Deutsche Redaktion

"Heißer (politischer) Sonntag"

02.10.2023 09:27
Während die Opposition zu einer Großkundgebung in Warschau lud, versuchte die Regierungspartei PiS ihre Anhänger bei einer Veranstaltung in Katowice zu mobilisieren. Wer kann nach dem gestrigen Showdown den Champagner öffnen? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Donald Tusk (PO)
Donald Tusk (PO)PAP/Tomasz Waszczuk

DO RZECZY: Heißer (politischer) Sonntag

Die Presse kommentiert den heißen politischen Sonntag. In Katowice fand der Kongress der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit statt. Dieses Mal habe die Partei keine neuen Vorschläge vorgestellt. Sei es in erster Linie darum gegangen, die Wählerschaft zu mobilisieren? – fragt die Wochenzeitschrift Do Rzeczy den Soziologen, Prof. Henryk Domański. Ja, meint der Wissenschaftler. Die Partei habe angekündigt, dass es sich um eine Mobilisierungskonvention handeln werde. Während des größten Teils dieser Veranstaltung habe man heftige Kritik an Donald Tusk gehört. Es lohne sich, auf die guten Reden des PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński, der Sejm-Marschallin Elżbieta Witek und die Rede des Europaabgeordneten Dominik Tarczyński zum Thema Migranten aufmerksam zu machen. Im Mittelpunkt habe die Kritik der Außenpolitik der Vorgängerregierung gestanden, die aufgrund ihrer Passivität und fehlender Investitionen in die Streitkräfte von den Rednern als pro-deutsch und potenziell pro-russisch vorgestellt worden sei. Man müsse Jarosław Kaczyński zu Gute halten, dass er eine gute, aus dem Kopf gesprochene Rede gehalten habe, meint der Soziologe.

In Warschau habe wiederum ein großangelegter Marsch der oppositionellen Gruppierungen stattgefunden. Es spiele keine Rolle, wie viele Demonstranten da gewesen seien, führt Professor Domański fort. Entscheidend sei, wie der Marsch interpretiert werde. Tusk werde sicherlich von einem Erfolg sprechen. Es habe zu der Demonstration kommen müssen, weil Donald Tusk seit Juli eine Wiederholung des Marsches vom 4. Juni angekündigt habe. Da er, laut Domański, kein Programm habe, habe er zumindest einen Marsch organisieren wollen. Es seien viele Leute gekommen. Es sei doch aber klar, dass die Bürgerplattform große Unterstützung habe. Ob dies aber unentschlossene Wähler zur PO locken werde bleibe offen. Die Tatsache, die größte Oppositionspartei zu sein, sei kein Argument, mit dem man gegen die regierende Gruppierung PiS gewinnen könne, urteilt der Soziologe, Prof. Henryk Domański in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Wer hat Champagner verdient?

Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna möchte indes wissen, ob der Eine-Million-Herzen-Marsch ein Durchbruch im Wahlkampf oder nur eine Episode unter vielen gewesen ist. Geht es nach dem Politikwissenschaftler Professor Rafał Chwedoruk, könne man eher von einer Art Kontinuität sprechen. Die Koalition der oppositionellen Gruppierungen habe eine Chance, die Macht zu übernehmen, weil sie eine Taktik der kleinen Schritte anwende. Der Marsch habe jedoch gezeigt, wie kompliziert dieses Problem sei – Donald Tusk habe nach rhetorischen Brücken zwischen verschiedenen politischen Milieus und Programmvorstellungen suchen müssen. In ihren Reden hätten die Politiker sehr verschiedenen Themenbereiche angesprochen. Es habe auch Ansprachen lokaler Abgeordneter der Bürgerkoalition gegeben. Der Sinn all dessen habe darin bestanden, den gemeinsamen Nenner aufzuzeigen, anstatt die Diskussion vor der Wahl auf neue Bahnen zu lenken.

Wer könne nach dem Marsch Champagner trinken? - fragt das Blatt weiter. Der Chef der Bürgerplattform könne sicherlich nach dem Marsch seine Brust aufblähen – sowohl was die Zahlen und die mannigfaltigen Themen, als auch das Fehlen größerer Kontroversen angehe, die helfen würden, die Initiative in den Medien kleinzureden. Zugleich sei aber auch klar erkennbar, dass ein so großes Treffen ohne die Teilnahme Tausender Parteiaktivisten nicht hätte stattfinden können. Dies sei schon ein Anlass, um über die Rolle der politischen Parteien nachzudenken, sagt Professor Rafał Chwedoruk im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.

SUPER EXPRESS: Tusk setzt auf Trzaskowski

Er marschiere heute, um die Wahlen in zwei Wochen zu gewinnen, aber in Wirklichkeit sei das erst der Anfang. Denn er marschiere auf ein völlig neues Polen zu. Er sehe, dass Millionen aufgewacht seien und das sei das Wichtigste. Er gehe voller Mut und Entschlossenheit in die Zukunft. Auf dem Weg zu einem toleranten, vielfältigen, europäischen und lächelnden Polen, zitiert die Tageszeitung Super Express den Warschauer Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski, der sich an dem gestrigen Marsch der oppositionellen Gruppierungen in Warschau Schulter an Schulter mit dem Parteichef Donald Tusk beteiligt habe.

Werde Tusks Marsch und die Unterstützung des Präsidenten der Hauptstadt helfen, den Verlauf der Kampagne zu ändern und der Bürgerplattform zu einem Machtwechsel zu verhelfen? – überlegt das Blatt. Tusk habe die gläserne Decke erreicht, wenn es um die Unterstützung für seine Partei gehe. Deshalb setze er auf den Warschauer Stadtpräsidenten - Trzaskowski habe immer noch viele Stimmen hinter sich. Die Einladung zum Marsch sei ein klarer Hinweis für den stellvertretenden Vorsitzenden der PO, der Tusk helfen solle, die Wahl zu gewinnen. Aber er glaube nicht, dass diese Strategie erfolgreich sein werde, kommentiert der Politikwissenschaftler Professor Kazimierz Kik im Blatt Super Express.

Autor: Jakub Kukla