Newsweek.com: EU missbraucht Rechtsstaatlichkeit als Disziplinierungsmechanismus
Der Streit zwischen Polen und Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit ist auch ein Thema in der amerikanischen Presse. Die EU versucht derzeit den Wiederaufbau-Fonds dazu zu nutzen, die konservativen Regierungen in Polen und Ungarn zu disziplinieren und riskiert dafür die finanzielle Stabilität des ganzen Kontinents, schreibt dazu in seiner Stellungnahme für die amerikanische Ausgabe von Newsweek der spanische Publizist Jorge Gonzalez-Gallarza. Wie der Autor erinnert, erfordern die EU-Traktate “Rechtsstaatlichkeit” von Staaten, die der Gemeinschaft beitreten und Mitglied bleiben wollen. Aber, wie so oft in solchen Fällen sei die Definition des Begriffs vage, von den üblichen Allgemeinplätzen über unabhängige Gerichte und der Möglichkeit, willkürliche Entscheidungen anzuklagen abgesehen.
Zum Verdruss der Euro-Föderalisten, die unsere extrem unterschiedlichen Systeme in ein gemeinsames EU-Justizsystem verwandeln wollten, so der Autor, würden die Traktate nicht explizit solche Details diktieren, wie etwa die Nominierungs-Prozedur für Verfassungsrichter und wie deren Mandat reguliert werden sollte. Das wiederum erschwere die Festlegung eines Benchmarks für Rechtsstaatlichkeit unter Staaten, die im Vergleich zum Rest der Welt alle gute Beispiele von ihr seien, erheblich. Diese Vagheit werde nun als Knüppel gegen Staaten genutzt, deren primäre Schuld nicht legal sondern politisch sei, darunter Polen.
Der Streit habe, wie der Publizist erinnert, 2015 begonnen, als die linksliberale Bürgerplattform nach dem Verlust ihres Präsidenten, zum Ende der Parlaments-Amtszeit noch versucht habe, fünf neue Richter in den Obersten Gerichtshof einzuschleusen, was der neue Staatspräsident Andrzej Duda blockiert habe. Dies wiederum habe unter anderem dazu geführt, dass die verbitterte polnische Opposition ihrerseits eine Reihe von ausländischen NGO´s und brüsseler Bürokraten in den Kampf um die angebliche Zerstörung demokratischer Normen eingespannt habe. Und schließlich auch zur Einleitung der Rechtsstaatlichkeitsprozedur gegen Polen im April 2019.
All diese Entscheidungen könne man letztendlich auf eine tief verwurzelte Antipathie gegen konservative Regierungen zurückführen. Natürlich, über die richtige Ordnung des unabhängigen Gerichtswesens könne man rational streiten. Doch heute setze die EU den hart umkämpften Deal vom Juli aufs Spiel. Und das auf der Grundlage von Kriterien, die nirgendwo in den EU-Traktaten festgelegt worden seien. Wenn das stark an Erpressung erinnere, dann deswegen, weil es Erpressung sei.
Klarer, als jemals zuvor, habe die EU gezeigt, wie weit sie gehen wolle, um Staaten zu disziplinieren, die ihre proto-föderalistische, hyper-liberale Richtung und ihr one-size-fits-all Diktat nicht akzeptieren wollten. Auf Gedeih und Verderb liege die Zukunft der EU als kollaborativer Union souveräner Nationalstaaten - und nicht als eines Strafmechanismus gegen Konservative - in den Händen zweier Regierungschefs. Es bleibe zu hoffen, dass sie stark bleiben.
Gazeta Wyborcza: Coronavirus außer Kontrolle
Nach der Bekanntgabe der neuen Einschränkungen für die Touristik-Branche und der so genannten 100 Tage der Solidarität erntet die Regierung Morawiecki in den heutigen Presseausgaben viel Kritik. Einer der Gründe: Die Anordnung, laut der die regionalen Sanitärinspektionen keine Statistiken zu Neuinfektionen mehr publizieren werden.
Das bedeute, wie die linksliberale Gazeta Wyborcza in ihrem heutigen Aufmacher schreibt, dass man nicht mehr werde überprüfen können, ob die vom Gesundheitsministerium gemeldeten Zahlen mit denen aus den regionalen Behörden übereinstimmen. Und eben eine solche Verifizierung habe schon im Sommer Unstimmigkeiten gezeigt: In Schlesien hätten über 1 000 Infektionen gefehlt. Vor kurzem habe sich herausgestellt, dass in Mazowsze um Warschau über 10 000 Infektionen “abhanden gekommen sind”, erinnert Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: Der ständige Wechsel in Berichterstattung schüren Verschwörungstheorien
Die Änderung der Berichterstattung findet einen Tag danach statt, nachdem der geschäftsführende Hauptsanitärinspektor zugegeben hatte, dass landesweit 22 594 vorher nicht gemeldete Fälle verlorengegangen sind. Aber auch an einem Tag, an dem die Zahl der Infektionen auf 10,1 Tausend gefallen ist - einen Wert, den es seit Ende Oktober nicht mehr gab, beobachtet die konservative Rzeczpospolita. “Ein solcher Fall der Infektionen ist nicht nur statistisch aber auch medizinisch gesehen sehr unwahrscheinlich”, sagt der Autor einer bürgerlichen Datenbank Michał Rogalski, der nun den Zugriff auf die Statistiken der Sanitätsbehörde, auf denen er seine Analysen stützte, verliere. “Das, was heute mit den Daten geschehen ist, hat in gewisser Weise ihre Glaubwürdigkeit untergraben”, zitiert Rzeczpospolita Rogalski.
Autor: Adam de Nisau