Deutsche Redaktion

Wie wichtig ist Religion?

23.12.2019 11:52
Welche Rolle sollte Religion im politischen Leben spielen? Braucht der Mensch Grenzen? Unter anderem diese Erwägungen beschäftigen heute die Presse in Polen.
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DO RZECZY: Richtige Stellung der Religion

In seinem Einleitungsartikel in der Weihnachtsausgabe der Wochenzeitschrift Do Rzeczy bezieht sich Chefredakteur Paweł Lisicki auf die jüngste Aussage des amerikanischen Präsidenten. Donald Trump habe biblische Verse zitiert und Jesus als ein nachahmenswertes Beispiel der Nächstenliebe genannt. Man sehe also, dass der US-Präsident davor nicht abschrecke, die Sprache der Religion mit der gängigen Politik zu vermischen. Dies sei ein sehr gutes Zeichen, stellt Lisicki fest. Der Publizist bereue zugleich, dass eine ähnliche Rede kein hochrangiger europäischer Politiker gehalten habe: weder der französische Präsident, oder die Bundeskanzlerin, noch die Premierminister Spaniens, Italiens oder Portugals. Er sei nicht naiv, schreibt Lisicki weiter, und wisse genau, dass die Ankündigungen der Politiker sehr oft nicht viel mit ihren späteren Taten gemeinsam hätten. Donald Trump sei in diesem Kontext keine Ausnahme. Während er öffentlich von christlichen Werten spreche, unterstütze seine Administration die LGBT-Szene und mache aus Amerika den weltweit wohl wichtigsten Promotor von Gender-Ideologie.

Trotz der eben genannten Vorbehalte sehe Lisicki aber mindestens zwei Punkte bei denen Donald Trump sich als Beschützer der konservativen Ideen präsentiere. Erstens habe er weitgehend die Finanzierung der Abtreibungskliniken in der USA gekürzt. Er habe zugleich die Unterstützung von Organisationen aufgegeben, die sich für die Werbung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen. Darüber hinaus stehe Trump für eine traditionell verstandene Aussagefreiheit, er verstehe, dass die Bekämpfung der Hassrede nicht durch Einführung von Zensur ersetzt werden dürfe.

Er wolle jedoch nicht, schreibt Lisicki weiter, die Vor- und Nachteile der Administration von Donald Trump analysieren. Trotz ihrer Fehler und Schwächen sei ihr etwas wichtiges gelungen: und zwar eine öffentliche Hervorhebung des Weihnachtsfestes. Worte und Gesten hätten eine besondere Kraft, meint Lisicki. Sie würden die politische Wirklichkeit kreieren, deshalb müsse man die Aussage von Trump schätzen und unterstreichen. Umso mehr, dass immer öfter in Polen von der Entchristianisierung des öffentlichen Raums gesprochen werde. Es gebe Menschen die das Kreuz im Parlament, staatliche Feierlichkeiten in Gegenwart von kirchlichen Würdenträgern oder die Teilung der Weihnachtsoblate in öffentlichen Institutionen störe. Laut Lisicki seien es erste Anzeichen vom Nihilismus, der große Teile des Westens bereits verwüstet hatte, und der letztendlich zur Beschränkung der Religionsfreiheit und zur Verachtung des menschlichen Lebens führe, so Chefredakteur Paweł Lisicki in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.

 

RZECZPOSPOLITA: Lob der Grenze

In der neuen Ausgabe der Tageszeitung Rzeczpospolita schenkt der Philosoph Marek A. Cichocki viel Aufmerksamkeit dem Phänomen von Grenzen. Menschen, die sich als fortschrittlich ansehen, würde oft den Fortschritt mit einer Überwindung von Grenzen gleichstellen. Die Grenze sei in diesem Kontext das Schlimmste was vom Menschen ausgedacht wurde. Im osteuropäischen Kontext könne er diese Denkweise ohne weiteres nachvollziehen. Bis 1989 seien unter anderem die Polen im Rahmen der Staatsgrenzen eingesperrt gewesen. Aber auch mental lebten sie gefangen in den Grenzen der kommunistischen Ideologie. Aber einzig und allein aus diesem Grund die Feststellung zu wagen, dass nun die Polen in einer Welt ohne Grenzen zu leben wollten, sei absurd. Die Polen hätten erfahren, was es bedeute, wenn Grenzen aufgezwungen oder mit ganzen Nationen einfach verschoben werden, deshalb seien sie sehr empfindlich in Bezug auf dieses Thema.

Aber nicht nur die Polen, stellt Cichocki fest und nennt das Beispiel der Europäischen Union. In der EU werde ohne Begrenzungen mit Waren, Dienstleistungen und Kapital gehandelt, und die Menschen können überall arbeiten. Fälschlicherweise beschreibe man diese Entwicklung als das Aufheben von Grenzen. Der Verzicht auf Grenzkontrollen bedeute doch aber nicht, dass die Grenzen verschwunden seien. Ganz im Gegenteil: der Verzicht auf Grenzkontrollen sei ein Zeichen vom Vertrauen und zeige zugleich die tiefere Bedeutung der Begrenzungen, die sich in der eigenen Verantwortung und im Respekt vor anderen Menschen manifestieren. Das menschliche Leben bedeute, dass man immer wieder Grenzen setzen müsse. Deshalb betrachte er Aussagen, die eine Welt ohne Grenzen bejubeln, als „unmenschlich“, so Marek A. Cichocki in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

 

DZIENNIK: Duda ist erster

Auch kurz vor Weihnachten bleibt die Politik ein spannendes und gern aufgegriffenes Thema in der Presse. Besonderes elektrisierend sei neben der Justizreform auch die Präsidentschaftswahl. Ein halbes Jahr vor der Wahl bleibe der amtierende Präsident der Favorit, meint die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Einer neuen Meinungsumfrage sei zu entnehmen, dass fast 47 Prozent der Befragten ihre Stimme für das amtierende Staatsoberhaupt Andrzej Duda abgeben würden. Die Kandidatin der größten Oppositionspartei Małgorzata Kidawa-Błońska hätte mit etwas mehr als 22 Prozent den zweiten Platz belegt. Auf dem Podium gäbe es noch Platz für den Kandidaten der Bauernpartei Władysław Kosiniak-Kamysz mit seinen 9 Prozent. Dem zentristischen Politiker folgen Adrian Sandberg von den Linken (etwas über 8 Prozent) und der bis vor kurzem Journalist und aktuell Präsidentschaftskandidat Szymon Hołonia (fast 8 Prozent), berichtet Dziennik/Gazeta Prawna.

Jakub Kukla