Deutsche Redaktion

Bei den Wahlen können Katholiken nicht nach ihrem Gewissen wählen

26.09.2023 12:38
Der Höhepunkt der Antimigrationskampagne der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit fällt mit dem Tag der Migranten und Flüchtlinge der katholischen Kirche zusammen. Die Haltung der PiS widerspreche aber der kirchlichen Lehre. Das Gleiche gelte für die Haltung der Opposition zur Abtreibung. Habe ein Katholik somit überhaupt jemanden, den er wählen könnte?
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Rzeczpospolita: Bei den Wahlen können Katholiken nicht nach ihrem Gewissen wählen 

Die Kirche erinnere ihre Gläubigen daran, dass die Politik dem Gemeinwohl diene. Wer also die Politik als Instrument zur persönlichen Bereicherung auf Kosten des Gemeinwohls betrachte, sollte von der Wahl ausgeschlossen sein, schreibt Michał Szułdrzyński in der liberal-konservativen Rzeczpospolita. Derartige Fälle habe es in den letzten acht Jahren reichlich gegeben.

Die größten Zweifel kämen auch dann auf, wenn ein Katholik bedingungslos auf der Seite des Rechts auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende stehen soll, heißt es weiter. Dies würde eine Stimmabgabe für Kandidaten ausschließen, die die Abtreibungsgesetze liberalisieren möchten (also die Linke, die liberale Zivile Koalition oder die kompromissbereite Bauernpartei). Ausgeschlossen wären auch gleichgeschlechtliche Ehen und ihre Befürworter unter den Parteien. Diese beiden Punkte, so der Autor, würden vor allem die Opposition betreffen.

Auch die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit, heißt es weiter, sollte bei Katholiken Zweifel auslösen. Das Regierungslager hätte nämlich mehrmals versucht, den Vorrang des Erziehungsrechts und Willens der Eltern zugunsten eines staatlichen Vormunds einzuschränken. Auch der Grundsatz der Gewissens- und Religionsfreiheit sei sowohl für die mit der Kirche verbundenen Regierungspartei als auch für den antiklerikalen Teil der Opposition ein Problem.

Das größte Problem für die PiS sei jedoch die Erinnerung an die Verpflichtung zum inneren und äußeren Frieden. Geht es nach dem Autor, würden die Konservativen seit acht Jahren den inneren Konflikt verschärfen. Füge man das bischöfliche Dokument über Migranten und Flüchtlinge vom Juli hinzu, über die Pflichten eines Katholiken gegenüber Fremden und die Verurteilung von Fremdenfeindlichkeit, so hätte ein Gläubiger wiederum ein ernsthaftes Problem damit, für die Machthaber zu stimmen. Auch die fremdenfeindliche Konföderation wäre damit wie ein Dorn im Auge.

Es sei eine Ironie des Schicksals, schreibt Szułdrzyński am Schluss, dass der Höhepunkt der einwanderungsfeindlichen Kampagne ausgerechnet am Tag der Migranten und Flüchtlinge in der katholischen Kirche stattfand. Nehme man die Lehre der Kirche ernst, sollten die Katholiken in drei Wochen entweder gar nicht zur Wahl gehen oder eine ungültige Stimme abgeben. 

Wprost: Selenskyj fügt der Ukraine mehr Schaden zu als die russische Armee 

Das Nachrichtenportal der Wochenzeitschrift Wprost fragt indes, ob der ukrainische Präsident mit seinem Beifall für einen ukrainischen Waffen-SS-Veteranen im kanadischen Parlament beweisen wolle, dass die Russen mit ihrer verbrecherischen Entnazifizierung seines Landes im Recht seien. Es geht hierbei um die Rede des ukrainischen Präsidenten vor dem kanadischen Parlament. Am Freitag hatte das Parlament den Ukrainer Jaroslaw Hunka, einen Veteranen der Waffen-SS-Division Galizien, geehrt. Dies sei ein weiteres Geschenk Selenskyjs an Moskau, schreibt Jakub Mielnik für Wprost, nachdem dieser das scheinbar unerschütterliche Bündnis mit Polen erschüttert habe.

Der Unterschied zwischen einer charismatischen Führungspersönlichkeit und einem Schauspieler, der eine solche Führungsperson spiele, fährt der Autor fort, bestehe darin, dass der Letztere die erlernte Rolle manchmal vergesse. Er beginne zu glauben, dass er wirklich die Persönlichkeit sei, die er spiele. Dadurch gerate seine Darstellung aus den Fugen und die ganze leidenschaftliche Show werde zu einer Tragödie, heißt es im Online-Blatt.

Selenskyj, so Mielnik weiter, spiele als mutiger Führer und Verteidiger der freien Welt sehr gut. Schlechter gelinge ihm die Rolle eines weiteren - in einer langen Reihe ukrainischer Präsidenten - Reformators, die ein Land retten sollen, das in Korruption und politischem Chaos versinkt.

Der Westen indes, lesen wir anschließend, von dessen Hilfe das Schicksal des Krieges in der Ukraine abhänge, möge Schauspieler, die engagierte Rollen spielen und applaudieren ihnen. Auch wenn seine eigenen Landsleute gegenüber ihrem Präsidenten viele Vorbehalte hätten. Dieser Beifall habe sich sogar noch verstärkt, als Selenskyj aufhörte, mit der Idee zu flirten, ein neues Gleichgewicht der Kräfte in Mittel- und Osteuropa zu schaffen.

Wie viel Glaube und Hoffnung habe im Westen die Nachricht ausgelöst, dass Polen und die Ukraine öffentlich zu den Klingen gegriffen hätten und dass das Bündnis zwischen den beiden Ländern auseinanderbrechen könnte. Dies, schreibt der Autor abschließend, sei gleichzeitig für viele die erste echte Chance seit vielen Monaten, sich nicht mehr so sehr um den Krieg mit Russland zu sorgen. 

Gazeta Polska Codziennie: Der Wahlkontext des Getreidestreits 

Über den polnisch-ukrainischen Getreidestreit habe man schon fast alles gesagt, vielleicht sogar zu viel, schreibt das regierungsnahe Tagesblatt Gazeta Polska Codziennie. Es lohne sich jedoch, die Aufmerksamkeit auf einen anderen Aspekt zu lenken, der man in Polen vergesse.

In der Ukraine werde eine lebhafte Debatte darüber geführt, ob im nächsten Jahr trotz des Krieges Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten werden sollten. Die USA würden auf solche Wahlen in der Ukraine drängen, heißt es, weil sie diese als Eckpfeiler für den Aufbau der Demokratie in der Ukraine betrachten. Außerdem hätten die USA selbst viele Male in Kriegszeiten Wahlen abgehalten, auch während des Bürgerkriegs im 19. Jahrhundert. Die Wahlen könnten somit in der Ukraine stattfinden. Innerhalb der ukrainischen Elite entstehe dadurch eine zusätzliche Nervosität, lesen wir, die nicht mehr nur mit dem Krieg zusammenhänge.

Zumal in Polen und auch in der Slowakei in naher Zukunft Wahlen anstehen, sei es leicht zu verstehen, dass der Streit bei einem solchen Aufeinandertreffen wirtschaftlicher Interessen im Bereich der Landwirtschaft unvermeidlich war. Ob es wirklich um die Interessen der Ukraine als Ganzes oder um die einer Gruppe einflussreicher Geschäftsleute gehe, bleibe ungewiss. Geht es nach dem Blatt werde derzeit darüber in der Ukraine debattiert. Die Ukrainer würden sich fragen, ob es sich lohne, heißt es am Schluss, die Beziehungen zu ihren westlichen Nachbarn für die - gar nicht so großen - Interessen einer kleinen Gruppe reicher Leute zu riskieren. 


Autor: Piotr Siemiński