Deutsche Redaktion

„Wie Russland das Informationschaos in Polen ausnutzt"

19.09.2025 13:30
Die anhaltende Diskussion über die Rakete, die am vergangenen Mittwoch beim Abfangen einer russischen Drohne auf ein Wohnhaus gestürzt ist, gehe völlig am Kern der Sache vorbei. Der russische Einfluss auf Polens öffentliche Debatte im Netz sollte alle alarmieren. Das politische Chaos in Polen ist zurück. Und: Die gemeinsamen russisch-belarussischen Manöver sind beendet – zumindest offiziell. Provokationen gegenüber dem Westen gehen weiter. Mehr dazu in der Presseschau.
Die anhaltende Diskussion in Polen ber die Rakete, die am vergangenen Mittwoch beim Abfangen einer russischen Drohne auf ein Wohnhaus gestrzt ist, geht weiter.
Die anhaltende Diskussion in Polen über die Rakete, die am vergangenen Mittwoch beim Abfangen einer russischen Drohne auf ein Wohnhaus gestürzt ist, geht weiter. PAP/Wojtek Jargiło

Rzeczpospolita: Wie Russland das Informationschaos in Polen ausnutzt"
In der „Rzeczpospolita" schreibt Chefredakteur Michał Szułdrzyński, dass die im polnischen Informationsraum anhaltende Diskussion über die Rakete, die am vergangenen Mittwoch beim Abfangen einer russischen Drohne auf ein Wohnhaus gestürzt ist, völlig am Kern der Sache vorbeigehe. Premierminister Donald Tusk und das Verteidigungsministerium würden sich gegen Vorwürfe verteidigen, die niemand erhebe. Ein großer Teil der politischen Rechten indes kritisiere die Regierung für etwas, das in Wirklichkeit nie geschehen sei. Geht es nach dem Autor würden beide Seiten falsch liegen.

Niemand würde ernsthaft dem Militär einen Vorwurf machen. Es sei völlig klar, dass die volle Verantwortung für die Konsequenzen des Eindringens russischer Drohnen in den polnischen Luftraum bei deren Absender liegt – also bei Russland. Ebenso offensichtlich sei, dass die Kommandeure und Piloten, die in diesem Fall Entscheidungen trafen, im Zustand höherer Gewalt handelten – im Dienst der Sicherheit des polnischen Luftraums, heißt es.

Fälle, in denen Raketenteile oder Trümmer abgeschossener Drohnen abstürzen, seien leider keine Seltenheit in Gebieten mit militärischen Aktivitäten. Es komme vor, dass eine abgefeuerte Rakete ihr Ziel verfehlt und auf ein Gebäude stürzt. Die Israelis würden das nur allzu gut wissen, lesen wir. Bei jedem Raketenangriff suchen sie Schutz in Bunkern, obwohl sie über das weltweit beste Luftabwehrsystem verfügen. Sie würden das nicht nur aus Angst vor feindlichen Raketen sondern auch wegen Trümmerteilen gegnerischer Geschosse als auch der eigenen Abfangraketen tun.

Das rechtskonservative Lager aber nutzte den Vorfall, um die Regierung anzugreifen, heißt es weiter. Es werfe dem stellvertretenden Außenminister vor, Polen bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats mit dem Foto des beschädigten Wohnhauses blamiert zu haben. Tatsache bleibe aber, so der Autor, dass der Drohnenangriff auf Polen mit einer großen Propagandaoffensive Russlands orchestriert worden sei. Deshalb enthalte heute jeder dritte Kommentar im Internet prorussische Behauptungen – etwa, dass nicht Russland die Verantwortung trage, sondern es sich um eine ukrainische oder polnisch-ukrainische Provokation handle.

Und genau darin liege die eigentliche Gefahr, so der Autor. Ein Haus lässt sich wieder aufbauen, militärische Verfahren könne man verbessern, moderne Drohnensysteme kaufen. Doch das Ausmaß des russischen Einflusses auf Polens öffentliche Debatte im Netz sollte alle alarmieren, heißt es am Schluss. Kommunikative Fehler – etwa dass die Öffentlichkeit erst aus den Medien und nicht über eine offizielle Mitteilung der zuständigen Behörden von dem Vorfall in Wyryki erfuhr – haben zur Verbreitung von Desinformation beigetragen. Daraus sollte vor allem die Regierung die notwendigen Lehren ziehen, lautet das Fazit in der Tageszeitung.

Wprost: Nach dem Drohnenvorfall  – kurze Einigkeit, dann Streit
Die russischen Drohnen, die in den polnischen Luftraum eingedrungen sind, haben kurzfristig für Einigkeit in der polnischen Politik gesorgt. Doch das politische Klima änderte sich rasch, schreibt das Portal der Wochenzeitung Wprost. Heute streiten die Parteien über mangelnde Transparenz und unvollständige Informationen. Denn mittlerweile sei klar: Nicht eine russische Drohne, sondern eine polnische Rakete habe das Wohnhaus in der Woiwodschaft Lublin beschädigt. Das Präsidiallager behaupte, der Staatspräsident sei über diesen Umstand nicht vollständig informiert worden.

In sozialen Medien wird Premierminister Donald Tusk und Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz vorgeworfen, die Wahrheit über die Rakete sowohl vor dem Präsidenten als auch vor der Öffentlichkeit verheimlicht zu haben. Die Opposition werfe der Regierung vor, im UN-Sicherheitsrat die Unwahrheit gesagt zu haben – und dass die russische Propaganda dies nun ausnutzen werde. Kurz gesagt: Das polnische politische Chaos ist zurück, heißt es auf dem Portal.

Vor allem steche erneut ein Kommunikationsproblem der Regierung hervor. Ein besonderes Beispiel dazu habe die Sprecherin des Innenministeriums gegeben. Wie sie erklärt habe, hätte sie sich mitten in der Nacht gepackt und das Land verlassen, wenn sie eine Warnung über Drohnen im polnischen Luftraum erhalten hätte. Glücklicherweise seien die Warnmeldungen des Regierungszentrums für Sicherheit erst am Morgen an die Bevölkerung gegangen. Bis dahin seien die Drohnen bereits abgeschossen worden oder von selbst abgestürzt. Und alles bleibe beim Alten.

Geht es nach dem Online-Blatt sei ein weiteres Problem, dass kaum jemand die in den sozialen Medien kursierende Thesen korrigiere, wonach die Drohnen angeblich von der Ukraine abgefeuert worden seien. Diese Behauptung schüre die ohnehin zunehmende Ablehnung gegenüber Ukrainern in Polen. Dabei sei die Informationskriegsführung ein zentraler Bestandteil der aggressiven Strategie Russlands, heißt es. Donald Tusk habe einst als PR-Meister gegolten. Doch seit seiner Rückkehr ins Amt des Premierministers vor zwei Jahren sei nicht viel davon übrig. 

Zwar gebe es jetzt einen Regierungssprecher, doch in den Medien sei er kaum präsent. Wenn es brenzlig wird, scheine er zu verschwinden – vielleicht in der Annahme, dass man mit schlechten Nachrichten lieber nicht in Verbindung gebracht werden sollte, lesen abschließend auf Wprost.

Gazeta Polska Codziennie: Was erwartet uns nach den russischen „Zapad“-Manövern?
Die gemeinsamen russisch-belarussischen Manöver sind beendet – zumindest offiziell. Provokationen gegenüber dem Westen gehen weiter  – sowohl militärischer Art, etwa durch die Stationierung von Iskander-Raketen in Königsberg, als auch propagandistischer Natur: Auf Telegram sollen Landkarten erscheinen, die ein durch einen Atomschlag zerstörtes Polen zeigen, schreibt indes die oppositionsnahe Zeitung GPC.

An den Manövern hätten deutlich mehr Soldaten teilgenommen, als Moskau und Minsk vor Beginn der Übung behauptet hätten. Schätzungen sprechen von rund 30.000 bis 43.000 Soldaten. Ursprünglich war von 13.000 die Rede – später sprach Wladimir Putin sogar von 100.000. Was den konkreten Verlauf betreffe, so sei die diesjährige Ausgabe von „Zapad“ im Vergleich zu früheren deutlich bescheidener ausgefallen, lesen wir. Dennoch bleiben die Manöver ein wirksames Instrument im Propagandakrieg, den Moskau und Minsk längst gegen die Nachbarstaaten und die NATO insgesamt führen. Was kommt als Nächstes, lautet die Frage im Blatt.

Die Ereignisse der kommenden Wochen könnten nicht weniger spannend sein als die Manöver selbst, heißt es weiter. Werden Putins Truppen in Weißrussland bleiben? Wenn ja – in welcher Stärke und mit welchem Ziel? Das Blatt erinnert an „Zapad 2021“. Damals habe es als Generalprobe für die Invasion der Ukraine nur wenige Monate später gedient. Müsse also auch diesmal mit einem Angriff aus dieser Richtung gerechnet werden, lautet die Frage. Oder gehe es lediglich darum, Soldaten zurückzulassen, um den hybriden Krieg gegen den Westen weiter anzuheizen? Die Zeit wird es zeigen – und zwar schon bald, schreibt GPC.

Autor: Piotr Siemiński

 

Russland und Belarus beginnen Militärmanöver „Zapad-2025“. Polen schließt Grenze

12.09.2025 10:56
Geübt werden sollen unter anderem Einsätze von Hyperschallraketen des Typs „Oreschnik“ sowie der Einsatz nuklearer Waffen ohne realen Sprengkopf. Die sechstägigen Manöver umfassen laut offiziellen Angaben rund 13.000 Soldaten; der litauische Geheimdienst spricht von bis zu 30.000.

Ministerium warnt vor Desinformation im Zusammenhang mit Drohnenvorfällen

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Nach Angaben des Analysezentrums NASK gibt es mehrere wiederkehrende Erzählstränge, darunter die These, ukrainische Kräfte seien für die Luftraumverletzung verantwortlich.

Unerwarteter US-Besuch bei Militärübung „Zapad“ in Belarus

16.09.2025 06:29
Bei den russisch-belarussischen Militärmanövern „Zapad-2025“ sind überraschend amerikanische Beobachter erschienen. „Wir zeigen alles, was euch interessiert. Was immer ihr wollt. Ihr könnt dorthin fahren, es euch ansehen, mit den Leuten sprechen“.

Präsident vs Regierung: Streit um „verirrte" Rakete und beschädigtes Wohnhaus

16.09.2025 19:30
Präsident Karol Nawrocki fordert von der Regierung dringende Aufklärung zu Medienberichten, wonach nicht eine russische Drohne, sondern eine „verirrte" Rakete eines polnischen F-16 ein Wohnhaus in Wyryki getroffen haben könnte. Wie das Verteidigungsministerium erklärt, seien alle Informationen zu diesem Vorfall dem Nationalen Sicherheitsbüro des Präsidenten laufend übermittelt worden.  

Haus wohl von F-16 Rakete getroffen

18.09.2025 12:34
Nach dem Eindringen zahlreicher russischer Drohnen in den polnischen Luftraum ist ein beschädigtes Wohnhaus im Osten Polens höchstwahrscheinlich von einer Abwehrrakete getroffen worden. „Alles deutet darauf hin, dass das eine Rakete war, die von unserem Flugzeug bei der Verteidigung Polens abgefeuert wurde“, sagte der Koordinator der polnischen Geheimdienste, Tomasz Siemoniak, am Donnerstag in Warschau. Zugleich mahnte er zur Vorsicht: „Man muss die Ergebnisse der laufenden Ermittlungen abwarten, um sicherzugehen.“