Deutsche Redaktion

"Streitigkeiten in den polnisch-ukrainischen Beziehungen werden zunehmen"

21.11.2023 13:47
Oberflächlich gesehen seien die Beziehungen zwischen Kiew und Warschau. Doch wenn konkrete Probleme auftauchen, brauchen die Politiker aus Polen und der Ukraine, die die Sprache des jeweils anderen sonst hervorragend verstehen, plötzlich wieder Dolmetscher. Vize-Außenminister Mularczyk warnt vor einer Ausrichtung der polnischen Ostpolitik an deutschen Interessen. Und: Die Polen wünschen sich ein schlankeres Kabinett. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Polish and Ukrainian flags at the Polish-Ukrainian border.
Polish and Ukrainian flags at the Polish-Ukrainian border. PAP/Darek Delmanowicz

Rzeczpospolita: Streitigkeiten in den polnisch-ukrainischen Beziehungen werden zunehmen

In seinem Beitrag für die liberal-konservative Rzeczpospolita analysiert Rusłan Szoszyn die Beziehungen zwischen Warschau und Kiew. Oberflächlich betrachtet erscheinen diese Beziehungen harmonisch, doch bei der Lösung konkreter Streitigkeiten treten Schwierigkeiten auf, urteilt Szoszyn.

Und das, trotz der problemlosen Verständigung in ihren jeweiligen Sprachen bei Treffen in Warschau oder Kiew, bei denen keine Dolmetscher gebraucht werden. Beide Länder seien sich der strategischen Bedeutung ihrer Beziehung bewusst: Ein Zusammenbruch des ukrainischen Staates und ein Sieg Russlands würde Polen in eine prekäre Lage versetzen, die Wirtschaft schwächen und künftigen Generationen Unsicherheit bescheren.

Die Ukrainer würden auch anerkennen, wie wichtig die Unterstützung Polens in den ersten Kriegswochen gewesen sei. Dies stelle einen Grundpfeiler der bilateralen Beziehungen dar. Allerdings, so Szoszyn, gestalte sich die Zusammenarbeit über dieses Fundament hinaus schwierig.

Konkrete Probleme in den bilateralen Beziehungen würden oft dazu führen, dass die Ukrainer plötzlich "kein Polnisch" mehr verstehen. Auch die Polen würden auf einmal einen Dolmetscher brauchen. Ein langjähriges ungelöstes Problem sei etwa die Exhumierung polnischer Opfer des während des Zweiten Weltkriegs verübten Wolhynien-Massakers in der Ukraine. Polens Vize-Außenminister habe kürzlich angemerkt, dass die Ukraine ohne die Lösung dieses Problems nicht einmal von einem EU-Beitritt träumen könne. Szoszyn betont, dass dieses Thema eigentlich mit der Unterschrift eines einzigen ukrainischen Beamten hätte gelöst werden können. Stattdessen müssen die Staatsanführer immer wieder darüber verhandeln.

Als ukrainisches Getreide den polnischen Markt überschwemmte und Polen ein Einfuhrverbot erließ, habe Kiew dies ausschließlich als Wahlkampfmanöver interpretiert. Die Argumente der polnischen Landwirtschaft seien ignoriert worden. Auch nach den Wahlen gibt es indes keine Anzeichen dafür, dass die neue Regierung das Embargo aufheben wird. Polnische LKW-Fahrer würden derzeit gegen den unbegrenzten Zustrom ukrainischer Lastwagen protestieren, der ihrer Meinung nach der polnischen Branche schade., die über eine Million Menschen beschäftige und sechs Prozent des BIP ausmache. In Kiew werde indes nach verborgenen Motiven des Protests und russischen Einflüssen gesucht.

Mit der fortschreitenden Annäherung der Ukraine an die EU werden die bilateralen Streitigkeiten, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, zunehmen, schreibt Rusłan Szoszyn in der Rzeczpospolita.

DoRzeczy: Ostpolitik der Tusk-Regierung wird deutschen Interessen untergeordnet sein

In einem Interview mit dem Portal der Wochenzeitschrift DoRzeczy äußerte sich der stellvertretende Außenminister Arkadiusz Mularczyk zur zukünftigen Ostpolitik der neuen Regierung unter Donald Tusk. Mularczyk vertritt die Ansicht, dass diese Politik stark von den Erwartungen Berlins geprägt sein wird. Er wirft Tusk vor, keine souveräne, sondern eine Berlin unterwürfige Politik zu verfolgen.

Der Minister erinnert in dem Gespräch an den Neustart in den Beziehungen zu Russland, der unter Tusk und dem damaligen Außenminister Radosław Sikorski stattgefunden habe. Diese Politik habe Deutschland, insbesondere durch den Bau der Nord Stream-Gaspipeline mit Russland, stark begünstigt. Mularczyk weist darauf hin, dass eine Reihe von Energie- und Militärverträgen damals gezeigt hätten, dass Deutschland eine Verständigung mit Putin angestrebt habe. Diese Politik sei jedoch gescheitert.

Mularczyk betont vor diesem Hintergrund die Wichtigkeit, die von der konservativen Regierung begonnene Politik fortzuführen. Dazu zählt er die Stärkung der Sicherheit durch den Ausbau der Streitkräfte und der Grenzsicherung, was er als einzige Garantie für die Sicherheit Polens sieht.

Des Weiteren berichtet DoRzeczy, dass Maciej Żywno, der neugewählte Vize-Senatsmarschall von der oppositionellen Partei Polen 2050, zur Aufnahme von Gesprächen mit dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko dränge. Mularczyk sieht Lukaschenko jedoch als vollständig abhängig von Russland und Putin an. Er verneint, dass Lukaschenko für die Migrationswelle nach Polen verantwortlich sei, da ein ähnlicher Prozess auch an der Grenze zwischen Russland und Finnland stattfinde. Der Minister verbindet die Intention des neuen Vize-Marschalls mit einem Mangel an Verständnis für die internationale Situation und Lukaschenkos Abhängigkeit. Mularczyk wünscht dem neuen Vize-Marschall des Senats viel Glück bei einem solchen Dialog, wie im Interview auf dorzeczy.pl nachzulesen ist.

Dziennik/Gazeta Prawna: Polen wollen schlankere Regierung

Die meisten Polen sprechen sich für eine Reduktion der Zahl der stellvertretenden Minister und Regierungsbevollmächtigten aus, schreibt das Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts United Surveys. 66 Prozent der Befragten, so die Zeitung, würden hier das größte Sparpotential in der Staatsverwaltung sehen. Dieser Wunsch, lesen wir weiter, könnte eine Reaktion auf das Kabinett von Mateusz Morawiecki sein, das in den Medien für seine Rekordgröße kritisiert wurde: 28 Mitglieder, davon ein Drittel ohne eigene Amtsbereiche, rund 80 stellvertretende Minister und fast 60 Regierungsbevollmächtigte. Obwohl eine schlankere Regierung das Image der neuen Regierung positiv beeinflussen könnte, so das Blatt, wären die Haushaltseinsparungen mit höchstens etwa 45.000 EUR pro Jahr relativ gering.

An zweiter Stelle der Sparvorschläge stehe die Reduzierung der Ministerien und ihrer untergeordneten Institutionen, befürwortet von 61 Prozent der Befragten. Die zukünftige Regierung unter Donald Tusk, urteilt die Zeitung, könnte jedoch Schwierigkeiten haben, diese Forderung umzusetzen. Es gebe Gerüchte, dass Tusk sogar zusätzliche Ministerien plane, wie ein Industrieministerium in Schlesien und ein Wohnungsbauministerium, das die Linken gefordert hatten.

Am wenigsten Zustimmung habe in der Umfrage die Idee gefunden, die Gehälter der Minister und ihrer Stellvertreter zu kürzen (55 Prozent). Dies könnte sich als schwierig erweisen, da die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit im Jahr 2021 auf Gehaltserhöhungen für Staatsbeamte drängte, mit der Begründung, qualifizierte Fachkräfte anziehen zu wollen. Trotzdem seien die Befragten der Meinung, dass die Regierung bei Sparmaßnahmen vorangehen sollte.

Mehr als die Hälfte der Befragten spreche sich auch für die Einführung von Einkommenskriterien bei Sozialleistungen aus, insbesondere die Wähler der Opposition. Weniger Unterstützung finde hingegen der Verzicht auf große Investitionsprojekte wie den zentralen Flughafen oder Atomkraftwerke (28 Prozent), die Abschaffung bestimmter Sozialprogramme (17 Prozent) oder die Reduzierung von Rüstungseinkäufen (12 Prozent), so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Piotr Siemiński