Deutsche Redaktion

"Der Westen sendet zwei falsche Signale"

21.04.2023 08:00
Kurz, nachdem Frankreichs Staatspräsident Macron die Machthaber in Peking mit Aussagen zu Taiwan entzückt habe, erhalte Ex-Bundeskanzlerin Merkel nun die bedeutendste politische Auszeichnung. Und zwar von einem Politiker, der sich an der verheerenden deutschen Ostpolitik maßgeblich beteiligt hat. Außerdem: Wie ticken die jungen Polen, die über den Ausgang der anstehenden Parlamentswahl entscheiden könnten? Und: Die Mutter des georgischen Staatspräsidenten Micheil Saakaschwili nimmt Stellung zu den Ursachen seiner Inhaftierung. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Niemiecki think tank: odznaczenie dla Merkel to pomyłka
Niemiecki think tank: odznaczenie dla Merkel to pomyłkaDrop of Light/Shutterstock

TYGODNIK POWSZECHNY: Wie sehen junge Polen die Politik?

15 Prozent der polnischen Wähler sind Menschen unter 30. Es sei jene Gruppe, die zum großen Teil über den Ausgang der Parlamentswahl im Herbst entscheiden könnte, urteilt die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny. Wie die jungen Polen seien habe unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht. Das Bild sei nicht eindeutig, stellt TP fest. Drei Viertel der jungen Polen seien gläubig. Genauso viele würden sich selbst als Singels beschreiben oder in freien Beziehungen leben. Etwa die Hälfte plane, Kinder zu haben. Nur 37 Prozent der jungen Polen würden sich aber für eingeschlechtliche Ehepaare aussprechen, die Mehrheit strebe auch keine Liberalisierung des Abtreibungsrechts an. Für über 60 Prozent der Befragten sei die politische Aufteilung in Links und Rechts veraltet. Das Wissen über Politik würden sie in erster Linie aus dem Internet beziehen - nur eine ganz kleine Gruppe habe das Fernsehen und Zeitungen als wichtige Informationsquelle genannt. Sie würden an die polnische Demokratie glauben. Sie würden auch keine Angst vor einem Wahlbetrug haben und sähen den Urnengang als ihre bürgerliche Pflicht, lesen wir in Tygodnik Powszechny.

 GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Strafe für harte Politik gegen Russland  

Der Gesundheitszustand des ehemaligen georgischen Staatspräsidenten Micheil Saakaschwili hat sich seit seiner Inhaftierung im Oktober 2021 verschlechtert. Der georgische Politiker verbüßt derzeit eine sechsjährige Haftstrafe. Der ehemalige Präsident und seine Anhänger halten das Verfahren für politisch motiviert. Saakaschwili behauptet auch, von den Behörden vergiftet worden zu sein. Seit seiner Inhaftierung hat er eine Reihe von Hungerstreiks unternommen. Derzeit wird Saakaschwili in einer Klinik in der georgischen Hauptstadt Tbilisi festgehalten. Anfang Februar habe Polens Premierminister Mateusz Morawiecki vorgeschlagen, Saakaschwili in Polen medizinisch zu behandeln.

In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Gazeta Polska nimmt die Mutter des georgischen Präsidenten, Professor Giulia Alasania Stellung zur Inhaftierung ihres Sohnes. Sein gesundheitlicher Zustand sei in der Tat sehr besorgniserregend, stellt sie fest. Die meiste Zeit verbringe er im Bett. Er habe Fieber und Blutdruckprobleme. Er sei eigentlich nicht im Stande, sich allein zu bewegen. Bei seinen 194 Zentimetern wiege er derzeit nur noch 61 Kilogramm.

Die Inhaftierung des ehemaligen georgischen Präsidenten deutet Prof. Alasania als eine Strafe für Saakaschwilis harte Einstellung gegenüber Russland. Moskau sei es 2008 nicht gelungen, die politischen Grundlagen eines unabhängigen Georgiens zu zerstören. Das Land habe sich vor den Russen gewehrt. Selbstverständlich wäre dies ohne Hilfe Europas und der Vereinigten Staaten nicht möglich gewesen. Die jetzige Regierung in Tbilisi sehe die Zukunft des Landes jedoch ganz anders. Es handle sich um eindeutig prorussische Politiker. Sogar der russische Angriffskrieg habe die Einstellung der georgischen Regierung nicht beeinflusst. Und das, obwohl 80 Prozent der georgischen Bürger die Ukraine in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit unterstützen würden, sagt die Mutter des georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili, Prof. Giulia Alasania im Gespräch mit Gazeta Polska.

TYGODNIK POWSZECHNY: Der Westen sendet zwei falsche Signale

Von zwei falschen Signalen schreibt in seinem Kommentar in der Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny der Publizist Wojciech Pięciak. Das erste sei mit dem Verhalten des französischen Staatsoberhaupts und seinen verfehlten Kommentaren über die Beziehungen zwischen Europa und der Vereinigten Staaten verbunden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe vor wenigen Wochen Peking besucht und sich für den freundlichen Empfang mit Äußerungen revanchiert, die seine autoritären Gastgeber wohl entzückt hätten. Noch auf dem Rückflug nach Paris habe der Franzose gewarnt, Europa dürfe nicht zum Vasallen der Vereinigten Staaten verkommen. Eine mögliche Eskalation des Taiwankonflikts wäre nach Ansicht von Macron zudem nicht „unsere“, im Sinne von, keine europäische Krise. Somit habe einer der wichtigsten Politiker der Europäischen Union ein verheerendes Signal gesendet, lesen wir. Es sei, als ob Macron den chinesischen Machthabern gesagt hätte: „Macht mit Taiwan was ihr wollt.“ Die Kontakte mit Europa werde eine eventuelle Invasion doch nicht beeinträchtigen. Zugleich klinge die US-Kritik des Franzosen in Kriegszeiten sehr kindisch. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine habe doch soeben offenbart, dass Europa ohne amerikanische Hilfe militärisch völlig belanglos sei. 

Auch der deutsche Präsident habe einen ungünstigen Moment gewählt, um die Ex-Kanzlerin mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik in besonderer Ausführung auszuzeichnen. Es sei die bedeutendste Auszeichnung, die seit 1951 an Deutsche und Ausländer für Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem oder geistigem Gebiet verliehen werde. Vor Merkel hätten sie nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl bekommen, erinnert der Publizist. Man könne diese Auszeichnung selbstverständlich als eine Würdigung der gesamten 16-jährigen Regierungszeit von Angela Merkel verstehen. Unabhängig davon, was man über ihre politischen Leistungen in anderen Bereichen halte, müsse man aber Merkles Umgang mit Russland als einen schwerwiegenden Fehler einstufen. Es handle sich doch letztendlich um mehrere Fehlentscheidungen, von denen der Bau von Nord-Stream-2 nur eine sei, die der russische Präsident Putin als eine Akzeptanz für seine brutale Politik habe deuten können. In dieser Hinsicht habe, nach Auffassung von Pięciak,  die Bundeskanzlerin versagt. Die Tatsache, dass sie den Orden gerade von Präsident Steinmeier erhalte, der sich an der verheerenden deutschen Ostpolitik maßgeblich beteiligt habe, sei besonders abstoßend, urteilt der Publizist in der Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny.

Autor: Jakub Kukla