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„Ausmaß der Demagogie in Polens Politik unvorstellbar“

28.09.2023 11:38
Das Portal der Wochenzeitschrift DoRzeczy befragt den Politikwissenschaftler Prof. Antoni Dudek zum Verlauf des Wahlkampfes in Polen.
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DoRzeczy: Ausmaß der Demagogie in Polens Politik unvorstellbar

Das Portal der Wochenzeitschrift DoRzeczy befragt den Politikwissenschaftler Prof. Antoni Dudek zum Verlauf des Wahlkampfes in Polen.

Wie dieser erklärt, sei derzeit die Wende der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit in der Ukraine-Politik am auffälligsten. Geht es nach dem Professor, schlage die Regierung wild um sich, anstatt hier eine ruhige und rationale Politik zu verfolgen. Von Oppositionsführer Donald Tusk sei Dudek in derselben Angelegenheit ebenfalls nicht beeindruckt. Auch er würde keine Idee haben, was man tun könnte. Generell verhalte sich Tusk, als ob die Europäische Union alles für Polen erledigen würde. Polen müsse dazu nur alles tun, was die EU-Behörden verlangen und alles werde gut, urteilt er über die Einstellung des ehemaligen Ministerpräsidenten.

Alles in Allem würden Polen heute zwischen zwei falschen Narrativen schwanken, heißt es weiter. Der ukrainische Leitfaden sei hierbei nur einer von vielen. Polen müssten zwischen den Märchen der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und den Märchen der Bürgerlichen Koalition (KO) wählen. In diesen Narrativen, so Dudek, gebe es keine tieferen Überlegungen darüber, wie die polnische Außenpolitik nicht nur in Bezug auf die Ukraine wirklich aussehen sollte. Dasselbe betreffe z.B. auch die Beziehungen zu Deutschland.

Auch die Visa-Affäre sei ein Beweis dafür. Nach Ansicht von Prof. Dudek versuche die PiS diese Affäre zu verdrängen oder als deutsche Verschwörung darzustellen, zumal sich auch Berlin für das Thema interessiere. Damit, lesen wir, habe die Partei Recht und Gerechtigkeit möglicherweise etwas an Glaubwürdigkeit verloren.

Darüber hinaus konzentriere sich die Botschaft des Machtlagers stark auf Donald Tusk. Tusk sei zwar in einer noch schlechteren Situation als Parteiführer Kaczyński, aber das Wichtigste sei, dass Kaczyński das Hauptproblem der Polen heute falsch diagnostiziere. Soziale Fragen hätten einen positiven Einfluss auf die Unterstützung der Regierungspartei und nicht die Katastrophenrhetorik, die bei einer Rückkehr von Tusk an die Macht folgen würde. Darunter der Vorwurf, die Opposition könnte halb Polen im Falle eines Angriffs an Russland abgeben.

Das Ausmaß dieser Demagogie sei einfach unvorstellbar. In Polen sei dies allerdings in der Wahlperiode seit langem der Normalfall, so der Akademiker. Polen hätten es mit einem unglaublich populistischen Bieterkrieg zwischen diesen beiden Hauptkräften zu tun. Würde Dudek nach Umfragen urteilen, würden dies den meisten Polen sogar gefallen.

Am Schluss stellt der Experte fest, dass die kleineren Akteure der politischen Szene Polens in diesem Theater das größte Problem hätten. Für die Konföderation, den Dritten Weg und die Linken, würde sich die Presse kaum interessieren. Polens größte Medien interessieren sich nur für die Bürgerkoalition und die PiS. Der Rest befinde sich ganz hinten im dritten Plan, so Professor Antoni Dudek im Gespräch mit der rechts-konservativen DoRZeczy. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Uniform im Dienste der Politik 

Der Marathon großer Rüstungsverträge vor den Wahlen sei keine Überraschung, schreibt Maciej Miłosz in DGP. Patriots, HIMARS, Apache-Hubschrauber - alles sei im Paket. Genau dasselbe habe Bronislaw Komorowski von der Bürgerplattform getan, als er 2015 für eine zweite Amtszeit als Präsident kämpfte. Damals sei der Verteidigungshaushalt jedoch viel kleiner gewesen. Die Show vor der Wahl sei deshalb damals auch viel bescheidener ausgefallen. Ob man es wolle oder nicht - eine solche Aktion, schreibt Miłosz, passe in die seit langem bestehende Logik der Übernahme des Staates für den Wahlkampf.

Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak gehe jedoch noch einen Schritt weiter. Während eines militärischen Eids neuer Soldaten, soll er verkündet haben, Polen werde nur eine 300.000 Tausend Mann-starke und die größte Landarmee Europas haben, wenn die Regierungspartei an der Macht bleibe.

In derselben Rede habe er der einstigen Regierung der PO-PSL-Koalition vorgeworfen, Polens Gebiete östlich der Weichsel im Notfall dem Feind überlassen zu wollen.

Auf einer Wahlveranstaltung in seiner Heimatstadt auf der Straße oder dem Marktplatz dürfe der Minister so etwas sagen, schreibt der Publizist. Schließlich versuche jeder Politiker, die Wähler mit Nudeln am Ohr zu bezaubern. Die Vorliebe für solche Nudeln, heißt es, sei Geschmackssache. Aber in diesem Fall provoziere der Chef des Verteidigungsministeriums direkt auf einer offiziellen Feier der polnischen Armee. Geht es nach Miłosz habe der Minister darüber hinaus ein streng geheimes Dokument manipuliert, dessen Fragment er für die Zwecke der Wahlkampagne freigegeben habe. Eine solche Instrumentalisierung der Uniform sei ein schwerer Fehler, lesen wir im Blatt. Im nächsten Schritt könnten Soldaten hören, dass diejenigen, die andere Parteien als die regierende Recht und Gerechtigkeit wählen, in der polnischen Armee nicht willkommen seien, heißt es am Schluss.


Autor: Piotr Siemiński