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Rzeczpospolita zum 20. Jahrestag des EU-Beitritts: „Wichtiger als die Vergangenheit ist die Zukunft"

01.05.2024 12:30
Zwanzig Jahre sind nicht die endgültige Definition der Beziehungen Polens zur Union. Sie haben einen viel längeren Stammbaum, ebenso wie Polens europäischen Ambitionen, schreibt der Chefredakteur der liberal-konservativen Tageszeitung, Bogusław Chrabota, zum 20. Jubiläum von Polens EU-Mietgliedschaft.
1 maja 2004 r. spełniły się marzenia Polaków o powrocie do wolnego świata
"1 maja 2004 r. spełniły się marzenia Polaków o powrocie do wolnego świata"d_odin/Shutterstock

Wie wir lesen sei Polen mindestens seit der Taufe von Mieszko (slawischer Fuerst der Piasten-Herrschaftsfamilie - Anm. d. Red.) ein integraler Bestandteil des lateinischen Europas. Politisch habe sich Polen immer dem Westen zugewandt. Selbst wenn es in der polnischen Geschichte Episoden seiner Integration in den Zivilisationskreis des Ostens gegeben hat, so seien diese immer das Ergebnis der politischen Gewalt gewesen, heißt es. Sowohl unter den Zaren als auch später unter den Sowjets. Die polnische Freiheit sei jedoch immer mit dem Versuch verbunden gewesen, die Fesseln Moskaus zu sprengen. Dies sei sowohl den Aufständischen vom Januar 1863 ebenso klar wie den im kommunistischen Polen lebenden Generationen gewesen.

Polens Weg in die Freiheit sei nichts anderes als der Ausbruch aus dem engen Korsett der erzwungenen Liebe zur Sowjetunion gewesen und dem Traum Europa anzugehören, fährt der Autor fort. Der erste Schritt erfolgte 1988. Damals wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Polen und der Europäischen Gemeinschaft offiziell aufgenommen. Ein Jahr später wurden in Warschau anlässlich des ersten Besuchs des Präsidenten des Ministerrats der EWG-Kommission in Polen Verhandlungen über ein Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit eingeleitet. Von diesem Zeitpunkt an wurde die europäische und atlantische Gemeinschaft für Polen zu einem offensichtlichen Ziel. Zunächst schienen diese Ziele in absehbarer Zeit unerreichbar zu sein, heißt es im Blatt. Doch die Geschichte habe Polen geholfen. Der Kommunismus ist wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.

Die offiziellen Verhandlungen mit der EWG begannen im Dezember 1990. Ein Jahr später unterzeichnete Polen das Assoziierungsabkommen. Im Jahr 1992 trat das Übergangsabkommen in Kraft. Am 8. April 1994 beantragte Polen in Athen die Mitgliedschaft in der Union. Acht Monate später, auf einer Konferenz in Essen, wurde der Antrag von allen Mitgliedstaaten bestätigt. Es dauerte neun weitere Jahre, bis der Beitrittsvertrag vom Europäischen Parlament gebilligt und Monate später von den Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde. Es habe keine Überraschungen gegeben. Polen trat der Europäischen Union mit souveräner Selbstsicherheit bei, mit dem Ruhm des Besiegers des Kommunismus und dem Prestige einer Führungsrolle, so die Rzeczposplita.

„Wichtiger als die Vergangenheit ist die Zukunft"

Können sich die Polen noch an all das erinnern? Seien sie sich bewusst, dass die Entscheidung damals von einer souveränen Nation mit vollem gesellschaftlichem Konsens getroffen worden war? Nein, urteilt Chrabota. 20 Jahre später sei diese Erinnerung fast erloschen. Deshalb falle es den Gegnern Polens so leicht, auf die EU wie auf eine Trommel zu hämmern, heißt es. Sie würden ihren Sinn in Frage stellen, die Grundlagen der nationalen Staatsraison missachten und sogar drohen ihre Strukturen zu verlassen. Zwanzig Jahre nach dem EU-Beitritt sei die Zukunft aber wichtiger als die Vergangenheit, fährt der Autor fort. Die Union sei ein komplexer politischer Prozess, ein Partnerspiel der europäischen Nationen. Als einer von ihnen müsse Polen sich aktiv an diesem Prozess beteiligen, sich um seine eigenen und gemeinsamen Interessen kümmern und sich für eine gemeinsame Zukunft engagieren.

Man müsse Annahmen überprüfen, gemeinsame Projekte kritisch betrachten, innovative und sichere Integrationswege für das Land vorstellen. So sollte Chrabota nach die Präsenz Polens in der Union aussehen. Einem politischen Pakt, der in der Lage sein müsse, auf die Herausforderungen der Welt zu reagieren. Polens Stimme müsse in Brüssel gehört werden. Nicht aber durch Geschrei, sondern durch die ruhige Darlegung der Beweggründe einer in der Demokratie gereiften Nation. Für ein solches Polen lohne es sich zu leben, lautet das Fazit des Chefredakteurs der Rzeczpospolita zum 20. Jahrestags des Beitritts Polens zur Europäischen Union.

Rz/ps