Deutsche Redaktion

Vier interessante Jahre

15.10.2019 11:42
Endlich würden im Parlament Diskussionen über wichtige Themen geführt werden, und sich nicht ausschließlich auf den beiden größten Parteien und ihrer verfeindeten Rhetorik konzentrieren, meint das größte Nachrichtenportal Wirtualna Polska.
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Dziennik Gazeta Prawna: Polnische Wähler sind immun gegen Skandale

Zwei Tage nach den Wahlen schreibt das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna, dass obwohl der Wahlkampf kurz, langweilig und vorhersehbar war, so konnte man jedoch mehrere wichtige Beobachtungen machen. Die Wichtigste, so das Blatt, sei, dass an der Macht zu sein, keine Konsequenzen nach sich ziehe.

Während der Kampagne suchten die Opposition und viele Beobachter einen Wendepunkt in Form schwerer Skandale, der den politischen Tisch umstürzen würde. Die PiS, überzeugt das Blatt, lieferte darüber hinaus eine ganze Menge Vorwände für einen solchen Umsturz. Wie zum Beispiel durch Familienflüge des Sejm-Marschalls mit Regierungsflugzeugen oder den jüngsten Skandal um das kontroverse Mietshaus des Kandidaten für den Posten des Chefs der Obersten Kontrollkammer (NIK). Trotzdem sei die Position der Regierungspartei in der letzten Kampagne in Umfragen kein einziges Mal zusammengebrochen. Hierzu haben mehrere Faktoren beigetragen, argumentiert das Blatt abschließend. Die PiS nutze vor allem geschickt die gute Wirtschaftslage Daher spürten die meisten Wähler, trotz der Skandale, nicht das Bedürfnis, die Machthaber zu wechseln.

Wp: Vier interessante Jahre

Der Journalist Marcin Makowski schreibt indessen für eines der größten Internetportale Polens, Wirtualna Polska, dass uns mit dem neuen Parlament die aufregendste Zeit seit Jahren bevorstehe. Makowski lobt zu Beginn die höchste Wahlbeteiligung in der polnischen Geschichte der freien Wahlen. Polen haben Grund, stolz und glücklich darüber zu sein. Im neuen Sejm sei nach diesem Wahlrekord eine große und umfassende Vertretung aller Parteien vertreten. Der Wahlsieger PiS habe zudem nur eine kleine Mehrheit, bemerkt Makowski, die die Partei zu einer vorsichtigeren Politik zwingen werde. Die gegenwärtige politische Szene Polens, heißt es weiter, zeige darüber hinaus die authentische Repräsentation und hörbare Stimme des gesamten Spektrums von Ansichten, Weltanschauungen, ökonomischen oder ökologischen Konzepten. Das alles führe, überzeugt der Journalist, zu einem viel gesünderen System als noch vor vier Jahren. Endlich würden im Parlament Diskussionen über wichtige Themen geführt werden, und sich nicht ausschließlich auf den beiden größten Parteien und ihrer verfeindeten Rhetorik konzentrieren. Man werde jetzt von niedrigeren Steuern hören, über Kohle und Ökologie streiten, oder mit einer Welle von Debatten über die Liberalisierung des Abtreibungsrechts zu tun haben. Die politische Klasse müsse diese Streitigkeiten gereift durchstehen, heißt es weiter, weil man diese Themen sowieso nicht ewig vermeiden könne. Alle medialen Geschichten über das Ende von Demokratie und den Anbruch des Autoritarismus könne man somit als Ammenmärchen abtun.

Die Zeit der Ausreden sei somit vorbei, überzeugt der Journalist als Fazit für das Internetportal und ist davon überzeugt, dass die neuen vier Jahre politisch gesehen ohne Zweifel reifer sein werden, so Makowski für Wirtualna Polska.

Rzeczpospolita: Instabilität vor den Präsidentschaftswahlen

In der Rzeczpospolita lobt Michał Szułdrzyński die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Sie habe einen beispiellosen Erfolg und das höchste Ergebnis nach 1989 bei den Wahlen zum Sejm mit absoluter Rekordbeteiligung erzielt. Im nächsten Satz allerdings bemerkt der Journalist, dass die politische Szene in eine Phase der Instabilität eingetreten sei. Das liege unter anderem daran, dass die PiS die erste Partei in der Dritten Republik sei, die eine Mehrheit nur im Sejm, jedoch nicht mehr im Senat hat. Dies bedeute, dass die gesetzgeberischen Aktivitäten des Parlaments verzögert und den Machthabern auf diese Weise Steine in den Weg gelegt werden könnten.

In dieser Situation, so Szułdrzyński, werde die Präsidentschaftswahl nun zu einem Kampf um alles. Das wichtigste Ziel der Regierungspartei in naher Zukunft sei daher ab jetzt die Wiederwahl von Andrzej Duda zum Staatspräsidenten. Im Kampf um den Präsidentenpalast müsse die PiS sich somit ab jetzt darauf konzentrieren mehr als die Hälfte aller Wähler und nicht ausschließlich ihre treue Wählerschaft zu überzeugen. Die verschärfte Sprache in den letzten Tagen des Wahlkampfs und die grobe Propaganda des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP, könnte allerdings gemäßigte Wähler abgeschreckt haben. Und genau diese Wähler, lautet Szułdrzyńskis Fazit für das konservative Blatt, bräuchte die PiS um Andrzej Dudas Wiederwahl zu erreichen.


Piotr Siemiński