Deutsche Redaktion

Bürgerplattform in Urwahl-Falle

21.11.2019 12:34
Nachdem der Stadtpräsident von Poznań Jacek Jaśkowiak am Dienstag überraschend seine Beteiligung an der Urwahl angekündigt hat, in der die Bürgerplattform ihren Kandidaten für den Präsidentenposten wählen will, hat Małgorzata Kidawa-Błońska wider erwarten nun doch noch einen Gegenkandidaten. Die Kommentare zu unter anderem diesem Thema in der Presseschau.  
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Rzeczpospolita: Bürgerplattform in Urwahl-Falle

Dank dieser Kandidatur konnte die Bürgerplattform um Haaresbreite noch eine Blamage verhindern, schreibt in seinem Kommentar zur unerwarteten Wende der Publizist der konservativen Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński. Die Urwahlen, erinnert der Autor, seien als großes Medienspektakel gedacht worden, das zwei Probleme lösen sollte. Das erste habe sich auf die ganze Partei bezogen: die öffentlichen Debatten der Kandidaten, so die Absicht der Organisatoren, sollten ein Fest der innerparteilichen Demokratie werden und die Position der PO in der Opposition stärken. Das zweite Problem sei ein persönliches Problem von Parteichef Schetyna gewesen - die Wahlen, lesen wir, würden Schetyna helfen, die innerparteilichen Abrechnungen nach den misslungenen Parlamentswahlen hinauszuzögern und ihm mehr Zeit geben, sich auf die anstehende Wahl des Parteichefs vorzubereiten. Hätte sich kein Gegenkandidat gemeldet, würden die parteiinternen Abrechnungen viel schneller beginnen, was für Schetyna extrem ungünstig käme. Daher sei das Erscheinen von Jaśkowiak sowohl für die Bürgerplattform, als auch für ihren Vorsitzenden Rettung in letzter Sekunde gewesen, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Kidawa-Błońska ist nicht mehr allein

Die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie deutet in ihrem Kommentar indes an, dass die meisten potentiellen Gegenkandidaten von Kidawa-Błońska die neulichen Worte der Ex-Spitzenpolitiker der Bürgerplattform Radosław Sikorski und Jacek Protasiewicz abgeschreckt haben könnten. Die beiden Politiker hätten offen zugegeben, dass die Urwahlen, die 2010 in ihrer Partei stattgefunden haben, unfair verlaufen seien, da die Parteispitze ihren Favoriten gehabt habe. Der Beweis: Als Sikorski 2010 Protasiewicz darum gebeten habe, ein Treffen mit Parteimitgliedern aus Schlesien zu organisieren, habe Schetyna dies torpediert. Die Mitarbeiter des heutigen Parteichefs, also der Schatzmeister und der Parteisekretär hätten die Mittel für die Veranstaltung blockiert und bei dem Treffen seien nur Politiker aus Wrocław erschienen, da alle anderen die Information erhalten haben, dass der Regionalchef sich ein solches Treffen nicht wünscht, so Gazeta Polska Codziennie. 

 

Gazeta Wyborcza: Koalitionspartner finden moralisches Rückgrat wieder

Die linksliberale Gazeta Wyborcza macht auf ihrer Titelseite auf die sich in die Länge ziehenden Koalitionsverhandlungen in der Vereinigten Rechten und die Probleme der Regierungspartei zum Auftakt ihrer zweiten Amtszeit aufmerksam. Nach dem, wie es offiziell hieß “großen Wahlerfolg” habe die Recht und Gerechtigkeit, die noch vor vier Jahren mit ihrer Effektivität imponierte, gleich zwei schmerzhafte Niederlagen erlitten, schreibt in seiner Analyse der Publizist Paweł Wroński. Den eigenen Ankündigungen zum Trotz habe die PiS den Senat verloren. Ihr Koalitionspartner Jarosław Gowin habe indes sein politisches Rückgrat wiederentdeckt und die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes zur Abschaffung des Limits für Sozialabgaben blockiert. Metaphorisch gesprochen, sei das zwar noch nicht Stalingrad, aber Moskau auf jeden Fall. Und es zeige das Ende einer gewissen Epoche. Denn mit bloßem Auge sei zu sehen, dass die Regierungspartei kein Rezept für die anstehende Krise habe und zudem auch einen Teil ihrer ehemaligen Machtinstrumente vermisse, da ihre Koalitionspartner zu ihrer Unabhängigkeit zurückgefunden haben, so Paweł Wroński in der Gazeta Wyborcza.

 

Rzeczpospolita: USA und Polen - Liebe mit Grenzen

Die Liebe der Regierenden zu den USA hat dazu geführt, dass manche Amerikaner Polen mittlerweile als ihre Kolonie behandeln, in der ihnen Sonderrechte zustehen, schreibt in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Neuestes Beispiel: In einem Brief an den Premierminister Polens, eines der wichtigsten Länder Europas, hätten zwei Kongressmänner neulich gefordert, dass Polen die Steuern für die Förderung von Mineralien senkt, da eine amerikanische Firma in die Förderung von Kupfer in Polen investieren wolle. Wie in dem Brief zu lesen gewesen sei, könne es keine engere Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich geben, wenn Amerika nicht auch auf mildere Regeln auf dem polnischen Markt zählen könne. Die Absender, betont Haszczyński, seien zweitrangige Politiker der regierenden Republikanerpartei.

Wieso habe sich ein politischer Grünschnabel aus Kalifornien dazu berechtigt gefühlt, Druck auf den polnischen Regierungschef auszuüben? Die Antwort sei leider simpel: die polnische Regierung, so der Publizist, habe ihn dazu ermutigt. Vermutlich habe er erfahren, dass die Interventionen der US-Botschafterin manchmal erfolgreich seien und das sie wie ein gleichberechtigter Partner gemeinsam mit dem polnischen Staatspräsidenten auftrete. Oder, dass Polen die Visite von Mike Pence mit dem Verzicht auf die angekündigte Digitalsteuer für amerikanische Internetgiganten gefeiert habe. Er habe vielleicht auch von den Lobhudeleien für Waffen “made in USA” gehört, die polnische Politiker noch vor dem Abschluss der Preisverhandlungen geäußert hätten. Auch Allianzen und Partnerschaften die auf Sicherheitsinteressen und einer Wertegemeinschaft begründet seien, müssten ihre Grenzen haben. Vor allem in einem Land, in dem die Regierungspartei so viel von Souveränität und Würde spreche, so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. 

 

Autor: Adam de Nisau