Deutsche Redaktion

"Polnisches Verbot kopiert"

20.04.2023 13:03
Die EU-Kommission wird Polen nicht für das Einfuhrverbot für ukrainische landwirtschaftliche Erzeugnisse bestrafen. Ganz im Gegenteil: Sie will es offenbar kopieren und ein ähnliches Verbot auf EU-Ebene einführen. Außerdem: Regierungsnahe Medien loben die Übergabe des Berichts über Kriegsschäden an Bundespräsident Steinmeier, die linksliberalen sprechen von einer Entweihung der gestrigen Gedenkfeier.
Kolejne rozmowy KE z 5 krajami ws. importu żywności z Ukrainy w najbliższy wtorek
Kolejne rozmowy KE z 5 krajami ws. importu żywności z Ukrainy w najbliższy wtorekphotoschmidt/Shutterstock

Rzeczpospolita: Polnisches Verbot kopiert

Die EU-Kommission wird Polen nicht für das Einfuhrverbot für ukrainische landwirtschaftliche Erzeugnisse bestrafen. Ganz im Gegenteil: Sie will es kopieren und ein ähnliches Verbot auf EU-Ebene einführen, schreibt auf ihrer Titelseite die konservativ-liberale Rzeczpospolita. 

Den Vorschlag zur Lösung des Problems des Überangebots von ukrainischem Getreide, erinnert die Zeitung, hatte der Vize-EU-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis bei einer Sitzung mit Delegierten aus Polen und vier anderen an die Ukraine grenzenden Staaten vorgestellt. Die EU-Kommission, lesen wir, wolle das durch Polen und die Ukraine bilateral ausgehandelte Einfuhrverbot für viele Arten von Agrarerzeugnissen durch ein EU-Verbot für Getreide, Mais, Raps und Sonnenblumen ersetzen. Es sei eine Entscheidung, die man sofort realisieren könne und die die fünf Nachbarstaaten der Ukraine betreffe. Der Transit in andere EU- sowie in Drittstaaten wäre vom Verbot ausgeschlossen. Sie würde bis Juni gelten, ähnlich wie das aktuelle polnische Verbot. In Bezug auf andere durch Polen blockierte Erzeugnisse stelle die EU-Kommission ein Klärungsverfahren in Aussicht. Wenn sich herausstelle, dass eine Intervention notwendig ist, könnten etwa Zölle wieder eingeführt werden. Das brauche aber Zeit. Die EU-Kommission erwarte im Gegenzug, dass Polen, Ungarn, die Slowakei und Bulgarien sich aus den einseitigen Entscheidungen zum Einfuhrverbot zurückziehen, berichtet die Rzeczpospolita. 

Gazeta Polska Codziennie: Bundespräsident Steinmeier hat Bericht zu Kriegsschäden erhalten

Deutschlands Staatspräsident hat während seines gestrigen Besuchs in Polen von Vizepremier Piotr Gliński den Bericht zu Polens Kriegsschäden erhalten, informiert ihre Leser die national-konservative Gazeta Polska Codziennie. “Das ist für uns aus vielen Gründen sehr wichtig. Wir zählen auf einen Dialog mit der Bundesrepublik zu diesem Thema”, habe Gliński bei der Überreichung gesagt. Zudem, fährt das Blatt fort, habe Frank-Walter Steinmeier eine Publikation zu polnischen Kriegsverlusten in der Kultur erhalten, in der “verlorene Objekte beschrieben wurden, die nicht wiedergefunden werden konnten“. “Das ist ein weiterer guter Schritt”, lobt die Übergabe im Gespräch mit dem Blatt der PiS-Abgeordnete Jan Mosiński. “Wir”, so der Politiker, “werden nicht nachgeben und die deutsche Seite konsequent dazu überzeugen, einen Dialog zu beginnen, ihre Sünden aus der Vergangenheit einzusehen und diese Sünden wiedergutzumachen. Es gibt keinen anderen Weg zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen”, so der Politiker. 

Gazeta Wyborcza: Reparationen zum Jahrestag

Weitaus weniger enthusiastisch zeigt sich über die Übergabe des Berichts indes der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza Bartosz Wieliński. Die Staatspräsidenten Israels und Deutschlands, so der Autor, seien zum 80. Jahrestag des Ausbruchs des Aufstands im Warschauer Ghetto nach Polen angereist, um dessen Helden und alle Opfer des Holocaust zu würdigen. Der israelische Präsident habe an das Drama seines Volkes erinnert, das Opfer eines Völkermordes geworden sei, und gemahnt, die Wahrheit über den Holocaust in keiner Weise zu relativieren. Der deutsche Bundespräsident habe über die Scham gesprochen, die er spüre und um Vergebung gebeten. Am 19. April 2023, so Wieliński, habe die Welt auf Warschau geschaut, um darüber zu reflektieren, wozu Hass und Gewalt führe. 

Und wie habe Polen dieses globale Interesse genutzt? Nun, die Regierungspratei PiS habe sich die Möglichkeit nicht nehmen lassen, um politisches Gold zu kämpfen. Am Vortag der Feierlichkeiten habe die Regierung auf Antrag von Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk eine Resolution über die "Notwendigkeit, die Frage der Reparationen in den polnisch-deutschen Beziehungen zu regeln" verabschiedet. Und während der Zeremonie habe Vizepremier Gliński Bundespräsident Steinmeier ein Exemplar des Berichts über Kriegsschäden überreicht. 

In dieser Sache, fährt der Autor fort, sei es der Regierungspartei aber nie um die historische Gerechtigkeit gegangen. Niemand in der PiS habe bisher die einfache Frage beantwortet, wie man fast 80 Jahre nach Kriegsende diese sechs Billionen Złoty von Deutschland erkämpfen soll, wenn Berlin nicht bereit sei, sie zu zahlen. Es gebe weltweit kein Gericht, das sich dieser Sache annehmen könnte. Stattdessen gehe es darum, vor den Wahlen die Wähler zu mobilisieren und andere unbequeme Themen, wie etwa das Fiasko rund um die Getreideimporte, zu verdecken. Und darum, die Polen in die guten und diejenigen zu spalten, die mit den Deutschen unter einer Decke stecken, die sich weigern die sechs Billionen Zloty zu zahlen. Es sei klar gewesen, dass die PiS im Wahlkampf zu vielen Gemeinheiten bereit sein werde. Aber er habe nicht vermutet, dass sie den 80. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto entweihen werde, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza. 

Autor: Adam de Nisau