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„Es war herzerwärmend“ - Thomas Manns Besuch in Warschau

21.01.2025 10:08
„Das Kant- und Kafka-Jahr ist vorbei, willkommen im Thomas-Mann-Jahr!“ - schrieb Anfang Januar die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Der deutsche Nobelpreisträger von 1929 vereint dieses Jahr gleich zwei runde Jahrestage auf sich. Das neugierige Lesepublikum erwartet daher gleich eine Vielzahl von neuen biographischen Studien über den wohl vorzüglichsten Prosaiker deutscher Sprache. Aber in fast all diesen Büchern bleibt eines unerwähnt: Thomas Manns Warschau-Besuch im März 1927.
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Tomasz Mann (1875-1955)
Tomasz Mann (1875-1955)Scherl/SZ-Photo/Forum

Der erste Höhepunkt des Festjahres 2025 ist der 6. Juni, Thomas Manns 150. Geburtstag. Zwei Monate später ist sein 70. Todestag. Letzteres hat zur Folge, dass seine Texte nach diesem Datum „gemeinfrei“ werden, folglich von jedem beliebig nachgedruckt und aufgeführt werden können. Dies ist also die letzte Gelegenheit für den Verlag S. Fischer, zu dessen Longsellern Kafka und eben auch Mann gehören, noch einmal druckfrische Ausgaben der Hauptwerke sowie auch neue Bücher über den Autor auf den Markt zu bringen.

Trotz der wichtigen Jahrestage wird in den Biografien ein Ereignis lediglich am Rande abgehandelt. Thomas Mann war nämlich ein erklärter Polen-Freund. Die Jahre in der Weimarer Republik wurden für den Schriftsteller zu einem entscheidenden Lernvorgang. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte er versucht, sich als einen über den Parteikämpfen schwebenden kritischen Intellektuellen zu definieren. Während er noch 1918 mit seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ ein eher konservativ-reaktionäres Weltbild entfaltet hatte, begann er sich in den 1920ern allmählich von den eigenen Positionen zu lösen.

Thomas Manns Warschau-Besuch im März 1927 hinterließ viele Spuren und wurde schnell zum Politikum. Er besuchte die polnische Hauptstadt in einer Zeit, in der die deutsch-polnischen Beziehungen erheblichen Belastungen ausgesetzt waren. Der sog. Zollkrieg hatte die Fronten noch einmal verhärtet. Manns damalige Unterstützung für die junge polnische Staatlichkeit sowie sein Engagement für die deutsch-polnische Aussöhnung waren nicht selbstverständlich und sind deshalb als besonders wertvoll zu erachten. Von seinem dreitägigen Aufenthalt in Polen ging eine ganze Reihe von wichtigen Impulsen aus. Und dennoch: Auch ein Genie ist vor Fehltritten nicht gefeit. Wojciech Osiński berichtet.