Deutsche Redaktion

Europas Weg zur Eigenständigkeit

08.04.2025 13:00
Brüssel verabschiedet sich zunehmend von der Illusion einer verlässlichen US-Militärmacht unter Donald Trump. Gleichzeitig setzen US-Zölle Russlands Wirtschaft unter Druck. Und in Polen: Die Regierung plant große Feierlichkeiten zum 1000. Jahrestag der Krönung von Bolesław Chrobry – allerdings mit fragwürdiger Vorbereitung und wenig Konzept.
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Bild:Shutterstock/artjazz

Rzeczpospolita: Europas Weg zur sicherheitspolitischen Eigenständigkeit

Brüssel hegt keine Illusionen mehr über Donald Trump – und bereitet sich auf eine neue geopolitische Realität vor, in der Europa ohne militärische Rückendeckung aus Washington agieren muss. Das berichtet der außenpolitische Kommentator Jędrzej Bielecki in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita.

Ausgangspunkt ist ein Interview mit dem EU-Kommissar für Verteidigung, Andrius Kubilius. Vor dem Hintergrund russischer Militärmanöver im Herbst betont dieser, dass ein Angriff auf die baltischen Staaten nicht ausgeschlossen werden könne. Russland produziere zudem innerhalb von drei Monaten mehr Waffen als die gesamte NATO – einschließlich der USA – in einem ganzen Jahr, so Kubilius.

Neben der Bedrohung durch Moskau stelle auch der strategische Rückzug der USA unter Trump ein gravierendes Problem dar, schreibt Bielecki. Brüssel habe erkannt, dass man auf einen US-Präsidenten, der sich nicht für die Verteidigung Europas verantwortlich fühle, nicht mehr bauen könne. Kubilius bezeichnet es als „Fehler“, dass Washington nicht versucht habe, die Ukraine vor möglichen Verhandlungen mit Moskau militärisch maximal zu stärken. Eine kohärente US-Strategie sei nicht erkennbar – ein Vorwurf, der in diplomatischen Kreisen schwer wiege, so das Blatt.

Gleichzeitig zeichne sich eine neue Dynamik ab: In Berlin, Paris und Warschau wachse der politische Wille, Europas Sicherheit in die eigene Hand zu nehmen. Auch eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine ohne Beteiligung der USA sei denkbar. Derzeit versuche Brüssel noch, ein Gleichgewicht zu finden – mit konventioneller Verteidigung durch die EU und einem nuklearen Schutzschirm aus Amerika. Doch auch dieses Modell könnte sich als nur vorübergehend tragfähig erweisen.

„Wir müssen uns auf jede Eventualität vorbereiten – nicht nur, was die Verteidigung der Ukraine betrifft, sondern auch die Europas selbst“, sagt Kubilius. Eine föderale, geopolitisch handlungsfähige EU zeichne sich ab – eine Entwicklung, die sowohl in Moskau als auch im Trump-geführten Washington lange gefürchtet worden sei, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. 

Dziennik Gazeta Prawna: Russland am Boden – Zölle zeigen Wirkung 

Mit einem gezielten Zollschlag hat die US-Regierung Russlands fragile Finanzlage weiter destabilisiert, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna.

Obwohl Russland offiziell nicht auf der Liste von über 180 Ländern steht, gegen die Präsident Donald Trump vergangene Woche Ausgleichszölle verhängt hat, unterliegen russische Waren seit Samstag dennoch einem allgemeinen Zollsatz von 10 Prozent. Der Grund für diese zurückhaltende Maßnahme sei laut Kevin Hassett, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, der Wunsch, die laufenden Gespräche über einen Waffenstillstand in der Ukraine nicht zu gefährden.

Die eigentliche Wirkung dieser Maßnahme zeigt sich jedoch an anderer Stelle: Der Ölpreis ist binnen drei Tagen um 15 Prozent auf 60 Dollar pro Barrel gefallen – der tiefste Stand seit vier Jahren. Da Russland seinen Haushalt für 2025 auf Grundlage eines Ölpreises von rund 70 Dollar kalkuliert hat, gerät der Staatshaushalt nun massiv unter Druck. Die russische Ölsorte Urals wurde zuletzt sogar nur noch für 50 Dollar gehandelt.

Bereits vor dem Preisverfall hatte Moskau Schwierigkeiten, die geplanten Einnahmen aus dem Energieexport zu erreichen. Im März gingen diese im Jahresvergleich um 17 Prozent zurück, im ersten Quartal insgesamt um 10 Prozent. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um fast ein Drittel. Das Haushaltsdefizit belief sich im Februar bereits auf 31,5 Milliarden Dollar – mehr als das Doppelte des ursprünglich für das gesamte Jahr veranschlagten Werts.

Der Rubel hat sich zuletzt zwar stabilisiert, doch erschwert dies die Umrechnung der Ölexporteinnahmen in die Landeswährung. Beobachter erwarten daher eine bevorstehende Abwertung des Rubels. Gleichzeitig greift Moskau verstärkt auf den Nationalen Wohlstandsfonds zurück, aus dem bereits zwei Drittel der liquiden Mittel entnommen wurden. Dem Fonds stehen derzeit nur noch rund 40 Milliarden Dollar zur Verfügung.

„Der Ringrichter hat mit dem Zählen begonnen“, schreibt Tomasz Jóźwik. „Ob Russland bei Zehn wieder kampfbereit sein wird – wobei man jede Zahl mit einem Monat gleichsetzen kann – bleibt offen.“ 

Rzeczpospolita: Feiern ohne Plan 

Die Kanzlei des Premierministers plant auf Anweisung von Donald Tusk große Feierlichkeiten zum 1000. Jahrestag der Krönung von Bolesław Chrobry. Wie die Rzeczpospolita berichtet, beginnen die Vorbereitungen jedoch weniger als drei Wochen vor dem Ereignis. Mehrere staatliche Stellen wurden offenbar kurzfristig in die Planungen eingebunden.

Ein staatliches Unternehmen erhielt laut Zeitung eine Anfrage von einem Medienvermittler, der im Namen des Premierministers um organisatorische Unterstützung bat. Die Reaktion der Adressaten: Überraschung und organisatorische Unsicherheit. Auch das Kulturministerium sowie ein weiteres Staatsunternehmen bestätigten inoffiziell die Planungen – kennen jedoch weder Ablauf noch Konzept der Veranstaltung.

Jan Grabiec, Leiter der Kanzlei des Premierministers, antwortete auf die Nachfrage der Presse zum Plan des Jubiläums lediglich mit dem Wort „Überraschung“. Auch innerhalb der Regierungskoalition sei die Initiative nicht abgestimmt gewesen.

Am 26. April soll in Gniezno eine gemeinsame Sitzung von Sejm und Senat stattfinden. Geplant sind Reden von Präsident Andrzej Duda, Premierminister Donald Tusk sowie Senatsmarschallin Małgorzata Kidawa-Błońska. Ebenfalls vorgesehen sind die Verlesung einer gemeinsamen Resolution zum Krönungsjubiläum sowie die Aufführung der mittelalterlichen Nationalhymne „Bogurodzica“.

 

 

Autor: Joachim Ciecierski 

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