Deutsche Redaktion

Morawieckis Sieg

12.11.2019 13:12
Ein wichtiges Thema in der Presse ist das am Freitag von der Regierungspartei angekündigte neue Kabinett Morawiecki. Die konservative Rzeczpospolita widmet dem Thema gleich 3 Autorenkommentare. 
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Rzeczpospolita: Morawieckis Sieg

Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts sei für ihn keine Überraschung, schreibt in seiner Einschätzung der Publizist Michał Szułdrzyński. In großem Maße, so der Autor, sei es das gleiche Kabinett, auch wenn einige Akzente gewisse Verschiebungen im Kräfteverhältnis innerhalb des Regierungslagers offenbaren. Als Sieger, lesen wir weiter, sei aus dem internen Machtkampf in der Vereinigten Rechten Premierminister Mateusz Morawiecki hervorgegangen. Der Premierminister, erinnert Szułdrzyński, sei zuvor von der Fraktion von Justizminister Zbigniew Ziobro angegriffen worden. Diese habe gefordert, dass Parteichef Jarosław Kaczyński Premierminister werde. Letztendlich habe Morawiecki diese Probe jedoch überstanden.

Der deutliche Verlierer sei indes die Fraktion des eben schon erwähnten Justizministers, der als Trostpreis nur das Umweltministerium erhalten habe. Der zweite Koalitionspartner, Jarosław Gowin, habe dagegen seine bisherigen Einflüsse in der Regierung erhalten.

Der Sieg Morawieckis, fährt Szułdrzyński fort, werde auch am Umzug der Abteilung für Europäische Angelegenheiten vom Auswärtigen Amt in die Kanzlei des Premierministers deutlich. Erstens sei es die enge Zusammenarbeit zwischen Morawiecki und dem bisherigen Vize-Außenminister Konrad Szymański gewesen, die maßgeblich zum Sieg gegen Frans Timmermans als Kandidaten für den Kommissionsvorsitz und die erfolgreiche Kandidatur von Ursula von der Leyen beigetragen habe. Zweitens sei die Europäische Abteilung ein wichtiges Instrument für den Premierminister, der Polen auf den wichtigsten EU-Gipfeln vertrete. Drittens wolle Polen, wie ausländische Diplomaten betonen, durch diese Entscheidung zeigen, dass es die Ambition habe, nach dem Brexit, in den Kreis der fünf größten EU-Staaten aufgenommen zu werden, die über die Zukunft der Staatengemeinschaft entscheiden.

Und schließlich sende die PiS damit auch ein Signal nach innen, an die polnische Mittelschicht, das man etwa so lesen könne: ihr müsst kein Polexit fürchten. Europäische Angelegenheiten sind keine Außenpolitik, sondern ein Teil der Landespolitik. Indem wir ihren Stellenwert erhöhen, zeigen wir, dass wir nirgendwo hinwollen. Unser Platz ist die Europäische Gemeinschaft und dazu haben wir auch die Ambition, eine noch wichtigere Rolle in ihr zu spielen, so Michał Szułdrzyński in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.  

 

Rzeczpospolita: Ziobro wird zahmer werden müssen

Eine wichtige Konsequenz des milderen Kurses gegenüber der EU werde auch eine vorsichtigere Politik der Regierung in Bezug auf das Justizwesen sein, schreibt in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita Tomasz Pietryga. Die Strategen der PiS, so der Autor, seien sich zwar bewusst, dass weitere Affären um die Gerichte in kurzer Perspektive den harten Kern der Wählerschaft der PiS zementieren würden. In längerer Perspektive seien die Kosten einer solchen Strategie jedoch zu hoch. In Schutt und Asche gelegte Institutionen: Das Verfassungsgericht, der Nationale Richterrat, der von internen Konflikten geschwächte Oberste Gerichtshof und dazu die wachsende Ineffizienz normaler Gerichte. Der Staat, so Pietryga, stütze sich auf diesen Institutionen und daher sei ein Dauer-Ausnahmezustand in ihnen destruktiv für dessen Stabilität. Diese Wahrheit würden auch die Regierenden zunehmend erkennen. Dazu komme der Konflikt mit Brüssel und die die Regierung zunehmend belastenden Urteile des Europäischen Gerichtshofs. All das werde dazu führen, dass Justizminister Zbigniew Ziobro in dieser Amtszeit viel vorsichtiger werde walten müssen. Dafür wäre Ziobro gut beraten, Reformen anzugehen, die die Situation von Bürgern in den Gerichten verbessern. Von ihrer Realisierung werde der Erfolg des Justizministers in den kommenden vier Jahren abhängen, so Tomasz Pietryga. 

 

Rzeczpospolita: Fortschritte in der Klimapolitik in Sicht?

Und Wirtschaftspublizist Krzysztof Adam Kowalczyk lobt in seinem Kommentar die Abschaffung des Energieministeriums, das unter der Leitung eines ehemaligen Gewerkschaftlers zu einem Lobbying-Zentrum der staatlichen Kohleindustrie geworden war, die sich vor der unvermeidlichen Transformation zu emissionsarmen Energiequellen zu wehren versuchte. In den letzten vier Jahren, erinnert der Autor, habe Polen in diesem Bereich keine Fortschritte erzielt. Er hoffe daher, dass die Arbeiten des Klimaministeriums sich nun tatsächlich nach den Klimazielen der EU richten werden, wie es der Premierminister versichert habe, so Krzysztof Adam Kowalczyk. 

 

Gazeta Wyborcza: Marsch ohne Regierung, dafür aber mit dem Kreuz

Dem 101. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit widmen die Tageszeitungen, nach dem verhältnismäßig ruhigen Verlauf des gestrigen Unabhängigkeitsmarsches in Warschau im Vergleich zu den Vorjahren relativ wenig Aufmerksamkeit. Die Gazeta Wyborcza macht darauf aufmerksam, dass sich die Regierungspartei im Unterschied zu den Vorjahresveranstaltungen dem Unabhängigkeitsmarsch der Nationalisten in diesem Jahr nicht angeschlossen hat und stattdessen einen eigenen Marsch organisierte.

Wie immer hätten sich die Nationalisten in ihren Botschaften dafür stark auf den polnischen Katholizismus berufen: "Auf dem Katholizismus ist dieses Volk gewachsen. Und wir müssen den Bischöfen sagen: Hört auf, Euch zu fürchten. Wir müssen die moralische Erneuerung des Volkes beginnen. Ihr werdet gebraucht, um über den Marxismus, der die Staaten Europas überrollt zu siegen", zitiert die Zeitung einen der Organisatoren. Zudem unterstreicht Wyborcza auf ihrer Titelseite auch die traditionell weit auseinanderdriftenden Einschätzungen der Stadtbehörden und der Organisatoren zur Teilnehmerzal. So hätten sich, laut den Organisatoren, 150 Tausend Teilnehmer am Marsch beteiligt, laut dem vom Oppositionspolitiker Rafał Trzaskowski geleiteten hauptstädtischen Rathaus seien es 47 Tausend gewesen, lesen wir in der Gazeta Wyborcza. 

 

Autor: Adam de Nisau