DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Wahlkampfsucht
Die Parlamentswahl ist vorbei. Sofort nach Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse haben aber viele Politiker, und mit Ihnen auch die Medien, auf Präsidentschaftswahl-Modus umgestellt. Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna bezieht sich in der heutigen Ausgabe auf die Ergebnisse einer neuen Meinungsumfrage. Dieser sei zu entnehmen, dass sich viele Wähler der jetzigen Opposition die Rückkehr des ehemaligen Premierministers und amtierenden Chefs des EU-Rates, Donald Tusk, in die polnische Politik wünschen würden. Das Blatt fragt zugleich, ob es aber in den Oppositionsreihen keinen anderen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr gebe.
Die Wahl des Kandidaten, der gegen den amtierenden Präsidenten Andrzej Duda im nahenden Wahlkampf auftreten könnte, spiele für die Oppositionsseite momentan eine Schlüsselrolle, urteilt Dziennik/Gazeta Prawna. Tusk selbst teile diese Ansicht. In seinem Kommentar nach den Wahlen in Polen sagte er, die Opposition müsste einen Kandidaten finden, der im Stande wäre, die schwankenden Wähler für sich zu gewinnen. Er fügte zugleich hinzu, dass er nicht sich selbst gemeint habe.
Die Bedeutung der Präsidentschaftswahl sei klar, doch die Lage in den Oppositionsreihen, so das Blatt, sei sehr angespannt. Zwar habe die Opposition die Parlamentswahl verloren, sie habe aber mehr Wähler als die Regierungspartei, was bedeute, dass sie bei der Wahl des Präsidenten nicht chancenlos sei. Doch bevor man den Kandidaten vorstelle, müsse die größte Oppositionspartei Bürgerplattform die Lage in den eigenen Reihen klären. Geht es nach dem Blatt, sei diese sehr kompliziert. Die Kritik des aktuellen Parteiführers werde immer hörbarer. Die Tatsache, dass die Opposition jedoch eine Mehrheit im Senat erreicht habe, stelle für Grzegorz Schetyna eine Art Alibi dar. Außerdem werde er seinen Posten mit Sicherheit nicht freiwillig räumen, lesen wir.
Gestern Abend habe sich die PO-Parteispitze versammelt, informiert die Tageszeitung weiter. Der Unmut vieler Politiker der Bürgerplattform über die verlorene Parlamentswahl sei sehr groß. Noch größer sei aber die Unzufriedenheit über den schwach durchgeführten Wahlkampf. Die wichtigste Frage laute daher, ob Parteichef Schetyna seinen Posten bis zum Ende seiner Amtszeit behalten werde – diese laufe im Februar aus. Viele Politiker wünschten sich eine Beschleunigung, damit sich die Partei so schnell wie möglich auf den Präsidentschaftswahlkampf konzentrieren kann, so Dziennik/Gazeta Prawna.
FAKT: Abendliches Gespräch
Auch unter Politikern der Regierungspartei sei eine gewisse Spannung spürbar, berichtet indes die Tageszeitung Fakt. Davon zeuge unter anderem ein unerwartetes Treffen von Parteichef Jarosław Kaczyński und Premierminister Mateusz Morawiecki in der Villa des Regierungschefs. Am Dienstagabend, berichtet das Blatt, habe der Parteichef die Kirche besucht, sich danach aber nicht nach Hause, sondern in die Regierungsvilla fahren lassen. Kurz davor sei in dem Haus Premierminister Morawiecki erschienen.
Worüber sich die wichtigsten Politiker der Regierungspartei unterhalten haben, sei unklar. Er wisse es nicht, sagt im Gespräch mit dem Blatt Michał Dworczyk, Minister in der Kanzlei des Regierungschefs. Das Treffen habe aber kurz nach den kritischen Aussagen der PiS-Koalitionspartner über den umstrittenen Chef der Höchsten Kontrollkammer NIK stattgefunden. Forderungen nach seinem Rücktritt würden immer lauter, er selbst wolle den Schritt jedoch nicht machen, so Fakt.
TYGODNIK POWSZECHNY: Wo sind Kritiker von gestern?
In der Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny bezieht sich der Publizist Ryszard Koziołek auf den Literaturnobelpreis für Olga Tokarczuk. Vergangene Woche hatte die Schwedische Akademie in Stockholm die Verleihung des Nobelpreises für Literatur für das Jahr 2018 an die Polin bekanntgegeben, "für ihre narrative Vorstellungskraft, die, in Verbindung mit enzyklopädischer Leidenschaft, für das Überschreiten von Grenzen als einer neuen Lebensform steht". Der Publizist sei über diese Auszeichnung sehr glücklich, er habe aber auch ein gutes Gedächtnis, schreibt er.
Eben aus diesem Grund sei er nicht damit einverstanden, dass erst die Entscheidung des Nobelkomitees den Polen klar mache, welch gute Schriftstellerin sie im eigenen Land hätten. Nun sei es an der Zeit, den Kulturminister auszulachen, der öffentlich zugegeben habe, er habe die Lektüre der Romane von Tokarczuk aufgegeben, werde aber jetzt seine Rückstände aufholen. Der Publizist erinnere sich noch ganz gut, dass es in den vergangenen Jahren an Skeptikern und verbissenen Kritikern der Prosa der frischgebackenen Nobelpreisträgerin nicht fehlte. Der Kulturminister sei darüber hinaus nicht der erste, der ihre Bücher nicht zu Ende gelesen habe.
Selbst unter den Bewunderern des Talents von Olga Tokarczuk habe es solche gegeben, die bei den vielen thematischen und formellen Wendungen der Schriftstellerin in den vergangenen 30 Jahren einfach nicht mithalten konnten, schreibt Ryszard Koziołek in Tygodnik Powszechny.
Autor: Jakub Kukla