Deutsche Redaktion

Charme der Einwanderung verführt die Rechten weiterhin

14.09.2023 12:32
Die liberal-konservative Tageszeitung Rzeczpospolita befasst sich am Donnerstag mit der anhaltenden Massenmigration nach und durch Polen. Und: In Zeiten des Klimawandels und der Energiewende stehen Umweltthemen ganz oben auf der Wahlagenda.
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Bild:pxhere.com, CC0 Public Domain

Rzeczpospolita: Charme der Einwanderung verführt die Rechten weiterhin

Führende Politiker des rechten Flügels hätten noch vor kurzem eine totale Abschottung gegen Einwanderer versprochen. Darunter jene, die mit Hilfe Putins und Lukaschenkos an Polens Ostgrenze abgesetzt werden. Einerseits lehne die Regierung auch einen EU-Mechanismus zur Umsiedlung von Flüchtlingen ab. Andererseits öffne sie still und heimlich, hinter dem Rücken der Wähler, ihre Türen weit für Ausländer aus anderen Kulturkreisen. Seit der Machtübernahme der regierenden PiS-Partei sei die Zahl der befristeten Aufenthaltsgenehmigungen für Bürger aus Ländern wie Ägypten, Simbabwe, Indien, Georgien, Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisistan fünf Mal angestiegen, lesen wir.

Jetzt stelle sich heraus, dass laut Eurostat-Daten im Jahr 2020 Polen von 2,2 Millionen in allen EU-Ländern insgesamt erteilten Arbeitserlaubnissen alleine 600 Tausend für Ausländer ausgestellt habe. Ein Jahr später seien es schon mehr als 790 Tausend gewesen. Für wen? Geht es nach dem Blatt gingen sie an Bürger aus Georgien, Afghanistan, Bangladesch, den Philippinen, Ägypten und Indien. Die meisten von ihnen seien nach ihrer Einreise in den Schengen-Raum dank der von der Regierung der Vereinigten Rechten geschaffenen Mechanismen in kürzester Zeit in den Westen weitergereist.

In einer Rede vor acht Jahren, fährt das Blatt fort, habe Parteiführer Jarosław Kaczyński Klartext über die Unterscheidung zwischen Wirtschaftsmigranten und Flüchtlingen gesprochen. Im Fall der Ersten müsse man sich keine Sorgen machen. Der Magnet für sie sei ihm nach nämlich vor allem Deutschland. Heute indes deute vieles darauf hin, schreibt die Tageszeitung, dass das polnische System zur Erteilung von Visa korrupt und die Kontrolle über ausländische Arbeitskräfte illusorisch sei.

Trotzdem könnte man sagen, heißt es abschließend im Blatt, dass sich die polnische Rechte trotz des großen Zustroms von Migranten der Herausforderung erfolgreich gestellt habe. Keine Minderheit habe den Polen ihre Rechte aufgezwungen, und Frauen und Kinder hätten keine Angst, auf die Straße zu gehen. Es gäbe auch keine Berichte über von Flüchtlingen eingeschleppte seltene Krankheiten. Davor habe nämlich der Vorsitzende der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit 2015 ebenfalls gewarnt, lautet das Fazit in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Umwelt als wichtiger Bestandteil der Wahlprogramme 

In Zeiten des Klimawandels und der Energiewende stehen Umweltthemen ganz oben auf der Wahlagenda, schreibt indes Dziennik/Gazeta Prawna.

Die rechtsradikale Konföderation lehne in ihrem Wahlprogramm die ideologische Klimapolitik der Europäischen Union ab. Auch die regierende PiS-Partei wolle den polnischen Energiesektor vor dem vermeintlichen Einfluss der Klimaideologie schützen. Sie kündige aber auch Investitionen in erneuerbare Energiequellen an. Die Wahlkomitees der oppositionellen Bürgerlichen Koalition, des Dritten Wegs und der Neuen Linke, seien gegenüber der grünen Transformation enthusiastischer. Für sie sei es wichtig, die Kohle aufzugeben und die Investitionen in erneuerbare Energien zu erhöhen.

Geht es nach dem Blatt gehen alle Parteien von der Entwicklung der Kernenergie aus. Die Konföderation sei indes die einzige, lesen wir, die die Geothermik als wichtigen Bestandteil des zukünftigen Energie-Mixes sehe. In den Programmen der Kommissionen nehme die Energie zwar unter den Themen Klimawandel, Ökologie und Umwelt den wichtigsten Platz ein. Aber die meisten Parteien würden auch Umweltthemen berücksichtigen. Der Europäische Grüne Deal zum Beispiel sei das längste Kapitel im Programm der Neuen Linken. Große Unterschiede in den Komitees gebe es bei den Wasserwirtschaftsplänen. Die PiS wolle Dürren und Überschwemmungen durch Investitionen in diese Infrastruktur verhindern. Sie rechtfertige einen Teil der Investitionen damit, dass sie die Wasserstraßen ausbauen wolle. Die Kosten für das Nationale System zur Verhütung von Dürren würde sich demnach auf ca. 10 Mrd. Euro belaufen.

Auch die Konföderation wolle in Wasserstufen, Stauseen und Dämme investieren. Sie begründe dies aber nur mit der Notwendigkeit des Ausbaus von Wasserkraftwerken, um die Energiesicherheit zu erhöhen. Die KO und die Neue Linke setzen mehr auf die Renaturierung. Beide würden ein Programm zur Wiederherstellung von Torf- und Feuchtgebieten zur Wasserrückhaltung im Boden in landwirtschaftlichen Gebieten planen. Nur die Bauernpartei PSL müsse noch ein Dokument über Ökologie, Umwelt und Energie veröffentlichen. 

Forsal.pl: Rivalität zwischen Polen und Deutschland unvermeidbar? 

Das Wirtschaftsportal forsal.pl hat ein Interview mit dem Rechtsanwalt und Autor von Büchern über Geopolitik, Krzysztof Wojczal, durchgeführt. 

Wie wir lesen, postuliere der Experte, dass Polen langfristig seine eigene Sicherheitsarchitektur in der Region schaffen und zu einem lokalen Stabilisator werden sollte. In einer solchen Realität könnte die Ukraine zukünftig ein Partner für Polen werden. Das Duo Warschau-Kiew könnte dann ein Magnet für Länder in Mittel- und Osteuropa sein, heißt es. Für Rumänien, Litauen und vielleicht sogar Belarus. Die genannten Länder würden  historisch gesehen zum deutschen Einflussbereich gehören. Dies, so der Autor, sei auch heute noch der Fall. 

Warschau müsste somit die Rivalität mit Berlin gewinnen, wer der Hauptpartner für Vilnius, Kiew, Bukarest und möglicherweise auch Minsk werde. 

Wie könnte Polen die Länder in der Region langfristig überzeugen? Erstens: Geht es nach Wojczal, sei Polen am Beispiel der Ukraine ein verlässlicher Verbündeter. Deutschland hingegen habe bewiesen, dass man sich auf Berlin nicht verlassen könne. Schließlich, so der Experte, sei es bereit, jeden Deal mit Moskau über die Interessen mit Kiew zu stellen. Glaubwürdigkeit sei trotz aller Widrigkeiten eine der wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Währungen, lesen wir. 

Der zweite Trumpf Polens könnte seine militärische Macht sein. Wojczal glaube, Polen sei in der Lage, diese auf einem ausreichenden Niveau aufzubauen. Dies werde auch dadurch erleichtert, dass die deutsche Seite nicht unbedingt in Rüstung investieren wolle. Sie würden sich nämlich nicht bedroht fühlen. Polen habe also die Chance, das wichtigste Instrument zur Aufrechterhaltung der Sicherheit aufzubauen, bevor es die Deutschen tun.

Deutschland habe natürlich die wirtschaftliche und politische Macht, fährt Wojczal fort. Diese Faktoren würden in den ersten Jahren nach dem Konflikt in der Ukraine eine entscheidende Rolle spielen. Langfristig könnte sich jedoch die Gemeinschaft der polnisch-ukrainischen Sicherheitsinteressen durchsetzen. Auf diesen Moment müsse Polen vorbereitet sein, lesen wir. Sollte es diese Herausforderung nicht annehmen und die Rivalität mit Deutschland aufgeben, könnte Warschau zu einer bedeutungslosen Station auf der Strecke Berlin-Kiew oder noch weiter, Berlin-Kiew-Peking, werden, lautet Wojczals Fazit im Gespräch mit dem Wirtschaftsblatt.

 

 

Autor: Piotr Siemiński