Deutsche Redaktion

"Zweiter Versuch der Kolonisierung"

31.03.2025 13:40
Die von den USA vorgelegte neue Version des Rohstoffabkommens sehe eine massive Einschränkung der wirtschaftlichen Souveränität der Ukraine vor, widerspreche Grundprinzipien internationaler Verträge und torpediere eine Intergration der Ukraine mit der EU, schreibt Michał Potocki in Dziennik Gazeta Prawna. Außerdem: Lebt Trump in einer Fantasiewelt oder sind es eher die liberalen Leitmedien, die Angstmacherei betreiben, um die Souveränität von Nationalstaaten zu mindern? Und: Bringt das neue Abkommen zwischen Warschau und Paris Polen unter den nuklearen Schutzschirm Frankreichs? 
US-Prsident Donald Trump geht auf dem Sdrasen des Weien Hauses in Washington, DC, USA, am 30. Mrz 2025 nach seiner Rckkehr aus Florida spazieren. EPAYuri Gripas  POOL Dostawca: PAPEPA.
US-Präsident Donald Trump geht auf dem Südrasen des Weißen Hauses in Washington, DC, USA, am 30. März 2025 nach seiner Rückkehr aus Florida spazieren. EPA/Yuri Gripas / POOL Dostawca: PAP/EPA.EPA/Yuri Gripas / POOL

Dziennik Gazeta Prawna: Zweiter Versuch der Kolonisierung

Die neue Version des Rohstoffabkommens, die die USA der Ukraine unterbreitet haben, wirft die bisher verhandelten Rahmenbedingungen völlig über den Haufen, schreibt Michał Potocki im Wirtschaftsblatt “Dziennik Gazeta Prawna” und bezeichnet diese als zweiten Versuch der Kolonisierung der Ukraine durch die USA. Die neue Version, so der Autor, sehe eine massive Einschränkung der wirtschaftlichen Souveränität der Ukraine vor und sei von Kiew bewusst durch einen kontrollierten Leak publik gemacht worden. Zeitlich habe sich dies mit einem Vorschlag von Wladimir Putin überschnitten, der die Ukraine unter UN-Kontrolle stellen wolle – beide Vorschläge seien gleichermaßen absurd, so Potocki..

Die nun vorgelegte 58-seitige Vereinbarung, die laut Jewropejska Prawda am 23. März aus Washington eingetroffen sei, mutet laut dem Autor wie ein privatwirtschaftlicher Konzernvertrag an und widerspreche in mehreren Punkten den Grundprinzipien internationaler Verträge. Die Autoren, die das Abkommen vorbereitet hätten, hätten zudem vergessen, dass das ukrainische Parlament ihm zustimmen müsse. Die geplante Struktur des „Amerikanisch-Ukrainischen Investitionsfonds für Wiederaufbau und Entwicklung“ sehe vor, dass ein fünfköpfiger Verwaltungsrat die Kontrolle ausübt – mit drei von der US-Regierung bestimmten Amerikanern und zwei Ukrainern, die ebenfalls erst durch die US-Administration genehmigt werden müssten. Die Ukraine dürfe sich zudem nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Vereinigten Staaten aus dem Fonds zurückziehen, was einen eklatanten Bruch mit der fundamentalen Logik zwischenstaatlicher Abkommen darstelle, so der Autor.

Auch in steuerlicher und juristischer Hinsicht würde Kiew ins Hintertreffen geraten: Der Fonds solle in den USA versteuert werden, Streitfälle würden von einem Gericht in New York entschieden. Die Ukraine selbst müsste 50 Prozent der Einnahmen aus privatem wie staatlichem Rohstoffabbau, dem Verkauf von Förderlizenzen und der Nutzung unklar definierter Infrastrukturen in den Fonds einbringen. Die amerikanische Einlage bestehe rückwirkend aus 150 Milliarden US-Dollar. Diese seien ursprünglich eigentlich als nicht rückzahlbare Hilfe während der Amtszeit von Joe Biden geleistet worden, würden nun aber mit jährlich vier Prozent verzinster Rückzahlung versehen. Die Entscheidung darüber, ob und wie Reinvestitionen aus dem Fonds erfolgen, liege ausschließlich bei den Amerikanern.

Hinzu komme ein faktisches Investitionsmonopol: Kiew dürfe keine Drittstaaten – etwa aus Europa – als Partner zulassen, solange Washington keine Ablehnung an die jeweilige Kooperation formuliert habe. Selbst in einem solchen Falle dürften Angebote an Drittländer nicht vorteilhafter sein als jene für die USA. Das, so Potocki, torpediere nicht nur die Idee europäischer Integration, sondern eröffne gar die Möglichkeit, europäischen Staaten den Zugang zu ukrainischen Rohstoffen komplett zu verwehren. Eine entsprechende Klausel im Vertragsentwurf gestatte es der US-Regierung, Exportverbote für „strategische Konkurrenten“ zu verhängen. Angesichts früherer Aussagen von Donald Trump, die EU sei einzig gegründet worden, um Amerika zu schaden – eine Einschätzung, die er in vulgärer Sprache geäußert habe – sei nicht auszuschließen, dass auch Polen in diese Kategorie falle.

Wie Potocki erinnert, fordere Trump die Unterzeichnung des Vertrags noch in dieser Woche. Die Ukraine müsse deshalb erneut einen Weg finden, „den Trumpisten die Idee auszureden, ihr die Souveränität zu entziehen und sie in eine Art Freistaat Kongo des frühen 20. Jahrhunderts zu verwandeln – nur ohne Sklaverei.“ Beim ersten Versuch sei dies gelungen und das erste Projekt von Handelsminister Scott Bessent sei mehrmals von Neuem geschrieben worden, bis es eine akzeptable Form angenommen habe. Dieses Mal könne sich dies als schwerer erweisen, so Michał Potocki in Dziennik Gazeta Prawna.

Rzeczpospolita: Die amerikanische Fantasie nach Trump - gefährlich und grausam

Was sich in den USA abspielt, ist kein neuer Isolationismus, sondern ein neuer Aktivismus – gefährlich, grausam und brutal, schreibt der Philosoph und Politikwissenschaftler Marek A. Cichocki in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.

Um aktuelle Entwicklungen zu verstehen, so der Autor, neige man dazu, historische Analogien heranzuziehen – so auch im Fall der amerikanischen Außenpolitik unter Donald Trump. Der zunehmenden Ratlosigkeit und gelegentlichen Fassungslosigkeit gegenüber der neuen US-Administration begegne man häufig mit dem Argument, es handle sich um eine Rückkehr zum Isolationismus des 19. Jahrhunderts. Doch wenn Trump tatsächlich einen Isolationismus vertrete, dann, so Cichocki, sei es eine äußerst aggressive, aktivistische Spielart: der Angriff auf Huthi-Stellungen im Jemen, Gespräche mit Russland, der Druck auf die Ukraine zu Zugeständnissen, Forderungen nach Kontrolle über den Panamakanal, Pläne zur Übernahme Grönlands – und nicht zuletzt die Idee, den Gazastreifen zu räumen und in eine touristische Riviera zu verwandeln seien dafür nur einige Beispiele. Für einen Isolationismus sei das eine ganze Menge Aktivität, bemerkt Cichocki.

Das Problem liege daher nicht im Isolationismus, sondern in der Natur des neuen amerikanischen Aktivismus, den Trump und seine engsten Vertrauten pflegten wie eine neue Religion. Dieser Aktivismus sei nicht, wie in der Vergangenheit, ein Ausdruck einer politischen Mission oder einer durchdachten Strategie zur Aufrechterhaltung der Weltordnung, sondern das Produkt einer völlig neuen treibenden Kraft: der Fantasie.

Cichocki sieht in dieser Fantasie den neuen Motor der westlichen Welt, die nach dem Zusammenbruch der Ideologien von Fortschritt und Moderne – mit dem Liberalismus als letztem Überbleibsel – ins Vakuum geraten sei. Diese neue Fantasie nähre sich aus dem grenzenlosen Vertrauen in neue Technologien, die glauben ließen, dass alles möglich sei. Kombiniert mit Macht und großem Kapital entstehe daraus eine bizarre Fantasiewelt, die man ändern könne, indem man zum Beispiel auf Signal chatte. In dieser Welt würden Geschichte, Ideologie und Kultur keinerlei Bedeutung mehr haben.

„Damit verschwindet auch, was für politische Realisten stets das Kernproblem der Politik ausmachte – ihre Tragik“, schreibt Cichocki. Deshalb könne man in diesem Denken Gaza in eine Riviera verwandeln oder Russland und die Ukraine die Kooperation beibringen. Es sei die Welt einer neuen amerikanischen Fantasie, die „gefährlich, grausam und brutal“ sei, so Marek A. Cichocki in der Rzeczpospolita.

Do Rzeczy: Diese verfluchten Verhandlungen

Der Chefredakteur des nationalkonservativen Wochenblatts Do Rzeczy, Paweł Lisicki, wirft den linksliberalen Medien in seinem Leitartikel zu neuen Ausgabe Angstmacherei vor, deren Ziel der Verzicht auf die Souveränität der Nationalstaaten zugunsten Brüssels sei. 

Beobachte man die westlichen, liberalen Leitmedien, so Lisicki, so entstehe der Eindruck, dass die von ihnen zitierten Experten alles daransetzen, um die Gespräche zwischen Trump und Putin als zum Scheitern verurteilt darzustellen. Dabei sei es kein Zufall, dass eben jene Stimmen seit drei Jahren beharrlich wiederholen, die alleinige Ursache des Krieges liege im expansiven Kurs des Kremls und die Ukraine sei Bollwerk gegen eine unmittelbar bevorstehende russische Invasion Europas.

Doch zentrale Fragen würden in diesem medialen Konsens systematisch ausgeblendet, kritisiert Lisicki: Woher wisse man, dass Russland Europa angreifen werde? Welchen strategischen Zweck hätte ein solches Vorgehen? Warum sollte ein Land mit 140 Millionen Einwohnern einen Krieg gegen NATO-Staaten mit über 800 Millionen Menschen riskieren – zumal unter Gefahr eines nuklearen Konflikts mit den USA?

Auch die militärische Logik erscheine fragwürdig: Russland habe in drei Jahren nur etwa 20 Prozent der Ukraine besetzt – wie solle es die übrigen 80 Prozent und darüber hinaus den Westen Europas erobern? Nicht einmal Israel, das in Gaza mit massiven Bombardierungen operiere, könne dort vollständige Kontrolle ausüben, so Lisicki.

Ein weiterer Aspekt: Würden China – für das die EU ein zentraler Wirtschaftsraum sei – oder die zunehmend selbstbewusste NATO-Macht Türkei einen russischen Angriff einfach hinnehmen? Solche Fragen würden in der öffentlichen Debatte kaum gestellt. „Je mehr man fragt, desto deutlicher wird, auf welch wackeligen Beinen die mediale Argumentation steht“, meint der Publizist.

Am Ende bleibe nur ein Motiv: Emotionen. Die gezielte Angsterzeugung vor einer russischen Aggression solle dazu dienen, die europäischen Staaten zur Aufgabe ihrer nationalen Souveränität zu drängen und Fragen der Sicherheit an Brüssel zu delegieren. Gerade deshalb seien Friedensverhandlungen für Anhänger dieser Ordnung so gefährlich. „Wenn die Amerikaner Frieden erreichen – womit sollen uns die Globalisten dann noch Angst machen?“, fragt Paweł Lisicki in Do Rzeczy.

Gazeta Wyborcza: Unter dem Schutzschirm Frankreichs

Polen unter dem atomaren Schutzschirm Frankreichs? Nach der Unterzeichnung des neuen polnisch-französischen Kooperationsabkommens könnte dies faktisch der Fall sein, berichten Bartosz T. Wieliński und Michał Kokot im Aufmacher der linksliberalen Gazeta Wyborcza.

Die Verhandlungen über ein neues polnisch-französisches Kooperationsabkommen, das den seit 1991 geltenden Staatsvertrag ablösen soll, befinden sich in der Endphase. Wie Autoren unter Berufung auf Quellen im polnischen Außenministerium schreiben, hätten die französischen Vorschläge in Warschau zunächst für Verwunderung gesorgt, da sie deutlich über bisherige Standards hinausgingen. Premierminister Donald Tusk habe jedoch klargestellt, dass er ein „ambitioniertes“ Abkommen anstrebe.

Kernstück des neuen Vertrags sollen sicherheitspolitische Garantien sein, analog zu jenen, die Frankreich 2019 mit Deutschland und 2023 mit Spanien vereinbart habe. Diese Abkommen würden die Untrennbarkeit der sicherheitspolitischen Interessen der Vertragspartner bekräftigen und gegenseitige Beistandsverpflichtungen im Falle eines bewaffneten Angriffs beinhalten – einschließlich militärischer Hilfe. Auch der polnisch-französische Vertrag soll eine solche Klausel enthalten, so das Blatt.

Besondere Brisanz erhalte das Abkommen durch die nukleare Rolle Frankreichs: Als einziger Atomwaffenstaat der EU verfüge Frankreich über 240 atomare Sprengköpfe auf interkontinentalen Raketen, stationiert auf vier U-Booten, sowie über 50 weitere Gefechtsköpfe auf Marschflugkörpern, die von Kampfflugzeugen getragen werden. „Wenn der Vertrag in dieser Form in Kraft tritt, bedeutet das faktisch, dass Polen unter den französischen atomaren Schutzschirm gestellt wird“, so die Autoren.

 

Darüber hinaus ziele das Abkommen auf eine stärkere militärische und industrielle Kooperation, sowie die Einrichtung gemeinsamer Gremien zur sicherheitspolitischen Abstimmung. Die enge Verzahnung der Verteidigungsstrategien sei laut polnischer Diplomatie darauf ausgelegt, die NATO zu stärken: „Je intensiver die Zusammenarbeit zwischen Verbündeten, desto robuster das Bündnis“, zitiert die Zeitung eine Quelle.

Die Unterzeichnung des Vertrags sei ursprünglich für Ende April geplant gewesen, jedoch wegen der anstehenden französischen Präsidentschaftswahlen auf Juni verschoben worden.

Ein ähnliches Abkommen mit Deutschland, lesen wir weiter, lasse hingegen auf sich warten. Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU und designierter Kanzler, habe zwar einen neuen deutsch-polnischen Vertrag in Aussicht gestellt, doch konkrete Fortschritte gebe es nicht. CDU-Abgeordneter Knut Abraham sagte der Gazeta Wyborcza, dass der künftige Koalitionsvertrag zunächst klären müsse, wie der bestehende Vertrag von 1991 umgesetzt werde – etwa bei der Finanzierung des Polnischunterrichts in den Bundesländern. Zudem stünden weiterhin offene Forderungen Polens nach Reparationen für NS-Verbrechen im Raum. „Wir müssen dieses Thema ambitionierter angehen. Die Polen haben recht: Deutschland hat eine Verpflichtung, seiner historischen Schuld gerecht zu werden“, so Knut Abraham gegenüber der Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau



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Selenskyj trifft Trump – Abkommen über Rohstoffe, aber keine Sicherheitsgarantien

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"Das wahre Geheimnis des Weißen Hauses"

26.03.2025 15:16
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