Deutsche Redaktion

"Keine nationale Katastrophe"

25.09.2023 11:00
Die letzten Tage seien ein perfektes Beispiel für unsere innere Schwäche in den Beziehungen zu anderen Ländern und Nationen, die über Generationen hinweg vererbt worden sei, urteilt in seinem Feuilleton in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Philosoph Marek A. Cichocki. 
Polska konsekwentnie wspiera Ukrainę zniszczoną wojną z Rosją.
Polska konsekwentnie wspiera Ukrainę zniszczoną wojną z Rosją.Shutterstock/Alex Yeung

Diese Schwäche sei mit der Ansicht verbunden, dass jede Veränderung der politischen Verhältnisse, jeder momentane Rückschlag, jede Verschlechterung der Haltung anderer uns gegenüber einer nationalen Katastrophe gleichkomme, nach der uns nur noch Dunkelheit, Chaos und Tränen erwarten würden. Diese polnische Geisteshaltung in der Politik sei ein Erbe der schwierigen Erfahrungen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Diese Erfahrungen würden zwar eine wichtige historische Warnung bleiben, könnten aber keinen verlässlichen Bezugspunkt mehr für die Beurteilung der aktuellen Politik darstellen. Die plötzliche Verschlechterung der Beziehungen zwischen Kiew und Warschau aufgrund der Getreideexportkrise sei daher keine nationale Katastrophe, sondern ein Element des politischen Prozesses, in dem Polen ohnehin weiterhin ein wichtiger Akteur bleibe.

Inzwischen wimmele es an verschiedenen Kommentaren, dass die Ukrainer Polen verraten und sich an die Deutschen verkauft hätten, oder dass Deutschland Polen den Kalten Krieg erklärt habe und versuche, uns in einen Konflikt mit Kiew zu bringen. Solche und viele ähnliche Meinungen würden zwar die Gefühlslage ihrer Autoren widerspiegeln, hätten aber nichts mit der redlichen Analyse der politischen Situation gemeinsam. Was sei eigentlich der Grund für diese emotionalen Klagen? Die Tatsache, dass obwohl der Krieg weitergehe, die Politik in die Ukraine zurückgekehrt sei und dass Agraroligarchen Druck auf die Behörden in Kiew ausüben würden, damit diese ihre Unternehmen verteidigen? Oder liege es vielleicht daran, dass Berlin dem Rat von Wolfgang Ischinger gefolgt sei und schließlich eingesehen habe, dass die Beziehungen zu Russland für lange Zeit verloren wären und man sich daher auf die Ukraine konzentrieren solle? Dies werde doch Deutschland ermöglichen, seine Glaubwürdigkeit bei den Amerikanern zurückzugewinnen, neue Investitionen in der Ukraine für die deutsche Wirtschaft zu erschließen und dank des EU-Beitritts der Ukraine die Position Berlins als wichtigster Kartenhändler in der EU wiederherzustellen.

Das alles sei keine nationale Katastrophe, sondern nur gewöhnliche, brutale Politik. Wir seien ein wichtiger Akteur in diesem politischen Prozess und es stimme nicht, dass Polen in diesem Spiel keine wichtigen Karten habe. Der Weg der Ukraine in den Westen führe über Polen. Dieser enorme geopolitische Wandel liefere Warschau die Grundlage für eine geduldige, langwierige und langfristige Strategie zum Aufbau einer besseren Position in Europa als zuvor. 

SUPER EXPRESS: In der Politik gibt es keine Freundschaften 

Wie habe er sich gefühlt, als er die Rede von Präsident Wolodymyr Selenskyj gehört habe, in der er Polen beschuldigte, dass es durch die Blockierung des Imports von ukrainischem Getreide im selben Orchester wie Russland spiele, fragt die Tageszeitung Super Express den polnischen Präsidenten Andrzej Duda. Zunächst einmal sei er überrascht gewesen, dass dieser eigentlich unbedeutende Streit von Selenskyj vom Podium der UN-Generalversammlung aus angesprochen wurde. Er glaube, dass die Frage des Getreidestreits nur ein Teil der Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine sei, die nur einen Bruchteil der schwierigen Situation darstelle, in der sich die Ukraine befinde und in der Polen seit über anderthalb Jahren den Ukrainern Hilfe leiste. Er gebe zu, dass es ihn traurig machte, dass bilaterale Angelegenheiten öffentlich in Anwesenheit von 200 Ländern ausgetragen wurden, sagt Polens Präsident Duda.

Gerade zu Beginn des Krieges konnte man den Eindruck gewinnen, dass das gegenseitige Verhältnis beider Politiker über die üblichen Beziehungen zwischen Staatsoberhäuptern hinausging. Beide hätten mehrmals das Wort Freundschaft benutzt. Wie würden momentan diese Beziehungen aussehen, fragt das Blatt weiter.

Es sei schwer, in der Politik über Freundschaft zu sprechen, antwortet das polnische Staatsoberhaupt. Aber tatsächlich sei es ein sehr gutes Verhältnis zwischen zwei Politikern gewesen, überdurchschnittlich gut und innig. In diesem Streit gäbe es viele Emotionen und er versuche Wolodymyr Selenskyj zu verstehen. Er hoffe aber, dass auch der ukrainische Präsident die Situation in Polen verstehe. Wenn nicht, dann schade, sagt Andrzej Duda im Gespräch mit Super Express.


Autor: Jakub Kukla