Rzeczpospolita: Venedig-Kommission wie eine höhere, weisere Instanz
Die jüngste Stellungnahme der Venedig-Kommission zu den sogenannten „Neo-Richtern“ hat den politischen Streit um die Gerichte neu entfacht. Trotz des Interpretationsstreits über ihren Inhalt stelle sie den von der Regierung Donald Tusks forcierten Mechanismus zur allgemeinen Überprüfung der von der Vorgängerregierung ernannten Richter in Frage, schreibt Tomasz Pietryga für die Rzeczpospolita. Gleichzeitig handele es sich um eine Weiterentwicklung der früheren Stellungnahme der Kommission zum Entzug des passiven Wahlrechts für sogenannte Neo-Richter bei der Wahl zum Nationalen Justizrat. Eine solche Lösung war in einem von der Regierungsmehrheit verabschiedeten Gesetz enthalten. Die Kommission habe damals den gesamten Mechanismus für ihren Ausschluss in Frage gestellt. Die neue Regierung habe diese Stimme jedoch letztlich ignoriert, lesen wir im Blatt.
Die Stellungnahme der Venedig-Kommission habe keine gesetzgeberische Kraft, heißt es weiter. Sie spiegele jedoch in gewisser Weise den Standpunkt wider, den der Straßburger Gerichtshof in dieser Angelegenheit einnehmen könnte. Dort können im Laufe der Zeit Beschwerden der sogenannten Neo-Richter eingereicht werden. Nach Ansicht des Autors werde die Stellungnahme der Venedig-Kommission keinen Wendepunkt in der Politik von Donald Tusk und Justizminister Adam Bodnar gegenüber den Gerichten darstellen. Sie könnte jedoch unterschwellig die von den aktivistischen Richterorganisationen geforderte radikale Abrechnung abschwächen. Andernfalls könnte sich die Situation aus der Zeit der Regierung der konservativen Recht und Gerechtigkeit wiederholen. Wieder einmal könnte die Opposition die Gesetze und Reformen der aktuellen Regierung vor den europäischen Gerichten in Frage stellen, lesen wir.
Wie der Autor erinnert, habe die Öffentlichkeit zum ersten Mal 2016 von der Existenz der Venedig-Kommission erfahren. Das damalige Außenministerium habe nach der Rechtmäßigkeit der Änderungen im nationalen Verfassungsgericht gefragt. Ihre negative Antwort wurde von der damals regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit ignoriert. Damit habe sie der damaligen Opposition juristische Argumente in dem sich zuspitzenden Streit um die Rechtsstaatlichkeit geliefert. Seitdem, stellt Pietryga fest, hätten die Stellungnahmen verschiedener ausländischer Expertengremien und Gerichte fast schon einen systemischen Status in Polen. Dabei sei es irrelevant, um welche Rechtsnorm es sich handele, sondern nur noch, ob man damit den Gegner effektiv treffen könne.
Geht es nach Pietryga, gebe es wohl kein anderes Land in Europa, das so eifrig um die Meinung internationaler Institutionen werbe und diese damit de facto über große Reformen und systemische Veränderungen, aber auch über kleinere Rechtsfragen mitbestimmen lasse. In Polen würden Meinungen des Auslands zu Dogmen werden. Mit deren Hilfe versuche man, bestehende Gesetze und Entscheidungen der nationalen Gerichte außer Kraft zu setzen oder gar aufzuheben.
Wie es weiter heißt, beginne sich heute der Kreis dieser Entwicklungen zu schließen. Jahrelang habe die Partei Recht und Gerechtigkeit der Opposition vorgeworfen, sie würde sich zu sehr nach dem Ausland richten. Heute würden sie in der Opposition dasselbe tun. Für den Autor sei dies traurig, habe aber auch etwas Beunruhigendes an sich. Wie Tomasz Pietryga abschließend schreibt, habe Polen hier bereits eine jahrhundertealte historische Erfahrung. Sie reiche bis zu den Teilungen des Landes im 18. Jahrhundert zurück. Auch damals habe jemand für Polen entschieden, dass es irgendwo eine höhere, weisere Instanz gebe, an die man sich wenden müsse, um eine Entscheidung zu treffen. Am Schluss lautet Pietrygas Frage in der Rzeczpospolita, ob Polen wirklich nicht in der Lage seien, ihre Probleme selbst zu lösen und fremde Meinungen nur dann einzuholen, wenn es wirklich notwendig ist.
Politico: Polnische US-Bürger wollen trotz Harris' Warnungen für Trump stimmen
Kamala Harris' Warnung vor der russischen Bedrohung für Polen sei kein ausreichendes Argument, um die Stimmen der polnischen Gemeinschaft in den USA zu gewinnen, schreibt indes das Portal Politico. Pennsylvania ist einer der sogenannten „Swing States", die über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen entscheiden könnten. Daher kämpfen dort sowohl Republikaner als auch Demokraten um jede Stimme, auch um die von Amerikanern polnischer Abstammung, schreibt Politico.
Während einer Debatte mit dem republikanischen Kandidaten im September habe sich Kamala Harris direkt an „800.000 polnische Amerikaner hier in Pennsylvania“ gewandt. Sie sagte, Trump würde die Ukraine an Putin verkaufen und dass das nächste Ziel Moskaus Polen sein würde.
Wie es weiter heißt, habe Präsident Joe Biden die Wahl 2020 in Pennsylvania mit nur 80.000 Stimmen Unterschied gewonnen. Deshalb spiele Harris im Wahlkampf mit dem polnischen Patriotismus. Gleichzeitig zeige sich das Portal skeptisch über die Wirksamkeit dieses Schachzugs. Geht es nach Politico, würde bei Wahlzweifeln die amerikanische über die polnische Identität siegen. Für Amerikaner polnischer Abstammung würde die amerikanische Flagge an erster Stelle stehen.
Wie wir im Online-Blatt lesen, würden sich die meisten Polen in den USA mehr Sorgen über die wirtschaftlichen Probleme der Amerikaner als über den Krieg in der Ukraine machen. Anstatt an die amerikanische Wirtschaft würden Milliarden von Dollar an die Ukraine gehen. Die meisten Trump-Wähler würden auch Harris und Präsident Joe Biden die Schuld für diese Probleme geben. Ein Teil der polnisch-amerikanischen Gemeinschaft sei auch der Meinung, dass die Beendigung des Krieges in der Ukraine eine Priorität der US-Politik sein sollte. Trumps Anhänger würden daher ein schnelles Friedensabkommen erwarten, selbst um den Preis der Abtretung einiger ukrainischer Gebiete an Russland, schreibt Politico.
Wprost: Werden nützliche Idioten Russland vor dem Bankrott retten?
Der Kreml versuche mit allen Mitteln, den Westen zu Friedensgesprächen zu bewegen. Im Jahr 2025 werde im russischen Haushalt nämlich kein Geld mehr vorhanden sein, um einen Krieg mit der aktuellen Intensität zu führen, schreibt Jakub Mielnik in der Wochenzeitung Wprost. Putin werde gezwungen sein, die Front in der Ukraine einzufrieren. Es sei denn, so der Autor, die nützlichen Idioten im Westen würden sein Regime früher retten, indem sie sich auf irgendwelche Verhandlungen mit Moskau einlassen.
Wie wir lesen, verwüste der Krieg die russische Wirtschaft in einem weitaus größeren Ausmaß, als die Kreml-Enthusiasten, die von Putins angeblicher wirtschaftlicher Widerstandskraft begeistert seien, zugeben wollen. Die erfreulichen Zahlen über die Erfolge der russischen Wirtschaft würden durch staatliche Unternehmen generiert werden. Diese würden aber staatliche Aufträge zu staatlich festgelegten Preisen ausführen. Die Realität sehe jedoch ganz anders aus. Sie werde ebenso schleichend verschleiert wie der Zusammenbruch der untergehenden Sowjetunion, heißt es.
Wie der Autor feststellt, habe Gazprom letztes Jahr sogar 6 Milliarden Dollar verloren. Der Kohlebergbau sei um 27 Prozent gesunken. Moskaus Waffenexporte seien wegen der Bedürfnisse der ukrainischen Front praktisch erstarrt. Auch die während des Ölbooms angehäuften Währungsreserven schrumpfen. Der schwedische Ökonom, ehemalige Berater der russischen und ukrainischen Regierung sowie Experte für den postsowjetischen Wirtschaftsraum, Anders Aslund, schätze die derzeitigen russischen Reserven auf 55 Milliarden Dollar. Allein die Deckung des offiziell auf 2 Prozent des BIP festgesetzten Haushaltsdefizits würde jedoch etwa 40 Milliarden Dollar pro Jahr ausmachen, lesen wir.
Und das bedeute, dass Russland Ende nächsten Jahres nicht nur kein Geld mehr haben werde, um seine Eroberungsversuche in der Ukraine weiter zu finanzieren, sondern auch um seinen laufenden Haushaltsbedarf zu decken, urteilt Jakub Mielnik abschließend in Wprost.
Autor: Piotr Siemiński