Kreative, Studenten und Nachtaktive an, die dort eine Nische finden. Künstler nutzen die Hausfassaden für ihre bunte Street Art. Vom Krieg verschonte Straßenzüge dienen Hollywood-Regisseuren als realistische Freiluftkulisse. Alte backsteinerne Fabriken werden zu Kulturlocations revitalisiert. Und die jungen Hipster tanzen in den angesagtesten Klubs der Stadt.

Praga - ein Sinnbild für das heutige Polen, zwischen kommunistischen Altlasten und dem Aufbruch ins moderne Europa, zwischen angestaubter Gläubigkeit und progressivem Zeitgeist. Doch selbst dieses Kleinod wird immer mehr von der Gentrifizierung erfasst. Und manche zweifeln ernsthaft daran, dass die Kultur es schafft, Praga auf die Beine zu helfen.

Eine Reportage von Wojciech Siniawski.