Deutsche Redaktion

Macron will Truppen schicken, die er nicht hat. Scholz will keine Raketen schicken, die er hat.

29.02.2024 12:57
Der Autor der Wochenzeitung Wprost, Jakub Mielnik, äußert sich kritisch über die aktuelle Politik der EU in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Frankreichs Präsident Macron, schließe die Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine nicht aus, obwohl die EU über keine eigene Armee verfügt. Bundeskanzler Scholz verweigere Kiew Taurus-Raketen, über die er verfüge. Gleichzeitig führe er auch geheime Gespräche mit Moskau, um den russischen Energiekonzern Rosneft gegen die Enteignung zu schützen.
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In der Frage des Krieges sei Europa also wieder dagegen und gleichzeitig sogar dafür. Führende EU-Länder würden kräftig auf vielen Klavieren gleichzeitig spielen. Dies führe leider nur zu einer Kakophonie, die vor allem den Interessen Moskaus diene. Auf den ersten Blick scheine es, die Staats- und Regierungschefs würden wachsam sein. Sie seien sich der Gefahren einer Konfrontation mit Russland bewusst. Die Notwendigkeit, der Ukraine zu helfen, werde in den wichtigsten europäischen Sprachen in allen Zeitformen und Fällen als die beste Absicherung der EU gegen die Bedrohung durch den Kreml verkündet. Die Wirklichkeit sehe jedoch leider viel schlimmer aus.

So sei es zum Beispiel schwierig, die neueste Entscheidung des französischen Präsidenten als Erfolg zu werten. Macron habe zwar seinen Einspruch gegen den Kauf der benötigten Munition für die Ukraine außerhalb der EU zurückgezogen. Dazu sei er aber erst von den Tschechen gedrängt worden. Prag habe nämlich auf dem freien Markt problemlos Munition in Mengen gefunden, die die EU-Industrie nicht liefern könne. Ein scheinbar starkes, geeintes Europa verliere sogar in einem so einfachen Wettstreit mit den Diktaturen Nordkoreas und Irans, auf deren Hilfe Putins Kampfkraft beruhe.

Geht es nach dem Autor wisse der französische Präsident genau, wie schlecht dies aussehe. Und genau deshalb habe er öffentlich die Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine aus der Schublade gezogen, so Mielnik für Wprost. 

Rzeczpospolita: Polen muss vollendete Tatsachen schaffen 

Kollektiv hätten die Polen es noch nicht begriffen: als Gesellschaft und als Staat müssten sie anfangen, anders zu funktionieren. Wie? Anders als bisher! Russland würde uns nämlich bereits als Frontland testen, schreibt der Politiker und Kolumnist Czesław Bielecki in der Rzeczpospolita.

Leider, so der Autor, deute nichts darauf hin, dass Polens Politiker - sowohl die regierenden als auch die oppositionellen - sich in ihrer neuen Rolle zurechtfinden. Das eigentliche Wesen der Politik sei die Fähigkeit, vollendete Tatsachen zu schaffen. Derweil habe Polens Regierung nach ihren ersten 100 Tagen immer noch nicht entschieden, was sie tun wolle, für wie viel, auf welche Weise und bis wann. Doch selbst die von Experten prognostizierten drei Jahre bis zu einer erneuten Invasion der Russen würden bedeuten, dass in Polen konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Hier und jetzt, schreibt Bielecki. Sollten Polens Eliten in den nächsten Wochen nicht einen Plan haben, um das Land in den kommenden Monaten auf diese neuen/alten Herausforderungen vorzubereiten, werde es, wie immer, einfach zu spät sein.

Bielecki sieht das Hauptproblem darin, dass polnische Politiker meist Märchenerzähler seien, keine Menschen der Tat. Polen würden schreiben, reden, argumentieren wie in einem Seminar für Politikwissenschaft, während bereits eine Zeit der strategischen Kriegsspiele begonnen habe. Für zahlreiche Experten aus Denkfabriken scheine es sogar so, als ob die Sache mit der Formulierung, was die Machthaber tun sollten und warum, schon erledigt sei. Es finde ein erbitterter Kampf um eine siegreiche Narrative statt, als ob in der Politik Worte ausreichen. Geht es nach dem Autor, resultiere diese Illusion aus der Tatsache, dass die polnische politische Klasse hauptsächlich aus Historikern, Politologen, Juristen, Journalisten, sowie PR- und Marketingspezialisten bestehe.

Die wirkliche politische Arbeit bestehe allerdings darin, Energie auszustrahlen, vollendete Tatsachen zu schaffen und Absichten trotz der Schwierigkeiten und Widerstände der Bevölkerung umzusetzen, fährt Bielecki fort. Als Polen vor 25 Jahren der NATO beitrat, sei sich der Autor bewusst gewesen, dass neue und bessere Waffen nicht ausreichen würden. Ohne Logistik, Kommunikation und menschliches Kapital, reiche wirtschaftliche Stärke oder Moral nicht aus.

Wie können Politiker kritische Infrastrukturen, wie den geplanten Zentralflughafen, und die Gesamtverteidigung in einem Tempo stärken, wie es die Umstände erfordern? Wie könne man echte Brücken der Zusammenarbeit mit der Ukraine bauen, fragt der Autor am Schluss.

Die Antwort auf all diese Fragen laute: anders als bisher! Indem man die Verfahren und Gewohnheiten der Bürokratie umgehe, die dazu geführt haben, dass Polen im öffentlichen Sektor der EU im Wettbewerb weit zurückliege. Alles, was in diesem Sektor entstehe, dauere zu lange, koste zu viel und garantiere nicht die gewünschten Ergebnisse. Und wenn es in den acht Jahren der konservativen Rechten und den acht Jahren der liberalen Vorgängerregierung nicht gelungen sei, den Widerstand dieser Bürokratie zu durchbrechen, dann sollte man es jetzt auch nicht versuchen. Polen müsse im Modus der Kriegsvorbereitung handeln. Für alles andere gebe es keine Zeit mehr, so Czesław Bielecki in der Rzeczpospolita. 

DGP: Monetisierung der Angst. Privatfirmen könnten Bau von Schutzbunkern übernehmen  

In Polen wachse das Interesse am Bau von Schutzeinrichtungen, schreibt indes die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Bislang sei nämlich die Frage der öffentlich zugänglichen Schutzräume in Polen von allen Regierungen vernachlässigt worden. Der stellvertretende Minister für Inneres und Verwaltung habe am Mittwoch in einem Interview mit der polnischen Presseagentur mitgeteilt, die Arbeiten an der Verordnung über Schutzräume seien in der Endphase. Wie DGP schreibt, könnten derzeit im Ernstfall allerdings nur 300 Tausend Einwohner an solchen Orten untergebracht werden. Weitere 1,1 Millionen könnten nur in einfachen Verstecken wie Kellern oder unterirdischen Tunneln, wie dem U-Bahnnetz, Schutz suchen.

Der Tageszeitung nach, entstehe somit eine Nachfrage nach einem neuen Bauzweig. Baufirmen sollen gegenüber der Zeutung erklären, dass bis vor kurzem nur sog. „Preppers" an solchen privaten Schutzbauten interessiert gewesen seien. Also Personen, die sich mittels individueller Maßnahmen auf verschiedene Arten von Katastrophen vorbereiten. Sollte sich der Staat also nicht um den Zivilschutz kümmern, würde der private Sektor seine Rolle übernehmen. Mit der Angst der Bürger würden Privatunternehmer dann auf diese Weise ihr Geld verdienen.


Autor: Piotr Siemiński