Deutsche Redaktion

"NBP löscht den Glanz des Zloty"

13.09.2023 13:17
Ein wichtiges Thema der heutigen Pressekommentare ist die andauernde und drastische Talfahrt der polnischen Nationalwährung, die die überraschenden Senkung des Leitzinses durch die Nationalbank NBP ausgelöst hatte. Vergangene Woche hatte die Nationalbank diesen, trotz einer weiterhin hohen Inflation, um 0,75 Prozentpunkte auf 6 Prozent gesenkt. Außerdem: TV-Serie "Reset" wirft Ex-Premier Tusk vor, sich nach der Smolensk-Katastrophe mit Russland über Sicherheitsfragen beraten haben zu wollen. Und: Bisher hat ihn noch so gut, wie niemand gesehen, aber die Hexenjagd gegen den Film "Grüne Grenze" ist in vollem Gange. 
Z raportu NBP wynika, że w tym roku średnioroczna inflacja w Polsce wyniesie 11,9 procent,
Z raportu NBP wynika, że w tym roku średnioroczna inflacja w Polsce wyniesie 11,9 procent,Shutterstock/Skorzewiak

Rzeczpospolita: NBP löscht den Glanz des Zloty

Nach der überraschenden Zinssenkung erreicht der Wechselkurs der polnischen Währung einen Tiefpunkt, mit potentiell negativen Folgen sowohl für Unternehmer, als auch die Frankenkreditnehmer, schreibt dazu in ihrem Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospollita. In wenigen Tagen, lesen wir, habe der Zloty um 4 Prozent nachgegeben - mehr als jede andere der über 30 wichtigsten Währungen weltweit - und dabei in kurzer Zeit all das verloren, was er zuvor in vier Monaten (von April bis Juli) an Wert gewonnen habe. Der Rückgang des Zloty-Kurses sei mit den drastischen Rückgängen vergleichbar, die dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und dem Beginn der Pandemie folgten. Alles wegen der überraschenden Entscheidung des Rates für Geldpolitik, den Leitzins, trotz einer Inflation, die das Ziel der Zentralbank um das Vierfache übersteigt, deutlich zu senken.

Theoretisch, so das Blatt weiter, könnte die Abwertung der Nationalwährung den Exporteuren zugutekommen. In der Praxis jedoch, werde sie vielen Unternehmen schaden. Denn exportorientierte Branchen seien oft auch importabhängig, und ein schwächerer Zloty bedeute steigende Preise für importierte Rohstoffe, sagt der Chefökonom der Nationalen Handelskammer, Piotr Soroczyński.

Die Lockerung der Geldpolitik solle eigentlich den Exporteuren, den Zloty-Kreditnehmern und der Stimulierung der Inlands-Nachfrage „helfen“. Aber die Kehrseite der Medaille sei ein Schlag gegen diejenigen, die Kredite in Fremdwährungen haben, kommentiert der Chefökonom der Arbeitgeberorganisation Pracodawcy RP, Kamil Sobolewski. Und in POlen seien immer noch viele Haushalte in Fremdwährungen verschuldet. Am Ende des ersten Halbjahres habe die Anzahl der in Franken denominierten Wohnungsbaukredite etwa 278.000 betragen und ihr Wert habe sich auf etwa 37,9 Milliarden Zloty belaufen. Nach einem großen Anstieg der Raten sei zu erwarten, dass ein Teil der Frankenkreditnehmer ihre Fähigkeit zur Schuldenbedienung verlieren werde. Eine weitere Welle von Gerichtsklagen gegen Banken sei ebenfalls möglich. Bisher hätten sich etwa 160.000 Frankenkreditnehmer dafür entschieden, so Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: “Goldener Schuss” trifft den Zloty

Fazit: Die radikale und unerwartete Senkung der Zinssätze sollte für die PiS ein goldener, vorgezogener Wahl-Coup sein. Leider sei der Schuss nicht sehr zielgerichtet gewesen, und die polnische Währung liege nun darnieder, schreibt in seinem Kommentar zum Thema der Publizist der Rzeczpospolita, Paweł Rożyński. Die Regierungspartei PiS, so der Autor, habe immer lautstark „Weg mit dem Euro“ gerufen. Oder „Wir geben den Zloty nicht her“. Aber sie habe ihn nie respektiert, daher sei der Wechselkurs seit Jahren auch so schwach gewesen. Die Politiker würden erst dann besorgt sein, wenn es wirklich brenzlig werde. Aber das könnte einen Angriff von Kräften bedeuten, gegen die die Nationalbank so machtlos sei, wie unsere Fußballnationalmannschaft im Aufeinandertreffen mit Brasilien oder Argentinien. 

Mit großer Neugier werde er daher auf die nächste Pressekonferenz von Nationalbankchef Glapiński warten. Wenn der Zloty sich verteidigen könne, werde dieser triumphierend einen Sieg verkünden, aber wenn nicht, wäre es besser, wenn er nicht zu viel über Plateaus, Tatra-Gebirge und Täler spricht. Die Polen könnten bis dahin schon ziemlich verärgert sein. Und das werde genau zehn Tage vor den Wahlen sein, so Paweł Rożyński in der Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Inflation frisst Kindergeld

Auch die linksliberale Gazeta Wyborcza und das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna thematisieren die Sturzflug des Zloty und die passive Haltung der Nationalbank heute auf ihren Titelseiten. Dziennik/Gazeta Prawna zitiert zudem eine Studie, laut der die polnischen Familien infolge der fehlende Aufwertung der Familien- und Kindergelder, gekoppelt mit der hohen Inflation zwischen Januar 2020 und 2023 insgesamt 31 Milliarden Zloty verloren haben. Gehe es nach dem Forschungszentrum CenEA müsste die Regierung so viel Geld zusätzlich ausgeben, damit die Familienförderung auf demselben Niveau bleibe, wie bei ihrer Einführung im Jahr 2016, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna. 

Gazeta Polska Codziennie: Merkel lobte die Haltung von Tusk nach Smoleńsk

Von alledem erfährt der Leser der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie heute nichts. Stattdessen macht das Blatt die aktuelle Ausgabe mit weiteren Offenbarungen aus der gegen die Russlandpolitik der Regierung Tusk gerichteteten TV-Serie “Reset” auf. “SKANDAL \ Furchterregendes Bild der Unterwerfung”, lesen wir im Aufmacher, der hervorhebt, wie hoch Bundeskanzlerin Merkel Ex-Premierminister Tusk nach der Smolensk-Katastrophe bewertete. Kurz nach der Smolensk-Katastrophe, so die Zeitung, habe Russland der polnischen Seite vorgeschlagen, ein ständiges polnisch-russisches Beratungsformat im Sicherheitsbereich einzurichten, in dessen Rahmen wir alle unsere politischen Absichten auf EU- und NATO-Ebene mit dem Kreml teilen sollten. Wie aus Dokumenten hervorgehe, die in der gestrigen, vierten Folge der zweiten Staffel von "Reset" veröffentlicht worden seien, habe das Team von Donald Tusk diesen Vorschlag mit Begeisterung entgegengenommen. 

Das, lesen wir weiter, sei ein Paket, das Russland Polen noch nie zuvor vorgeschlagen habe. Grundsätzlich sei das Ziel gewesen, Polen in eine Art strategischen Dialog zu verwickeln, in dem Warschau seine größten Geheimnisse teilen und alles, was es auf der EU- und NATO-Bühne zu tun beabsichtigte, mit der Russischen Föderation konsultieren würde. Nach Medwedews Abreise aus Polen habe Außenminister Sikorski einen vertraulichen Brief an Premierminister Tusk geschrieben, in dem er die Schaffung eines solchen Beratungsformats zwischen Polen und der Russischen Föderation unterstützt habe. "Es schien so absurd, dass es abgelehnt werden sollte. Stattdessen habe ich hier eine Kopie dieses Dokuments mit folgender Anmerkung: >>Ich empfehle eine positive Entscheidung<<. Der Stempel „Tomasz Arabski“ und seine Unterschrift", so Dr. hab. Sławomir Cenckiewicz in der Folge von “Reset”.


Die Autoren der Dokumentarserie, lesen wir weiter, hätten zudem eine Notiz aus einem Gespräch zwischen Bronisław Komorowski (der als Sejm-Marschall die Pflichten des ums Leben gekommenen Staatspräsidenten Lech Kaczyński übernommen hatte) und Angela Merkel in Moskau diskutiert, aus der klar hervorgehe, wie wichtig der politische Neustart zwischen Polen und Russland für Berlin gewesen sei und wie Berlin polnischen Politikern dafür gedankt habe. Tusk sei, wie das Blatt erinnert, im selben Jahr mit dem Karls-Preis ausgezeichnet worden.

Schließlich habe während des besagten Besuchs von Medwedew in Polen auch das Polnisch-Russische Forum für Bürgerdialog stattgefunden, bei dem der russische Präsident Regisseur Andrzej Wajda geehrt habe. Interessanterweise sei eine der Teilnehmerinnen dieser propagandistischen Veranstaltung die Schauspielerin Maja Ostaszewska gewesen, die das Gesicht des letzten Films von Agnieszka Holland „Grüne Grenze" sei. Dieser Film stelle den polnischen Staat als brutalen Täter im Zusammenstoß mit illegalen Migranten dar, die unsere östliche Grenze überqueren wollen. Der Film habe bereits die Anerkennung des belarussischen und russischen Regimes erhalten, so Gazeta Polska Codziennie. 

Gazeta Wyborcza: Anatomie einer Hetzkampagne

Stichwort “Grüne Grenze”. Eine solche Hexenjagd, wie die, die die nationalkonservativen Medien und ihre Sympathiker gegen den Film und seine Regisseurin Agnieszka Holland veranstalten, habe es in der Geschichte des polnischen Kinos noch nicht gegeben, schreibt in der heutigen Ausgabe die linksliberale Gazeta Wyborcza. In dem Film, erinnert die Zeitung, habe Holland eines der für die Behörden wichtigsten und heikelsten Themen angesprochen. 

Durch die weißrussische Propaganda gelockt, kämpfe sich darin eine syrische Familie durch den Białowieża-Wald nach Polen. Aber die polnischen Grenzschutzbeamten würden sich sich bereits an neue Richtlinien halten: entgegen dem Gesetz würden sie Asylanträge ignorieren und das illegale Push-Back-Verfahren anwenden, bei dem Migranten auf die weißrussische Seite der Grenze gedrängt werden. In der Grenzzone rufe die Regierung einen Ausnahmezustand aus. Aktivisten von medizinischen Organisationen und Menschenrechtsgruppen können nicht legal zu den Migranten gelangen. Journalisten können über die oft brutale Behandlung von Migranten durch Grenzschützer nicht berichten.

Den Film „Grüne Grenze“, so das Blatt weiter, hätten bisher nur die Teilnehmer des Festivals in Venedig gesehen (wo der Film mit einem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet worden sei) und des derzeit laufenden Festivals in Toronto. Die Reaktionen seien enthusiastisch. In die polnischen Kinos werde der Film erst am 22. September kommen. Abgesehen von den Kritikern, die nach Venedig und Toronto geflogen seien, sei „Grüne Grenze“ bisher also nur von einer Handvoll von Zuschauern gesehen worden, die vom Vertrieb zu Vorpremieren eingeladen worden seien. In der Zwischenzeit hätten auf Filmweb, der beliebtesten Filmwebsite in Polen, jedoch bereits 7,2 Tausend Menschen das Werk von Agnieszka Holland bewertet (Stand Dienstagmittag). Und das sehr eindeutig - der Film habe eine Bewertung von 2,3/10. Das Forum, das dem Film gewidmet ist, werde seit Wochen von beleidigenden Kommentaren überschwemmt. Einige Hater gehen noch weiter und “bewerten” die Rollen der einzelnen Schauspieler. Besonderen Hass würden Maja Ostaszewska und Maciej Stuhr wecken (Durchschnitt 2/10), also Schauspieler, die auch im außerberuflichen Leben in Hilfsaktionen für Flüchtlinge engagiert seien. Bewertungen auf Filmweb könnten, wie das Blatt erinnert, nur eingeloggte Nutzer abgeben. Der Service berechne gleichzeitig auch den Durchschnitt der Kritikernoten. Hier habe „Grüne Grenze“ eine hohe Bewertung von 7,6/10. 

Geht es nach dem stellvertretenden Chefredakteur des Portals, Łukasz Muszyński, würden Kommentare, die die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten, laufend gelöscht. Zudem sei die Kommentarfunktion für den Film inzwischen blockiert worden. „In weiten Teilen äußerten die Kommentare nicht einfach Meinungen, sondern bestanden aus Beleidigungen”, so Muszyński. Da die meisten Nutzer den Film nicht gesehen haben konnten, so der Manager weiter, würden die abgegeben Bewertung wahrscheinlich aus politischen Überzeugungen und der Haltung zur Flüchtlingskrise an der polnisch-weißrussischen Grenze im Jahr 2021 resultieren. Die Möglichkeit, „Grüne Grenze“ zu bewerten, bleibe jedoch vorerst aktiviert, so Muszyński im Gespräch mit Gazeta Wyborcza. 

Autor: Adam de Nisau