Rzeczpospolita: Große Außenpolitik im Sejm
In seiner gestrigen Parlamentsrede hat Außenminister Radosław Sikorski einen großen Teil seiner Ausführungen der Kritik an der früheren Regierung der Vereinigten Rechten gewidmet. Er bemängelte, dass deren Außenpolitik zwischen 2015 und 2023 in einem „imaginären Raum aus Mythen“ betrieben wurde. Jerzy Haszczyński, Leiter der Auslandsabteilung der Rzeczpospolita, findet, einige Bemerkungen Sikorskis gegenüber der Vorgängerregierung hätten nicht im Sejm geäußert werden dürfen. Das Exposé sei „interessant, stellenweise brillant und sogar humorvoll“ gewesen, es stelle sich jedoch die Frage, ob manche Äußerungen der Würde eines Außenministers angemessen seien.
Besonders überraschend für Haszczyński ist Sikorskis Kritik an den polnisch-tschechischen Beziehungen. Sikorski machte die Regierung der Vereinigten Rechten für die Verschlechterung dieser Beziehungen verantwortlich, was Haszczyński als sehr merkwürdig empfindet. Er verweist darauf, dass Warschau eine der ersten Hauptstädte war, die der neue tschechische Präsident Petr Pavel besucht hatte. Zudem reisten die Premierminister von Tschechien, Polen und Slowenien 2022 in einer „wegweisenden“ Delegation nach Kiew – ein Schritt, den sich zuvor niemand gewagt hatte. Erst danach fanden westliche Staats- und Regierungschefs den Mut dazu.
Die größte Schwäche von Sikorskis Rede sei laut dem Autor die herablassende Behandlung der achtjährigen Herrschaft der PiS. Insbesondere missfiel dem Kolumnisten Sikorskis direkter Ratschlag an die Russen vom Rednerpult des Parlaments aus, die „Mörder und Diebe von der Macht zu entfernen“, so wie es die Polen bei den Herbstwahlen getan hatten. Diese Worte klangen unpassend, so Haszczyński.
Trotz allem zählt das Exposé des Außenministers nicht zu den schlechtesten, da Sikorski sich nicht ausschließlich darauf konzentrierte, gegen die vorherige Regierung zu polemisieren. Haszczyński meint jedoch, dass einige der von Sikorski verwendeten Formulierungen in „den Katalog der am wenigsten durchdachten Äußerungen“ des Chefs der polnischen Diplomatie eingehen werden.
Dziennik/Gazeta Prawna: Sikorskis Äußerungen schockieren die Opposition
Mehr als anderthalb Stunden lang hat Radosław Sikorski am Donnerstag im Sejm die Grundzüge der polnischen Außenpolitik skizziert. Laut Dziennik/Gazeta Prawna hat der amtierende Chef der polnischen Diplomatie nicht nur seine Vorgänger kritisiert, sondern auch wichtige Pläne für die Zukunft skizziert. Ein zentraler Punkt sei die Unterstützung der Ukraine gegen die imperialen Ambitionen Russlands unter Putin. Dabei spiele auch die Förderung des EU-Beitritts der Ukraine eine Rolle. Dies könnte allerdings eine tiefgreifende Reform des EU-Systems erforderlich machen.
Die Opposition habe, wie das Blatt berichtet, schockiert auf Sikorskis Worte reagiert. Sie warne, dass offenbar bereits eine Entscheidung für eine bedeutende Reform der Europäischen Union gefallen sei. Sikorski habe zugegeben, dass eine Änderung des Systems der gemeinsamen Beschlussfassung innerhalb der EU notwendig sei, was letztendlich zur Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips führen könnte.
Paweł Jabłoński, Abgeordneter der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit und ehemaliger stellvertretender Außenminister, bezeichnete dies gegenüber der Gazeta Prawna als eine Form der Erpressung. Er betonte die Bedeutung dieser Äußerungen. Der Grund: Tusk habe bisher so getan, als ob er sich der Abschaffung des Vetorechts in der EU widersetzen würde. Die Rede von Sikorski würde indes zeigen, dass die Regierung bereit sei, einem Kompromiss zuzustimmen, der vollständig den Anweisungen aus Berlin folge. Es sei nämlich Deutschland, das seit langem eine Änderung der EU-Verträge mit der Erweiterung der Europäischen Union verbinde, so Jabłoński.
Das Blatt erinnert auch an die Worte von Sikorski, laut dem Polen zu Kompromissen bereit sein müsse, um den östlichen und südlichen Nachbarländern, deren Beitritt für Polen vorteilhaft wäre, den Weg in die EU nicht zu versperren. Beispielsweise sollten Militärmissionen einstimmig beschlossen werden, für ihre Verlängerungen sollte laut Sikorski jedoch nur noch mit einer Mehrheit ausreichen. Jabłoński wirft dem Minister vor, mit seinen Äußerungen keine nationale Politik zu betreiben, sondern in Wirklichkeit eine Art Bewerbungsgespräch für einen Posten in der Europäischen Kommission zu führen.
Wprost: Die USA retten erneut Europa
Jakub Mielnik schreibt in der Wochenzeitschrift Wprost, dass Russlands Plan, den Krieg bis zu den US-Wahlen auszusitzen und dann einen Waffenstillstand oder einen für Moskau vorteilhaften Frieden zu erzwingen, gescheitert sei. Die USA unterstützten die Ukraine mit erheblichen Geld- und Waffenlieferungen, damit sich Kiew bis ins nächste Jahr gegen Russland verteidigen könne. Laut dem Autor sollte Europa seine Hoffnungen auf eine schnelle Einigung mit Putin aufgeben und stattdessen die Ukraine ernsthaft unterstützen.
Der Autor stellt fest, dass Amerika, wie schon im Ersten Weltkrieg, erneut Europa rettet. Dies sei auch während des Zweiten Weltkriegs, im Kalten Krieg, während des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien und bei der NATO-Erweiterung der Fall gewesen. Ohne die Unterstützung der USA sei Europa nicht in der Lage, für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Dies sollte jeder bedenken, der behauptet, die europäische Unterstützung für die Ukraine sei der amerikanischen militärischen Hilfe überlegen.
Wäre die europäische Unterstützung tatsächlich stärker, so der Autor, würden die Ukrainer nicht sehnsüchtig auf das jüngste Hilfspaket der USA in Höhe von 61 Milliarden Dollar warten. Sie würden auch nicht die Nachricht feiern, dass Washington ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern liefert. Bisher hatte das Weiße Haus unter Druck Deutschlands die Lieferung dieser Waffen an Kiew verweigert. Mielnik zufolge wiederhole Berlin bis zum Überdruss sein Mantra, eine Eskalation vermeiden zu wollen.
Die Mobilisierung der US-Hilfe im Krieg gegen Russland sollte daher ein Weckruf für die europäischen Verbündeten sein. Alles deute darauf hin, dass genau das jetzt geschehe, so der Autor.
Autor: Piotr Siemiński